Podium IoT im Haushalt

Was dem vernetzten Zuhause im Weg steht

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Längst wird nicht mehr nur die Beleuchtung oder der Fernseher ins Smarthome integriert. Auch Geschirrspüler, Waschmaschinen und Co. werden immer smarter. Welche Trends sie im Bereich vernetzte Haushaltsgeräte beobachtet und wo es Stolpersteine fürs IoT zuhause gibt, sagt Kim Boegeholz, Director Product Management bei Electrolux Switzerland.

Kim Boegeholz, Director Product Management bei Electrolux Switzerland (Source: zVg)
Boegeholz, Director Product Management, Electrolux Switzerland. (Source: Elektrolux)
Kim Boegeholz, Director Product Management bei Electrolux Switzerland (Source: zVg)
Boegeholz, Director Product Management, Electrolux Switzerland. (Source: Elektrolux)

Welche Rolle spielt das IoT in Schweizer Haushalten?

Kim Boegeholz: Der Einfluss von IoT in Schweizer Haushalten nimmt stetig zu und es wird auch weiterhin ein rasanter Anstieg erwartet, wie auch vom Bakom bestätigt wird. Auch wir als Haushaltsgerätehersteller sehen seit einigen Jahren diesen Trend und beziehen die digitale Technologie bei der Entwicklung neuer Produkte stetig mit ein. Im aktuellen Sortiment haben wir bereits verschiedene solche "Connected Products".

Nach Porter und Heppelmann unterscheidet man bei Connected Products nach vier Maturitätsstufen, angefangen bei Stufe 1, dem simplen "Monitoring", wo es im Kern darum geht, Gerätestati zu überwachen. Die nächste Stufe "Control" beinhaltet dann bereits Kontrolle von Produktfunktionen sowie einfache Personalisierungen für den Kunden.

Im Umfeld der Haushaltsbranche bewegen sich die Produkte noch zumeist auf diesen beiden Stufen. Mehrere Produkte können über eine App beobachtet und Funktionen angesteuert werden, teils sind bereits Partner-Apps wie Google Assistant integriert, dennoch sind die sogenannten Use Cases relativ beschränkt.

Der wirklich grosse Mehrwert wird bei Erreichung der Stufe 3, der sogenannten "Optimization" eintreten, wo die generierten und konsolidierten Erkenntnisse und Fähigkeiten der beiden vorherigen Stufen genutzt werden, um gezielt Optimierungen des Betriebes, der Performance oder der Kundenwünsche vorzunehmen. Gerade im Bereich der prädiktiven Diagnosen von Störungen, Remote Reparaturmöglichkeiten oder neuen Services sehen wir hier grosses Potential, das Leben der Kunden einfacher zu gestalten. Die oberste Stufe, die "Autonomy" baut dann auch weiter darauf auf. Das System soll selbständig "lernen" und die Systeme miteinander interagieren.

Welche Hindernisse gibt es für das vernetzte Zuhause?

  1. Technische Barrieren: Beispielsweise gibt es heute noch keinen allgemeingültigen Protokollstandard, mit dem Geräte von verschiedenen Herstellern übergreifend Daten austauschen und sich miteinander verständigen können (interoperability across brands and branches). Für den Kunden bedeutet das, mehrere Apps zu haben, die sich nicht direkt verstehen und im besten Fall "Übersetzer"-App benötigen (zum Beispiel Apple Watch und Fitbit).

  2. Cybersecurity & Datenschutz: Es wird eine strikte Regulierung und Überwachung benötigt, da immense Mengen an teils sehr sensiblen Daten über verschiedene Netzwerke und Provider ausgetauscht werden.

  3. Sicherheitsaspekte: Ein Haushaltsgerät, das unkontrolliert läuft oder durch einen Lausbubenstreich verstellt wird, ohne dass der Koch oder die Köchin es merkt, kann Konsequenzen haben. Deswegen müssen Hersteller bestimmte vorgeschriebene Kontrollmechanismen bei der Produktentwicklung einhalten, was wiederum die Realisierung gewisser Use Cases gar nicht oder nur teils möglich macht.

  4. Relevanz und Akzeptanz: Wir befinden uns noch im frühen Stadium der Entwicklung bei den vernetzten Haushaltsgeräten, weshalb die Kunden die Connectivity und die Use Cases oft noch als "Spielerei" und amüsantes Gadget ansehen. Wir erwarten, dass sowohl Akzeptanz wie auch Nachfrage wesentlich steigen, sobald die Stufen Optimization und Autonomy erreicht werden, und damit die Anwendungen das tägliche Leben massgebend vereinfachen wie auch finanzielle Anreize daraus entstehen.

  5. Schweiz als Mieterland: Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung besitzt keine eigenen Haushaltgeräte (Grossgeräte), sondern Vermieter schaffen diese für sie an. Dies führt einerseits in Bezug auf die Datensicherheit teils zu Unsicherheit und Kontrollangst beim Mieter. Andererseits sind der Eigentümer und der (App-)Nutzer der Geräte nicht ein und dieselbe Person, was bei der Registrierung oder beim Mieterwechsel zu Konflikten führen kann.

  6. Langlebigkeit der Produkte: Haushaltsgeräte werden im Gegensatz zu schnelllebigen Geräten in der Unterhaltungsindustrie so gebaut, dass sie über ein Jahrzehnt dem Kunden treu dienen. Ein Vermieter wird kaum nur aufgrund von Connectivity die Geräte in seiner Überbauung auswechseln. Dies wäre aus Nachhaltigkeitssicht absolut unverhältnismässig und gar nicht mit unserer Firmenphilosophie vereinbar. Eine Durchdringung des Marktes mit Connected Products wird deshalb Zeit benötigen.

Welche Trends beobachten Sie im Bereich vernetzte Haushaltsgeräte?

Aktuell bewegen sich alle Anstrengungen in Forschung und Entwicklung dahingehend, die Stufe 3 Optimization zu erreichen. Dabei sollen nicht einzelne Produkte verbessert, sondern ganze Oekosysteme entwickelt werden, in denen die Produkte miteinander kommunizieren und interagieren, vor allem aber auch verwaltet werden können, sodass nicht mehr fünf Apps von drei Herstellern benötigt werden, um ein Menü zu kochen.

Branchengrenzen verschieben sich und neue Wertschöpfungsketten entstehen, was teils mit radikalen Veränderungen der Geschäftsmodelle einhergeht. Waschmaschinen mit Autodosierung beispielsweise informieren den Konsumenten automatisch über eine App, dass das Waschmittel nachgefüllt werden muss und bieten die Möglichkeit, dieses per Knopfdruck direkt online nachzubestellen. Der Gang in den traditionellen Handel entfällt, die Lieferung erfolgt direkt nach Hause. Partnerverträge und Systemanbindungen zwischen Produzenten wie auch mit Händlern oder Onlineplattformen mit Rezeptdatenbanken nehmen stetig zu.

Konsumentenstudien während der Coronakrise zeigen, dass Konsumenten zwar den Mehrwert und grossen Nutzen von digitalen Services erkannt und schätzen gelernt haben, viele jedoch zugleich einen grossen Respekt vor dieser Abhängigkeit haben. Die Angst, dass man Dinge "verlernt" sowie das Gefühl, das System kontrolliere das eigene Leben, führen dazu, dass Konsumenten im Moment bewusst wieder den analogen Weg wählen.

Wie wird der Markt für vernetzte Haushaltsgeräte in zwei bis drei Jahren aussehen?

Vor einem Jahr sah man, dass der Markt wächst und in zwei bis drei Jahren die Connectivity in gewissen Preissegmenten zum Standard gehören wird. Eine aktuelle Marktforschungsstudie im Auftrag der Electrolux Gruppe hat hervorgebracht, dass die Coronakrise (mit Lockdown und Homeoffice) zu einer rascheren Veränderung führen könnte, da das Bewusstsein der Konsumenten für den hohen Nutzen von digitalen Services und Connected Products geschärft wurde.

Allerdings wird es entscheidend sein, welche relevanten Use Cases die Grossgerätehersteller anbieten können, die dem Kunden einen wirklichen Mehrwert bieten. Ein Stichwort ist hier sicher das Wort gemeinsames Ökosystem. Daran arbeitet Electrolux im internationalen Umfeld aktiv mit, um eine branchen- und herstellerunabhängige Lösung zu finden.

Mehr zum IoT im Haushalt erfahren Sie in den weiteren Podiumsbeirägen:

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