Schweizer Detailhandel knackt 100 Milliarden Franken Umsatz
Der Schweizer Detailhandel hat im Jahr 2021 einen Umsatz von 102 Milliarden Franken erzielt. Der inländische Onlinehandel legte um 10 Prozent zu, und im Bereich Heimelektronik wurde jeder zweite Franken online ausgegeben. Für das aktuelle Jahr rechnet GfK mit einem Umsatzrückgang.
Der Schweizer Detailhandel ist gut durch das zweite Coronajahr gekommen. Dies zeigen die Zahlen in der von Marktforsher GfK zusammengestellten Jahresübersicht. Demnach steigerte der Detailhandel seinen Umsatz 2021 um 3,3 Prozent und erzielte 102 Milliarden Franken. Es sei das erste Mal, das der Markt die 100-Milliarden-Frankengrenze geknackt habe, sagte Michel Rahm, Client Business Partner bei GfK. Im Vorjahr meldete die Organisation noch ein Plus von 2,6 Prozent.
Interesse an Second-Hand-Produkten steigt
Die höchsten Umsätze erzielten die Konzerne Migros, Coop und die Fenaco-Gruppe, zu der etwa Volg und Landi gehören. Coop und Migros erzielten im letzten Jahr auch das stärkste Umsatzwachstum, gefolgt von Denner. Am viertstärksten wuchs Digitec Galaxus, das wiederum zur Migros-Gruppe gehört. Das einzige ausländische Unternehmen, welches in der Liste der zehn umsatzstärksten Detailhändler figuriert, ist - einmal mehr - das Möbelhaus Ikea aus Schweden.
Unter Konsumentinnen und Konsumenten beschleunigte sich ein Wertewandel, sagte der Marktforscher weiter. Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz treten mehr in den Vordergrund, wodurch sich die Nachfrage in den Bereichen Refurbished und Second Hand erhöht. Besonders ausgeprägt sind diese Trends bei jüngeren Menschen und bei grösseren Haushalten mit mehreren Kindern.
Was dagegen kaum Anklang findet, ist das Einkaufskonzept Click And Collect, wobei Artikel online bestellt und dann im stationären Laden abgeholt werden. Im Ausland laufe dieses Konzept teils sehr gut, merkte Rahm an. In der Schweiz hingegen habe es hier von 2020 zu 2021 einen prozentualen Rückgang gegeben.
Onlinehandel legt zu - aber nicht für alle
Ein Trend, der sich 2021 fortsetzte, sieht GfK bei den Discountern. Dort steige das Umsatzwachstum kontinuierlich, sowohl im stationären Handel als auch online.
Im generellen Onlinehandel dagegen macht das Marktforschungsunternehmen eine Trendwende aus: Zwar habe der Onlinehandel einmal mehr zugenommen, und zwar um 1,3 Milliarden Franken, Plus 10 Prozent - "ein wahnsinniger Schritt", wie Rahm kommentierte. Allerdings wachsen vor allem die Inlandeinkäufe auf .ch-Domains. Der Anteil der Auslandeinkäufe stagniere schon seit zwei Jahren, so der Analyst.
Der Onlinehandel legte auch 2021 wieder zu. (Source: GfK)
Insgesamt wurde 2021 im Schweizer Detailhandel jeder 78. Franken (12 Prozzent) online generiert. Genauer aufgeschlüsselt, waren es im Bereich Food 3,1 Prozent, im Bereich Non-Food dagegen 18 Prozent, was fast jedem fünften ausgegebenen Franken entspricht. Im Bereich Heimelektronik sei sogar jeder 2. Franken online ausgegeben worden, merkt Rahm an, und wiederholte damit eine Aussage vom Vorjahr.
Spielwaren, Garten- und Sportgeräte besonders gefragt
Besonders die Segmente im Non-Food-Bereich profitierten im jahr 2021, teilt GfK mit, und spricht von einem Plus von 5 Prozent. In den Bereichen Fashion, Home und Lifestyle legte beispielsweise der Spielwarenmarkt deutlich zu. 2021 um 9 Prozent, über die letzten beiden Jahren sogar um 20 Prozent oder 100 Millionen Franken. In derselben Zeit habe das Wachstum in Europa nur 6 Prozent betragen, hob GfK-Marktexperte Kurt Meister hervor. Angetrieben worden sei der Markt von den Kidults, den junggebliebenen Erwachsenen.
Gute Zeiten können auch Händler von E-Bikes vermelden. 190'000 davon wurden 2021 verkauft. Mit einem durchschnittlichen Preis von 3000 Franken pro E-Bike ergibt sich ein Umsatz von 700 Millionen Franken, rechnete der Marktexperte vor. Dazu kommen noch 72'000 E-Scooter.
Ein Plus von 10 Prozent verbuchte auch der Bereich Do-It-Yourself (DIY), und hier vor allem der Gartenbereich (Setzlinge, Saatgut und so weiter) mit einem Plus von 20 Prozent.
Mehr Premiumhandys und weniger IT
Der Markt für Heimelektronik verbucht 2021 noch einen Zuwachs von einem Prozent, führte GfK-Marktexperte Luca Giuriato aus. Generell habe im Verlauf des Jahres eine Preiserhöhung stattgefunden. Es wurden also weniger Produkte gekauft, deren Durchschnittspreise aber höher waren. Dieser Trend zu Premiumgeräten ist im Bereich Telekommunikation, dem zweitgrössten Teilmarkt im Bereich Heimelektronik, am stärksten sichtbar. Hier bescherten Smartphones mit Preisen von mehr als 800 Franken ein Umsatzplus von 8 Prozent.
Im Bereich IT, dem grössten Teilbereich, mass GfK derweil einen Umsatzrückgang von 2 Prozent, verglichen mit dem Vorjahr. Laut Giuriato sorgten hier fehlende Halbleiter, Chips und Prozessoren für Lieferengpässe. Der Markt liege aber noch immer über dem Niveau von 2019, merkte der Experte an.
GfK-Marktexperte Luca Giuriato. (Source: Netzmedien)
Der Markt für Consumer Electronics, dazu zählen laut GfK insbesondere TV- und Videogeräte, entwickelte sich im Vergleich zu 2020 flach. Ebenso erging es dem Segment der kleinen Haushaltsgeräte (Small Domestic Appliances, SDA). Laut Giuriato unterliegt dieses Segment in der Regel wenig Schwankungen. Ausnahme war 2020, als der Bereich ein Plus von 14 Prozent hingelegt hatte, zweifellos angetrieben durch den Lockdown.
Binnen 10 Jahren praktisch halbiert hat sich der Markt für Fotogeräte. Er umfasst laut GfK jetzt noch 160 Millionen Franken Umsatz (minus 6 Prozent) und entwickle sich zum Nichenmarkt.
Nach Produktgruppen aufgeschlüsselt, verzeichneten einige Dauerperformer des Vorjahres wie etwa Notebooks oder Flachbildfernseher einen Rückgang. Derweil legen Produktgruppen wie Videospielkonsolen, Grafikkarten und PC-Kameras per Ende 2021 weiter zu, schreibt GfK. Weltweit sei jedoch eine Sättigung zu erkennen.
Online verbuchten alle Bereiche, bis auf Fotogeräte, ein Umsatzplus. Zwei Drittel der IT-Geräte werden im Internet erworben. Bei Handys ist der Wert mit 39 Prozent tiefer, und bei SDA sind es 42 Prozent. Weiter an Bedeutung gewinne der B2B-Handel: So seien beispielsweise 36 Prozent des Umsatzes mit IT und Office durch Unternehmenskunden erwirtschaftet worden.
Die Inflation kommt jetzt - oder noch nicht jetzt
Auf Anfrage sagt Giuriato, ihn habe die Entwicklung des Heimelektronikmarktes nicht überrascht. Vielmehr wunderte er sich darüber, dass Seitens Industrie zumindest teilweise die Zeichen nicht gesehen worden seien. "Es war eigentlich klar, dass die Leute mit der Entspannung der Coronasituation wieder mehr in Restaurants gehen, reisen und ihre Freizeit geniessen. Dadurch geben sie auch wieder weniger Geld aus für Heimelektronik." Dennoch sei die Produktion neuer Geräte weitergelaufen, während der Handel aktuell auf sehr hoch gefüllten Lagern sitze. Möglicherweise werde der Handel nun versuchen, den Verkauf mit tiefen Preisen anzukurbeln. "Die neuen Geräte sind ja bereits für Ende Jahr angekündigt", so der Marktexperte.
Doch dabei könnte sich ein Konflikt mit einer weiteren Entwicklung ergeben: Die Inflation, angetrieben durch weitere Unterbrechungen von Lieferketten, Rekordsteigerungen bei den Energiepreisen und der Verknappung der Waren in vielen Bereichen, dürfte vielerorts die Preise weiter ansteigen lassen. Auch der Ukrainekrieg beinflusst die Märkte. GfK nennt hier massive Einflüsse auf die reguläre Versorgung der Märkte mit Getreide und zusätzlich auf den Automobilbereich, der in der EU insgesamt 6,5 Prozent der Arbeitskräfte umfasse.
Man bewege sich in einem enormen Spannungsfeld, fasste Sandra Wöhlert, Commercial Director von GfK Switzerland, zusammen. Das Marktforschungsunternehmen hält Prognosen darum für schwierig, rechnet aber für das laufende Jahr mit einem leichten Umsatzrückgang. Im Heimelektronikbereich betrage dieser etwa 3 Prozent. Dennoch dürfte der Umsatz über jenem des Vorpandemiejahres 2019 liegen.