Interview mit Sandy Oppliger, CEO von Bauknecht Schweiz

Warum Bauknecht nicht mehr an grossen Messen zu sehen ist

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Sandy Oppliger hat im Juli 2018 die Geschäftsleitung bei Bauknecht in der Schweiz übernommen. Das Unternehmen wird bald 100 Jahre alt und zählt nun Indesit und Whirlpool zu seinen Brands. Die CEO erklärt im Interview, was die Zukunft für Bauknecht bereithält.

Sandy Oppliger, CEO, Bauknecht (Source: Bauknecht)
Sandy Oppliger, CEO, Bauknecht (Source: Bauknecht)

Wie haben Sie Ihre ersten 100 Tage als Bauknecht-Schweiz-CEO erlebt?

Sandy Oppliger: Ich erfuhr erst eine Woche vor dem Abgang von Stephan Gieseck, dass ich seine Nachfolgerin werde. Ich wurde quasi über Nacht zum CEO. Aber es war eine spannende Zeit. Ich wollte schon im Januar einiges in Lenzburg bewegen, als ich als Head of Sales zu Bauknecht kam. Damals legte ich aber noch den Fokus auf den Verkauf. Als CEO kann ich dem Konzern nun darlegen, was ich verändern will und bekomme die nötige Rückendeckung dafür.

Was haben Sie verändert?

Wir haben schon einiges aufgegleist, was ich als Head of Sales verändert habe. Das merken wir jetzt an den Zahlen. Ich hatte während meiner ersten 90 Tage als Head of Sales über 100 Kunden besucht. Als CEO knüpfte ich daran an und weitete den Fokus auf die ganze Breite aus und besuche auch unsere Mitarbeiter. Wir sind nun mitten im Change Management und in der Analysephase. Wir werden die Organisation neu ausrichten, haben die Geschäftsleitung von sechs auf fünf Mitglieder reduziert. Drei davon sollen Frauen sein, ich war im Januar die erste Frau.

Wann ist das Change Management vollendet?

Das kann ich nicht genau beantworten, aber mein Ziel für den Haupt-Change ist ein Jahr.

Was ist der Haupt-Change?

Customer first. Der Kunde soll im Mittelpunkt stehen und nicht unsere Prozesse oder der Konzern. Wir müssen den Kunden begeistern. Wir sind eine super Firma mit hoher Qualität und achten auf Nachhaltigkeit. Für den Brand Bauknecht ist die Bekanntheit gegeben, aber wir müssen an unserem Image arbeiten. Das müssen wir wieder in die Köpfe aller Mitarbeiter bringen, vom Techniker bis zur Putzfrau, damit es der Kunde bei jedem Kontakt spürt. Darum dauert es auch ein Jahr. Ich weiss nicht, wieso das irgendwann nicht mehr der Fall war, ich schaue nicht gern zurück.

Wie wollen Sie Ihre Kunden begeistern?

Das kommt auf den Kontakt an. Bei Reklamationen müssen wir dem Kunden zuhören und sofort nach einer Lösung suchen. Wenn wir einen Kunden verlieren, müssen wir die Prozesse verändern, damit so etwas nicht mehr passiert. Damit wird die Reklamation zur Chance. Das gilt auch für den Verkauf.

Brauchen Sie dafür mehr Personal?

Nein, wir sind sehr gut aufgestellt und brauchen nicht mehr, aber auch nicht weniger Mitarbeiter. Es geht vor allem um komplizierte Prozesse, die nicht verknüpft sind. Es ist mühsam, wenn der Kunde mehrmals etwas erzählen muss, weil unterschiedliche Abteilungen nicht optimal verknüpft sind. Das will ich aufbrechen. Wir können viel Synergien mit dem Konzern nutzen, sei es bei der Soft- oder Hardware. Damit hätten wir wieder mehr Zeit für den Kunden.

Wie wollen Sie Bauknecht Schweiz ausrichten?

Wir haben das Objekt-, das Retail- und Online-Business, das wir zusammenzählen, sowie die Händler, die jeweils etwa ein Drittel ausmachen. Dafür brauchen wir die richtige Strategie, weil sich einzelne Kanäle schon heute zu stark kannibalisieren. Deshalb kommen wir mit einer neuen Segmentstrategie. Indesit wird im Retail und Onlinegeschäft angesiedelt werden, Bauknecht im Fachhandel und Objektgeschäft. Es kann aber auch sein, dass wir Bauknecht in verschiedene Segmente aufteilen. Ausserdem werden wir nächstes Jahr mit Kitchen-Aid-Einbauküchen im Premiumbereich starten. Damit decken wir alle Segmente ab.

Welche Bedeutung haben die einzelnen Marken für Bauknecht Schweiz?

Whirlpool ist der weltweit grösste Hersteller im Weisswarenbereich. In der Schweiz hat die Marke Whirlpool vielleicht keine so grosse Bedeutung wie anderswo in Europa. Der Brand Bauknecht existiert 2019 seit 100 Jahren in Europa und hat daher einen hohen Bekanntheitsgrad. Ursprünglich war Bauknecht in Deutschland ein Hersteller für Haushaltsgeräte. Seit 1991 gehört Bauknecht zum amerikanischen Konzern Whirlpool. Indesit ist unsere neueste Errungenschaft. Mit Kitchen Aid wollen wir ab 2019 im Premium-Bereich Fuss fassen. Mit diesen Brands können wir die ganze Marktsituation abdecken.

Wie nehmen Sie den Handel wahr?

Obwohl es ein Fachhandelssterben in der Weisswarenbranche gibt, wird ein grosser Teil bleiben. Und zwar diejenigen, die sich neu ausrichten und sich etwa mit den IT-Fachhändlern abgleichen. Einige müssen noch lernen, ihren Fokus auf Dienstleistungen zu legen. Wir haben das Privileg, dass der Kunde in der Schweiz bereit ist, bis zu 30 Prozent mehr zu bezahlen, wenn die Qualität und vor allem die Dienstleistung stimmt. Bei Einbaugeräten wird es immer Dienstleister brauchen. Im Gegensatz dazu gibt es kleinere Fachhändler, die nur freistehende Geräte ohne Service verkaufen. Diese können heute fast nicht mehr mit den Preisen der Onlinehändler konkurrieren.

Warum gibt es die hohen Preisunterschiede bei Haushaltsgeräten?

Das ist ein branchenspezifisches Problem, weil wir über zu viele diverse Kanäle verkaufen müssen. Einerseits verkaufen wir in die Baubranche und dann auch über den Fachhandel, Retailer und Onliner. Wir suchen daher nach Lösungen, damit alle zumindest im Kern dasselbe anbieten können. Darum planen wir auch die neue Segmentausrichtung. Der Fachhandel kann etwa dem Kunden erklären, warum eine gewisse Maschine teurer ist und was sie besser macht als eine andere – das kann der Onliner nicht so detailliert und kundennah.

Welchen Support bietet Bauknecht, damit der Handel die Vorteile erklären kann?

Wir bieten Schulungen, Tagungen und Ausbildungen an und sind wohl der Haushaltsgeräte-Brand mit dem grössten Service in der Schweiz mit zirka 80 Mitarbeitern. Vom Innendienst über Sales-Support bis zum Techniker bieten wir alles, was zum Service gehört. Ausserdem haben wir Mitarbeiter, die den Handel am POS unterstützen.

Welche Entwicklung erwarten Sie im Onlinehandel?

Es wird sicher viel mehr werden in unserer Branche, als man denkt. Die Onliner schlafen nicht und werden in Zukunft auch Einbau anbieten. Wenn man nach China blickt und sieht, was dort online abgeht, ist klar, dass es verzögert auch in der Schweiz dazu kommen wird. Wenn man Objektgeschäfte erst einmal über die IT in einer App abwickeln kann, wird das grosse Veränderungen etwa bei der Preisstrategie geben. Dafür braucht es in unserer Branche aber noch Zeit.

Wie verlief die Umstellung von Bauknecht auf die europäische Produktion?

Ich bin erst seit Januar 2018 bei Bauknecht. Aber natürlich habe ich von Kunden gehört, dass wir die letzten zwei Jahre Lieferengpässe und Probleme mit der Qualität hatten. Zum Glück haben wir das per heute praktisch alles gelöst. Heute produzieren wir in Europa, hauptsächlich in Italien, für Europa. 2020 werden wir der erste Haushaltsgerätehersteller sein, der alles recyclebar anbietet, selbst die Verpackung. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. Leider sind solche Fakten bei unseren Kunden zu wenig bekannt. Das müssen wir ändern.

Ist eine Kampagne geplant?

Nein, eine Werbekampagne werden wir nicht machen. Wir feiern zwar nächstes Jahr 100 Jahre Bauknecht und wollen Image-Themen aufnehmen, aber nicht mit Fernsehwerbung und Plakatierung. Wir machen wieder eine Roadshow. Das haben wir dieses Jahr das erste Mal gemacht. Wir gingen dafür in neun Schweizer Städte, wo wir unsere Geräte Händlern und Kunden zeigten.

Warum ist Bauknecht nicht mehr an Messen zu sehen?

Der Kunde informiert sich heute anders. Ausserdem sehen uns an Messen vielleicht 1000 Kunden, aber welcher von ihnen weiss am Ende des Tages noch, wo er welches Gerät sah? Deshalb haben wir uns dazu entschieden, mit den grossen Messen aufzuhören. Wir sind damit vielleicht die Ersten, aber ich komme aus der IT-Branche. Die hat diesen Wandel bereits durchgemacht. Mit der Roadshow gehen wir in die Stadt, wo der Kunde ist. Für uns war es ein grosser Erfolg in diesem Jahr. Daran knüpfen wir an.

Was ist zum 100. Geburtstag von Bauknecht geplant?

Dafür sind wir mitten in den Planungen. Aber das Budget wird wohl nicht riesig sein. Wir investieren jedes Jahr eine Milliarde in Forschung und Entwicklung, davon zwei Drittel in Europa. Das ist unser Hauptfokus.

Was entwickelt Bauknecht Neues?

Wir sind sehr innovativ, kommen etwa mit einem Dampfabzug auf den Markt, der mit Waschmaschine und Tumbler kommuniziert. Damit weiss ich beim Kochen, wann die Wäsche fertig ist. Wir bieten ab nächstem Jahr aber auch Backöfen mit integrierten Rezepturen, mit denen jedermann kochen und backen kann. Ab 2020 bieten wir Mikrowellen und Backöfen für mehrere Speisen, bei denen Sensoren die Faserung der Speisen abtasten und separat kochen. In drei Jahren erwarte ich unsere vernetzte Herdplatte Cookpit, sozusagen ein "Tablet" als Kochplatte. Es spielt Videos und Musik ab, erinnert an Termine und zeigt Nachrichten, Rezepte und mehr an.

Wie vernetzt sind Bauknecht-Produkte heute?

Wir bieten mit "BLive" eine App für die Bedienung unserer Waschtürme an. Ausserdem zeigt sie Statusinformationen, die etwa über nötige Filterwechsel und den Energieverbrauch informieren. Ab nächstem Jahr ist die Bedienung des Backofens auch per Smartphone möglich.

Wie viel Schweiz steckt in den Produkten von Bauknecht Schweiz?

Swissness haben wir in diesem Sinne nicht. Wir halten uns aber natürlich an alle Schweizer Vorgaben. Wir haben 200 Arbeitsplätze in der Schweiz. Und wir haben für 55 Zentimeter breite SMS-Geräte eine strategische Partnerschaft mit einem Schweizer Produzenten, für den auch wir im Gegenzug produzieren.

Können Sie Wünsche von Schweizer Partnern in die Entwicklung einbringen?

Ja, wenn ein Grosskunde kommt, der mehrere 100 Geräte im Jahr abnimmt, berücksichtigen wir bestimmte Wünsche. Wir können nicht zaubern, aber wenn es eine andere Farbe oder Blende sein soll, ist das als Bauknecht-Version möglich.

Wie verläuft das Geschäftsjahr von Bauknecht Schweiz?

Sehr erfreulich. Wir kommen aus schwierigen Zeiten, das erste Halbjahr sah nicht so gut aus, weil die Baubranche abflaute. Aber wir setzten strenge Massnahmen an, machten neue Promotionen, richteten uns in Verkauf und Organisation um, kommunizieren mehr miteinander und ernten nun die Früchte. Seit Juli erleben wir einen Hitmonat nach dem anderen. Wir hoffen, dass wir auf diesem Niveau bleiben, aber fürs vierte Quartal habe ich sowieso keine Bedenken, weil wir einige Planungen im Objektgeschäft haben. Wir sind auf dem richtigen Weg zurück zum Erfolg.

Welche Entwicklung erwarten Sie für Bauknecht im Markt für Neubauten und Renovationen?

Die Neubau-Branche stagniert. Der Trend geht Richtung Bürobauten, auch wenn wir das aus der Küchenbau-Branche nicht gerne hören. Dennoch hat der Neubau seine Berechtigung, aber es braucht Anpassungen in den Preissegmenten, sprich, es braucht mehr günstigere und kleinere Wohnungen. Renovierung ist in der Schweiz immer ein Thema. Zum Beispiel haben wir sehr viele Mietwohnungen und Gebäude unter Denkmalschutz. Ein Trend bei Mietern ist auch, dass Küchen und Terrassen zum Statussymbol werden. Auf das Austauschgeschäft lege ich deshalb einen grossen Fokus.

Welche Bedeutung haben Ambassadors wie Jamie Oliver für Bauknecht?

Jamie Oliver ist eine ideale Ergänzung für uns. Er zeigt, dass Kochen einfach sein kann und setzt sich wie wir gegen Food Waste ein. Wir haben Kühlschränke entwickelt, mit denen man die Produkte bis zu 9 Mal länger frisch halten kann und haben Gefrierer mit speziellen Zonen.

Was ist mit Schweizer Ambassadors?

Wir überlegen uns, ob wir mit Köchinnen aus dem Bloggerbereich arbeiten sollen. Wir wollen in die moderne Richtung.

Wie lautet Ihre Message an den Handel?

Alle, die verkaufen, sollten das Thema Nachhaltigkeit aufgreifen. Es gibt immer wieder neue Regelungen, und damit braucht es auch die entsprechenden Geräte. Es lohnt sich deshalb, das Thema frühzeitig zu beachten. Unsere Geschirrspülmaschine beispielsweise braucht nur 6 Liter Wasser, wo andere oft 10 Liter und mehr benötigen. Wir sind auch der erste Haushaltsgerätehersteller in einem 2000-Watt-Areal und erhielten dafür den Energy Global Award. Mit dem Fachhandel bin ich grundsätzlich sehr zufrieden. Er verkauft sich manchmal aber etwas unter Wert. Der Fachhändler ist viel näher beim Kunden als der Onliner oder grosse Elektrohandel. Seine Kunden sind die Kollegen im Dorf und er ist im Notfall schnell vor Ort. In Städten ist es schwieriger, weil es weniger persönlich ist. Dort sollte man noch mehr auf Services und Dienstleistungen wie Geräte-Austausch und unvoreingenommene Beratung hinweisen.

Was kann der Fachhändler bei unvoreingenommener Beratung gegen Showrooming machen?

Er muss dem Kunden sagen, warum er teurer als der Onlinehandel ist. Der Onliner kann keine individuellen Dienstleistungen wie der Fachhändler bieten. Wenn man dann noch den Stundenlohn beachtet, ist der Preisunterschied gar nicht so gross. Der Fachhandel könnte auch noch mehr von anderen Branchen lernen und etwa einen Betrag für die Beratung verlangen, der beim Kauf wieder abgerechnet wird. Das machen Reisebüros übrigens schon lange.

Persönlich

Sandy Oppliger (48) ist seit Januar 2018 Head of Sales von Bauknecht und verfügt über 20 Jahre Erfahrung auf verschiedenen Führungsstufen in IT-Unternehmen sowie Firmen verwandter Branchen. Vor ihrer Tätigkeit bei Bauknecht leitete sie bei 3M den Bereich Konsumgüter Schweiz. Sandy Oppliger hat verschiedene Ausbildungen absolviert. Unter anderem hat sie einen Abschluss als Executive MBA in Unternehmensführung der Universität Luzern.

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