Interview

Herbert Muff: "Unsere Ziele lassen sich nicht in Franken und Rappen ausdrücken"

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Der amerikanische Mikrofon-Spezialist Shure ist seit Juni 2018 mit einer eigenen Niederlassung in der Schweiz vertreten. Das Schweizer Shure-Team will bei seinen Handelspartnern mit selektivem Vertrieb und verlässlichem Pricing punkten. Shure-Schweiz-Chef Herbert Muff erklärt, wo er mit dem Unternehmen steht und wohin die Reise geht.

Herbert Muff, Schweiz-Chef, Shure (Source: Netzmedien)
Herbert Muff, Schweiz-Chef, Shure (Source: Netzmedien)

Warum hat Shure eine eigene Niederlassung in der Schweiz gegründet?

Herbert Muff: Wir haben im vergangenen Sommer die Marken-Niederlassung von Shure in der Schweiz gegründet, weil wir unser Vertriebsmodell auf selektiven Vertrieb umstellen wollten. So fingen wir im Juni 2018 an, die für uns passenden Händler zu finden, zu segmentieren und zu bewerten. Stand heute haben wir bereits über 160 Vertragspartner für das neue Vertriebsmodell gewinnen können.

Wie segmentieren Sie den Markt?

Wir segmentieren unseren Markt in die Bereiche Retail/Consumer-, Pro-Audio- und System-Markt. Die Vertragshändler gehen mit uns eine Verbindung ein und verpflichten sich, den Markt mit uns gemeinsam zu bearbeiten. So werden Einkaufserlebnisse mit entsprechender Sortimentsstruktur und qualifizierter Beratung realisiert und unsere Partner bekommen durch Schulungen und Zertifizierungen Zugang zu exklusiven Produkten in den Bereichen Pro Audio und Systems. Darüber hinaus lancieren wir neue Produkte: etwa im Bereich Retail/Consumer das für den Anschluss an ein Smartphone und für Blogger und Vlogger geeignete Mikrofon MV88+ Video Kit aus der MOTIV-Serie. Oder auch das Decken-Array-Mikrofon MXA910 für Konferenzräume, das für den Systemmarkt entwickelt wurde und für dessen Installation vertieftes Profi-Know-how benötigt wird. Durch unsere Zertifizierungen können wir sicherstellen, dass Installationspartner über dieses Fachwissen verfügen. Wir werden mittelfristig auch den Pro-Audio-Markt mit seinen Vermietungsfirmen weiterentwickeln.

Welche Kriterien müssen Shure-Partner erfüllen, wenn sie eine Vertragspartnerschaft eingehen möchten?

Das ist in den Marktsegmenten unterschiedlich. Wir betrachten etwa auch die Standorte bei der Auswahl geeigneter Shure-Vertriebspartner. Dabei unterzeichnen wir Verträge mit unseren Händlern mit formulierten Zielen, die sich nicht einfach in Franken und Rappen ausdrücken lassen. Das soll auch der fragmentierten Handelslandschaft in der Schweiz Rechnung tragen. Ein Fachhändler in der Stadt Zürich ist nicht mit einem Händler in Burgdorf oder in St. Moritz vergleichbar. Eine regionale Abdeckung am POS ist uns wichtig, damit ein Kunde in vertretbarer Reichweite ein Shure-Produkt anschauen und testen kann. Wir stehen zudem noch ganz am Anfang unserer eigenständigen Tätigkeit in der Schweiz und haben deshalb noch keine Vergleichswerte, um etwa einen konkreten Mindestumsatz mit einem Händler oder einem Systemintegrator zu vereinbaren. Aber es ist klar, dass wir zu gegebener Zeit gewisse Eintrittsschwellen einführen möchten.

Wie wurde die neue "Vertragspflicht" vom Handel ­aufgenommen?

Gerade die Händler im Marktsegment Retail waren und sind noch skeptisch, was unser Versprechen des selektiven Vertriebs angeht. Wir müssen beweisen, dass wir das ernst meinen. Unser Vorteil ist, dass wir auf bestehende Partnerprogramme zurückgreifen können, die zum Beispiel in Deutschland und Grossbritannien bestens erprobt sind. Die dortigen Organisationen haben bewiesen, dass unser Vertriebsmodell funktioniert und dass unsere Märkte, in denen wir selbst präsent sind, sehr nachhaltig und stabil bewirtschaftet werden.

Wie ist der Geschäftsverlauf seit Gründung der Schweizer Shure-Niederlassung?

Wir sind mehr als zufrieden. Gerade im Pro- und System-Segment wurden unsere Bestrebungen bereits sehr gut aufgenommen.

Wie sieht heute der Markt für Mikrofone in der Schweiz konkret aus? Wie umkämpft ist er?

Das Bild in Gesamteuropa ist mit demjenigen in der Schweiz in etwa vergleichbar. Der Markt teilt sich unter sehr wenigen Herstellern auf, bei denen wir insbesondere im Projektgeschäft zu den Top-Playern gehören.

Welche technologische und wirtschaftliche Entwicklung ist heute im Markt für Mikrofone überhaupt noch möglich?

Grundsätzlich funktioniert ein Mikrofon, wie wir es heute kennen, immer noch wie vor 50 Jahren. Die Kapseltechnologie kann man nicht neu erfinden. Aber es gibt stetige Verbesserungen und Verfeinerungen. Ich sehe aber dennoch grosses Potenzial für den Mikrofon-Markt. Gerade heute im Zeitalter von Apps und Sprachsteuerung braucht es überall immer mehr und immer präzisere Mikrofone, die etwa auch unerwünschte Nebengeräusche ausblenden können. Mikrofone werden zukünftig somit nicht an Stellenwert verlieren, sondern eher gewinnen. Und bedenken Sie den Ton bei Videokonferenzen: Er macht 80 Prozent des Erlebnisses aus. Wir hatten schon Fälle, in denen wir zu bestehenden Videokonferenzsystemen Mikrofone nachrüsten mussten, weil die eingebauten keine brauchbare Tonqualität lieferten. Und obwohl bei der Videokonferenz die Bildübertragung im Vordergrund steht, entscheidet vor allem der Ton darüber, ob die Beteiligten eine solche Konferenz positiv oder negativ erleben.

Wie unterstützen Sie Ihre Handelspartner innerhalb des ­selektiven Vertriebskonzepts?

Wir schulen und zertifizieren unsere Partner je nach Marktsegment für unsere Produkte entweder hier bei uns in Schlieren oder bei unseren Partnern vor Ort. Und dies sowohl in Deutsch als auch in Französisch. Wir fordern somit nicht nur den selektiven Vertrieb von unseren Handelspartnern ein, sondern investieren auch in deren Aus- und Weiterbildung, damit sie durch ihr Know-how als kompetente Partner am Markt auftreten können.

Was können Ihre Partner konkret von Shure in den einzelnen Marksegmenten Consumer/Retail, Pro Audio und Systems in naher Zukunft erwarten?

Wir haben ambitiöse Wachstumsziele und können auf dem Schwung seit unserem Marktstart in der Schweiz aufbauen. Shure investiert konsequent in Forschung und Entwicklung neuer Produkte in all unseren Marktsegmenten. Der Qualität unserer Produkte gilt hierbei ganz besonders unser Augenmerk. Wir werden auch zukünftig sehr hochwertige Produkte auf den Markt bringen. Die ideale Voraussetzung, um mit unseren Partnern in allen Bereichen das Beste geben zu können.

Was ist Ihre Botschaft an den Channel?

Wir alle, die wir hier für Shure in der Schweiz stehen, sind grosse Fans der Marke Shure. Dieses Feuer möchten wir auch in unseren Handelspartnern entfachen. Wir sind hier zwar nur zu sechst, haben zusammen aber weit über 100 Jahre Shure-Erfahrung. Bereits mein Vater hat im damaligen Shure-Vertrieb Telion gearbeitet. Eines meiner prägendsten Kindheitserlebnisse war das vergoldete Shure-Mikrofon am Stand der Fera an der Unterhaltungselektronikmesse in Zürich-Oerlikon in einer Vitrine zu sehen. Seit diesem Moment begeistert und begleitet mich diese Marke.

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