Gebäudetechnik-Kongress im KKL Luzern

Haustechnik erwacht aus Dornröschenschlaf

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Am 4. Oktober hat der dritte Gebäudetechnik-Kongress im KKL Luzern stattgefunden. Die Referenten informierten darüber, wie sie mit den aktuellen Herausforderungen wie Dekarbonisierung und Energieeffizienz umgehen wollen und warum die Digitalisierung dabei die wesentliche Triebfeder für positive Veränderungen sein kann.

Moderator Reto Lipp im Talk mit Jens Vollmar, Peter Richner, Reto Ringger und Damian Müller. (v.l.) (Source: Netzmedien)
Moderator Reto Lipp im Talk mit Jens Vollmar, Peter Richner, Reto Ringger und Damian Müller. (v.l.) (Source: Netzmedien)

Unter dem Leitthema "Wandel & Challenge" hat im KKL in Luzern zum dritten Mal der Gebäudetechnik-Kongress stattgefunden. Adrian Altenburger, Vizepräsident SIA, begrüsste Besucher aus der Branche und auch aus Politik und Wissenschaft.

Die Gebäudetechnik verfolge im allgegenwärtigen Wandel drei Stossrichtungen, die entscheidend für die Branche seien und bei denen die Gebäudetechnik ihren Beitrag leisten könne. Diese seien: Dekarbonisierung, Digitalisierung und die Situierung der Energieversorgungssysteme in Bezug auf die tendenziöse Dezentralisierung der künftigen Energieversorgung. Die Politik entscheide und verspreche gegenüber der Gesellschaft einiges, sagte Altenburger, aber handeln und umsetzen müsse es die Industrie. Das Ziel des Kongresses sei es, klare Perspektiven zu diesem Wandel zu generieren. Als Moderator des Events fungierte Wirtschaftsjournalist Reto Lipp.

Dekarbonisierung in den Fokus nehmen

Dekarbonisierung bezeichnet die Abkehr der Energiewirtschaft von der Nutzung von kohlestoffhaltigen Energieträgern, sagte Damian Müller, Luzerner Ständerat (FDP). Hier seien gute Ideen gefragt. Gerade in der Gebäudetechnik läge besonders viel Potenzial brach. Alle Gebäude in der Schweiz seien für 45 Prozent des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich, so Müller. Und leider würden in gewissen Regionen der Schweiz 90 Prozent der fossilen Heizungen mit fossilen Heizungen ersetzt. "Das müssen wir ändern!", sagte Müller. "Indem wir den Fokus auf neue Technologien legen und Vertrauen in diese Technologien, wie auch den Fortschritt schaffen. Und wenn wir das Klima schützen wollen, dann muss die Dekarbonisierung weltweit in den Fokus der Energiepolitik rücken. Heute wollen wir darüber diskutieren, wie es uns gelingen kann, dass wir das auch gemeinsam schaffen."

China ist für Energieeffizienz ein Innovationsstandort geworden

China sah man bisher weniger als Innovationsstandort, sagte Reto Lipp. "Das hat sich jetzt aufs massivste geändert. In der Zwischenzeit schauen wir nach China, wenn es darum geht, neue Technologien zu entwickeln, aber auch schnell umzusetzen." Somit bat Lipp Shicong Zhang auf die Bühne, stellvertretender Direktor der China Academy of Building Research (CABR) und Generalsekretär des "Zero Energy Building Committee of Architecture Society of China". Zhang zeigte in seinem Referat, wie China in den letzten 40 Jahren einen enormen Bevölkerungszuwachs und damit einen steigenden Energiebedarf bewältigen musste. Als eine Lösung nannte er Gebäude, die beinahe keine Energie verbrauchten. Das erste Forschungsprogramm in China, das sich mit solchen energieeffizienten Gebäuden beschäftigte, startete laut Zhang 1981 und umfasste fünf Institute und 20 Experten. Anhand dieser Forschungen sei 2016 das erste Mal ein nationaler Standard für Nearly Zero Energy Buildings in China etabliert worden. Seitdem wirbt China mit diesen Forschungserkenntnissen und setzt sie unter anderem im Rahmen des Apec-Zero-Energy-Building-Programms in internationalen Kooperationen ein.

Shicong Zhang, stellvertretender Direktor der China Academy of Building Research (CABR) und Generalsekretär der "Zero Energy Building Committee of Architecture Society of China", zeigte, wie China die wachsenden Energieanforderungen der letzten 40 Jahre bewältigt hat. (Source: Netzmedien)

Geschäftsmodelle müssen fundamental umgedacht werden

Reto, Ringger, Gründer und CEO Globalance Bank, zeigte alleine an dem Beispiel der autonomen Fahrzeuge auf, was die digitale Transformation für weitreichende Konsequenzen für eine ganze Reihe von heutigen Geschäftsmodellen hätte. Setzen sich autonome Fahrzeuge durch, habe das Folgen – nicht nur für die Autoindustrie. "Autonome Fahrzeuge halten sich an die Vorschriften", sagte Ringger. Alleine dieser Umstand ziehe eine ganze Verkettung von Ereignissen mit sich. "Das heisst, es gibt massiv weniger Unfälle. Wir haben heute weltweit 1,3 Millionen Verkehrstote – jedes Jahr. Das heisst, wenn sich diese Fahrzeuge durchsetzen, werden wir auch weniger Todesfälle haben – und wir werden durch das weniger Organspenden haben. In der Schweiz kommen 80 Prozent der Organspenden aus Verkehrsunfällen. Das heisst, wenn sich autonome Fahrzeuge durchsetzen, wird dieser Markt der Organe ganz massiv beeinträchtigt werden."

Er zeigte in einem Mind-Map die weiteren Folgen für die Märkte auf. Die Unfälle würden abnehmen, dadurch verringerten sich die Unfallrisiken und damit die Versicherungsprämien. Dadurch, dass keine Verkehrsregeln gebrochen würden, verliere der Staat beträchtlich an Einnahmen. Man könne im Auto schlafen, was die Nachfrage von koffeinhaltigen Getränken vermindern würde. Das Besitztum gehe zurück, weil man die automatisierten Fahrzeuge teilen könne - weniger Autokäufe, weniger Produktion, Autoaktien fielen und Autoreparaturen gingen ebenfalls stark zurück.

Laut Ringger lässt sich das gleiche Beispiel auf die kommenden 3-D-Drucker oder künstliche Intelligenzen anwenden und die Konsequenzen wären ebenso weittragend. Und dies stehe im Zusammenspiel mit dem enorm ineffizienten Umgang mit unserem Planeten. "Wir müssen fundamental umdenken."

Das Mind-Map von Reto Ringger, Gründer und CEO von Globalance Bank, zeigt, welche Kettenreaktion die Einführung von autonomen Fahrzeugen auslösen würde. (Source: Netzmedien)

Digitale Zwillinge vereinfachen den energieeffizienten und klimaneutralen Neubau

Peter Richner, stellvertretender Direktor Empa, schätzt die bisherigen Herausforderungen, die Endenergie für Wärme in Privathaushalten zu reduzieren, als bewältigt ein. Man schätze, dass es in 80 Prozent aller Fälle bis 2023 nicht mehr möglich sei, fossile Heizungen durch ein gleiches System zu ersetzen.

"Der Gebäudesektor ist mit einem gewissen zeitlichen Rückstand auf Kurs", sagte Richner. "Damit das aber auch so bleibt, müssen wir konsequent den Wärmebedarf dekarbonisieren. Wir brauchen aber auch Effizienzmassnahmen zur Bedarfsreduktion. Weil wir vor allem in der Übergangsphase in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren schauen müssen, wo wir den Strom herkriegen." Wichtig sei, dass kreislaufgerechte Neubauten ab der Inbetriebnahme oder spätestens nach der ersten Sanierung klimaneutral betrieben würden. "Dann werden wir komfortable Gebäude haben, von hoher Qualität, die CO2-frei betrieben werden, die in geschlossenen Kreisläufen angelegt sind, die sich intelligent verhalten, mit einem digitalen Zwilling, der dahintersteht und das ganze wesentlich vereinfacht."

Die Fischerei ist mehr digitalisiert als die Bauindustrie

Jens Vollmar, Head Division Buildings, Country President Switzerland von Implenia, schätzt die Brache hingegen als enorm inneffizient und zu wenig digitalisiert ein. "Ich glaube, sogar die Fischerei ist mehr digitalisiert als die Bauindustrie." Daher investiere Implenia grosse Ressourcen in die Digitalisierung und Industrialisierung. Der Effekt laut Vollmar: 20 Prozent weniger Bauzeit, 10 Prozent mehr Deckungsbeitrag und ungefähr 30 Prozent weniger Fahrten. "Unglaublich, was rauszuholen ist nur mit einer Anpassung der Prozesse."

Jens Vollmar, Head Division Buildings, Country President Switzerland von Implenia, zeigte, wie viel mit einer digitalen Anpassung der Prozesse rauszuholen ist. (Source: Netzmedien)

Auch in der digitalen Welt entstehen Silos

Barbara Frei, Executive Vice President bei Schneider Electric Europe Operations, wies darauf hin, dass sich bereits heute in der digitalen Welt Silos bilden. "Meine Kollegen in China arbeiten mit komplett anderen digitalen Umgebungen mit ihren Kunden, als wir in Europa. Und in Russland haben wir jetzt viele Diskussionen mit lokalen Cloud-Providern, damit wir unsere Advices auf einer russischen Cloud betreiben können, weil Clouds von Azure und Amazon einfach nicht akzeptiert sind. Es entstehen selbst in der digitalen Welt, die uns näher gebracht hat, wieder ganz grosse Silos."

Frei zeigte ebenfalls, wie Gebäude und die Gebäudetechnik bei der Energieeffizienz im Vergleich zur Industrie und Infrastruktur hinterherhinke. "Wenn wir diese Möglichkeiten nutzen wollen, um zu verhindern, dass wir noch mehr Kraftwerke brauchen und auf die Emissionen von Kohlestoff verzichten können, dann brauchen wir aus unserer Sicht auch mehr Software."

Sie zeigte in diesem Zusammenhang, wie Schneider Electric in Finnland eine Liddl-Filiale komplett digitalisiert hat und damit die Energieeffizienz und den ökologischen Fussabdruck wesentlich verbesserte.

Die Digitalisierung als Triebfeder für ein klimafreundliches und energieeffizientes Bauwesen

Auch Jürg Herzog, Country Head von Siemens Schweiz, sagt, dass die Schweiz in einigen Angelegenheiten zurückbleibe. Er listete diverse Punkte auf, die die Gebäudetechnik anstreben sollte, um zur Dekarbonisierung und Energieeffizienz beizutragen. Dabei helfen Daten durch die Digitalisierung, sagte Herzog. Sei es in der Betriebsoptimierung, bei der Daten über das Gebäude gesammelt würden, oder mit einer Outcome-basierten Modernisierung einer Gebäudetechnikanlage. Dort könnten gesammelte Daten dem Kunden belegen, dass Vorgaben eingehalten werden.

Es würden bereits Flächensensoren eingesetzt, die die Nutzung der einzelnen Flächen messen würden - also wie oft eine Fläche genutzt werde. Und es sei erschreckend, herauszufinden, dass ein Gebäude, das für 300 Menschen konzipiert sei, nach kurzem nur noch von 120 genutzt werde.

Jürg Herzog, Country Head von Siemens Schweiz, zeigt auf, wie Daten erschreckende Erkenntnisse über Gebäudenutzung liefern können. (Source: Netzmedien)

Daten gewinnbringend einsetzen

"Nur etwa zwei Prozent der produzierten Daten werden auch ausgewertet", sagte Christian Tschumper, Small, Medium and Corporate (SMC) Lead bei Microsoft. "Und damit verpassen wir sehr viele Chancen im Markt, um eben diese Daten gewinnbringend einzusetzen." Wenn das Potenzial zur Datensammlung und Verwertung in der Gebäudetechnik mehr angewendet würde, profitierten davon die Branche und die Kunden.

Auch Mathias Prüssing, CEO BKW Buildings Solutions, betonte dass die Lösungen der Anforderungen der Zukunft in der Digitalisierung lägen. Planer und Installateure würden in Zukunft eine andere Rolle einnehmen und enger miteinander arbeiten. "Die Gebäudeinformatik rückt immer mehr ins Zentrum unseres Tuns und unseres Handelns", sagte Prüssig. "Digitalisierung ist der Treiber und Enabler für die Veränderung und die Entwicklung in der Baubranche."

Über das "Internet of Insecure Things" am Gebäudetechnik-Kongress letztes Jahres können Sie hier lesen.

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