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"HbbTV ist keine Zukunftslösung"

Uhr | Aktualisiert

Der TV-as-a-Service-Anbieter Netstream hat seine Weichen für 4k gestellt. Welche Probleme es aber bei 4k noch gibt und wie lange es zur Marktreife dauert, erklärt CEO Alexis Caceda.

Alexis Caceda, Mitgründer und CEO von Netstream. (Quelle: Netzmedien)
Alexis Caceda, Mitgründer und CEO von Netstream. (Quelle: Netzmedien)

Netstream hat 2004 das erste Schweizer ­Streaming-Portal für Echtzeit-Fernsehen lanciert. Was ist seither geschehen?

Alexis Caceda: Das war damals unsere erste Plattform, die wir gebaut haben. Das lief noch mit Windows Media, einer heute veralteten Technologie. Dann kam Flash dazu, wodurch sich unser Angebot für alle Browser öffnete. Heute sind wir bei der vierten Generation unseres TV-as-a-Service angekommen. Leider ist sie noch nicht auf unserem Web-TV-Angebot Nello ersichtlich. Aber bald wird es so weit sein, möglicherweise auch unter einer anderen Marke.

Gibt es schon einen Termin?

Nein, aber es wird sicher noch dieses Jahr sein. Nello war für uns immer auch ein Showcase, um unseren Kunden zu zeigen, was für Technologien möglich sind. Es wurde nie für die Masse entwickelt und ist auch nur als Bezahlfernsehen verfügbar. Trotzdem haben wir immer noch eine stolze Anzahl zahlende Nello-Kunden.

Wie viele sind das?

Knapp 5000 Kunden. Wir hatten zwar schon über 120 000, aber die 5000 sind immer noch eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, wie viele kostenlose Alternativen es gibt.

Für die Sie ja auch Dienstleistungen anbieten ...

Ja, wir haben uns seither stärker auf Kundenlösungen konzentriert, die wir mit unseren TV-as-a-Service-Diensten beliefern. Deshalb geriet Nello etwas in den Hintergrund. Vor einem Jahr machten wir uns daran, den Service komplett zu modernisieren. Wir werden Nello aber nicht bewerben, weil wir nicht mit unseren Kunden konkurrieren wollen.

Welche Services sind das, die Netstream Unternehmen anbietet?

Das sind End-to-End-Lösungen. Wir beliefern die komplette Plattform vom Signalbezug bis zur Set-top-Box. Ich nenne es das No-worry-Package.

Was können Sie noch nicht anbieten?

Wir können alles abdecken, vom Internet zu TV über Voice. Wir könnten selbst Mobile abdecken. Aber da gibt es schon drei grosse Anbieter und das Geschäft ist sehr viel komplizierter. Wir haben das schon ein paar Mal analysiert, aber weil es nicht unser eigenes Netz wäre, wäre das sehr schwierig. Deshalb bauen wir auf Partner.

Wieso kommen mit Wilmaa, Zattoo, Teleboy etc. so viele Web-TV-Anbieter aus der Schweiz? Ist das Netstreams Verdienst?

Nein, nicht zwingend. Es ist nun einmal so, dass es in der Schweiz sehr einfach ist, ein Web-TV anzubieten. Wir haben eine hervorragende Urheberrechtssituation. Und es braucht nur zwei PCs, es gibt einen definierten Tarif und definierte Kosten. Man muss sich nur noch beim Bakom melden und kann loslegen. Deshalb gibt es so viele Schweizer Anbieter, ausser den Live-TV-Anbietern auch noch zahlreiche kleine, die etwa explizit nur Sportevents ausstrahlen. Aber das ist erst die Basis. Kompliziert wird es, eine bestimmte Qualität für eine bestimmte Masse anzubieten.

Welche Bedeutung hat denn das "normale" Kabel-TV noch seit dem Einstieg von Netflix 2014?

Sicher immer noch eine berechtigte, weil Netflix ausser Eigenproduktionen vor allem alte Spielfilme und Serien zeigt. Was Netflix in jedem Land auslöste, in dem es einstieg, ist das Abo-Denken. Eigentlich hat in der Schweiz Video on Demand Tradition. Wir sind es gewohnt, für einen gewissen Betrag pro Film zu zahlen. Weil man bei Netflix eine Flatrate hat, sieht man dann auch Dinge, für die man sonst nichts bezahlen würde. Deshalb ist der Konsum bei Netflix um einiges höher.

Wann werden Ultra-HD-Streams Standard?

Bei Ultra-HD gibt es sicher eine schnellere Entwicklung als damals bei HD. Video on Demand in 4k-Qualität wird relativ schnell kommen. Ich glaube, in sechs Jahren wird es so weit sein, dass 4k Standard ist. Die Frage ist, ob als Stream oder als Download, für den man bei guter Qualität eine Stunde warten muss. Live-TV wird aber sicher noch länger dauern, allein schon wegen der Verfügbarkeit.

Glauben Sie wirklich, dass wir eine Stunde für einen Download warten müssen?

Ja. Welche Technologien man einsetzen wird, um die Leitungen zu schonen, ist noch offen und schwierig vorherzusagen. Es könnte auch mehr progressive Downloads geben, wie Youtube das macht, wo der Download während des Abspielens geschieht.

Wann kommt 4k im Live-TV?

Für die Fernsehstudios wie SRF, die erst gerade sehr viel in HD investierten, ist es noch zu früh. In den nächsten Jahren wird es erste Live-TV-Sender in 4k geben, die nicht nur Testsignale sind. HD wird dann aber immer noch die Regel sein. Ich finde HD auch nicht so schlecht. Wenn man sich aber erst einmal an 4k gewöhnt hat, will man nicht mehr weg davon. Aber erst in zehn Jahren werden die meisten Sender auf 4k umgestellt haben.

Aber die Fernseher können ja bereits 4k.

Naja, das ist wieder ähnlich wie bei HD, als es zuerst HD-Ready-TVs gab. Was es auf dem Markt gibt, ist noch nicht das Beste, aber die Fernseher können zumindest 4k an­zeigen. Momentan sind wirklich gute 4k-TVs leider noch relativ teuer. Die nächsten Fussball-Europa- und -Weltmeisterschaften werden wieder Wellen auslösen.

Ende des Jahres sollen die ersten 4k-Blu-Rays kommen. Wird das einen Schub geben?

Ja, aber nur einen geringen. Der Blu-Ray-Markt ist immer noch sehr limitiert.

Sie gründeten Netstream vor fast 20 Jahren, als "junge Wilde", weil es damals fast keine Möglichkeiten gab, schnell ins Internet zu gelangen. Heute überfordern ­Ultra-HD-Streams das Netz. Lässt sich die Situation vergleichen?

Sie ist ähnlich. Ultra-HD wird kommen, aber momentan verstopft es die Leitungen, weil es viel zu gross ist. Wir hätten kein Problem, das Signal mit 100 MB/s auszustrahlen. Das könnten dann halt nur sehr wenige schauen. Die Encoder werden aber jedes Jahr besser. Wir könnten heute schon auf 20 MB/s encodieren, aber es muss schon ein Unterschied zu HD erkennbar sein. Das HD-Signal ist maximal 10 MB/s. Es wird sich im Markt einpendeln, ob es 30 oder 80 MB bei 4k sein werden. Das neue G.fast-Protokoll wird die Bandbreite aber nochmals hinaufschrauben. Man meint immer, die Leitungen seien am Limit, aber jedes Jahr erscheint etwas Neues.

Ist Netstream bereit für 4k?

Ja, das Headend ist bereit, alles ist ready. Die Frage ist nur, in welcher Bandbreite wir es ausstrahlen. Die ersten Marktplayer wie Netflix, Swisscom und UPC Cablecom und auch wir werden den Standard festlegen. Wir müssen den Schwellenwert zwischen guter Qualität und tiefer Bandbreite finden. Manche Anbieter wollen schon dieses Jahr etwas bringen, aber nicht nur die Komponenten, sondern auch der Content muss in 4k sein. Das ist die Schwierigkeit.

Werden alle Grossen 4k bringen?

Ich meine ja.

Was ist Ihrer Ansicht nach der Vorteil von IP-TV?

Man ist flexibler, IP ist ein sehr bekanntes Protokoll, mit dem sich viel anstellen lässt. Man kann viel mehr messen als auf dem Kabel. Wir sind sozusagen medienneutral, können auf Fiber, auf DSL und theoretisch auch auf Kabel senden. Beim Kabelnetz braucht es hohe Investitionen, um die nötige Bandbreite zu bekommen. Man erkennt den Wandel auch daran, dass immer mehr Investitionen in Glasfaser getätigt werden, und Glasfaser ist am Ende IP. Das Kabelnetz skaliert nicht mehr für die kleinen Provider. Immer mehr wenden sich vom Kabel ab, weil der Unterhalt oder das Upgrade so teuer ist. Glasfaser hingegen ist zukunftssicher und hält im Idealfall über 20 Jahre. Aber das sagte man auch mal bei Kupfer.

Wer sind Ihre typischen Kunden?

Die Kabelnetzprovider. IP-TV ist ein klassisches Endkundenprodukt. Wir haben aber auch spezialisierte Wiederverkäufer, die etwa eine Nische mit Hotellösungen fanden. Auch hier eignet sich unser Produkt, da braucht es aber mehr Customizing als beim normalen Haushaltsgebrauch. Wir haben zudem auch Corporate-Kunden, die sehr viel Information auf grosser Fläche verteilen müssen, etwa Flughäfen. Manche unserer Kunden haben Grosses vor und wollen gegen Swisscom und Co. kämpfen.

Wie wird der Markt in Zukunft aussehen? Bleibt er so fragmentiert?

Das wird sich weiter konsolidieren. Man sieht es bei UPC oder Quickline, ihr Verbund wird immer grösser. Kleine Kabelnetze haben wenige Möglichkeiten. Entweder sie arbeiten mit uns zusammen oder sie nehmen den Kampf gegen die Grossen selber auf, dafür müssten sie aber viel investieren. Viele Kabelnetze haben aber schon immer alles selber gebaut, egal wie schwierig es war. Wir sehen, wie teilweise Millionen für Hardware ausgegeben werden, die etwa unserer 2. Generation entspricht. Viele sagen aber auch, es sei zu kompliziert, und verkaufen ihr Netzwerk. Da gibt es kein richtig oder falsch, es hängt davon ab, wie mutig sich das Kabelnetz engagieren will.

Netstream ist neu Mitglied bei Swisscable. Sie sagten, so könnten Sie die Rahmenbedingungen für den Ausbau des HbbTV-Angebots und die Entwicklung in Richtung All-IP gestalten. Wie weit sind wir da in der Schweiz?

Wir sind auf gutem Weg bei Glasfaser, das entspricht unserer All-IP-Strategie. HbbTV wiederum ist weniger verbreitet als wir uns das wünschen würden. Damit kann der Anbieter auf einem Infokanal ein Portal führen, etwa mit Programmführer, Replay, Wetterkanal, etc. HbbTV bringt modernere Innovationsstufen ins Kabelnetz, die es sonst nicht gäbe. Es könnten aber noch mehr Kabelnetze einsteigen. Maximal 10 bieten ein eigenes HbbTV. Die anderen sind in der Findungsphase oder in der Vorbereitung für IPTV und merken dann, wie aufwändig es ist und entscheiden sich für den Mittelweg mit HbbTV. HbbTV ist keine Zukunftslösung, zumindest nicht in der Art, in der wir es positionieren.

Welche Möglichkeiten bieten sich Ihnen als Swisscable-Mitglied mit rund 25›000 Kunden im Vergleich zu UPC Cablecom & Co.?

Wir sind ein reines Fördermitglied, um Swisscable zu unterstützen, indem wir Lösungen für Kabelnetzanbieter in Sachen IPTV aufzeigen. Als Mitglied bräuchten wir ein eigenes Kabelnetz.

Sie sind Trikotsponsor des FC Zürich und sagten mal in einem Interview, Sie interessieren sich für die Formel 1. Wie sehen Sie zuhause fern?

Ich sehe hauptsächlich auf Mobilgeräten fern, auf dem iPad oder iPhone. Seit meine Kinder auf der Welt sind, nutze ich das iPad zum privaten Gebrauch. Immer dann, wenn ich bei der Lautstärke aufpassen muss, weil die Kinder schlafen. Das iPad hat die perfekte Grösse für privaten Content. Klar ist ein Fussball-Match schöner auf dem grossen Fernseher oder live besser, aber für mich ist das Tablet ideal.

Wenn Sie doch mal einen Fernseher kaufen, was fällt Ihnen auf?

Ich achte darauf, dass der Fernseher leicht ist. Ausserdem müsste ich mich wohl lange überzeugen lassen, ob so ein gekurvtes Design wirklich hilft. Ehrlich gesagt, habe ich schon lange keinen Fernseher mehr gekauft.

Wie sehen wir in naher Zukunft fern?

Ich denke, es wird überall Bildschirm-Anzeigen mit dynamischen Informationen geben, ob an der Uhr oder im Auto. Ob es mehr sein wird als nur News hängt dann von der Technik ab. In Zukunft wird das lineare Fernsehen weiter zurückgehen, aber viele zappen halt immer noch gern. Die grossen Shows und Sportereignisse schaut man fast ausschliesslich live.

Wie kann der Handel mit Netstream zusammenarbeiten?

Da haben wir wenige Berührungspunkte. Wir verkaufen hauptsächlich an Provider. Der Handel kann diese Lösungen vom Provider verkaufen oder vermitteln. Aber wir haben natürlich unabhängig von TV Lösungen im Telefoniebereich, wo er gut mit uns zusammenarbeiten kann. Der Handel muss sich nur bewusst sein, was genau er anbieten will.

Persönlich

Alexis Caceda ist Gründer und CEO von Netstream. Der Autodidakt in Sachen ICT widmet sich in seiner Freizeit seiner Familie und bastelt an neuen Lösungen. Als FCZ-Fan verfolgt er nicht nur intensiv die Spiele des Zürcher Klubs, sondern auch die der Schweizer Fussballnationalmannschaft.

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