Podium IoT im Haushalt

Protokoll-Dschungel behindert IoT

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Längst wird nicht mehr nur die Beleuchtung oder der Fernseher ins Smarthome integriert. Auch Geschirrspüler, Waschmaschinen und Co. werden immer smarter. Welche Trends er im Bereich vernetzte Haushaltsgeräte beobachtet und wo es Stolpersteine fürs IoT zuhause gibt, sagt Dominik Franke, Head of Digital Products and Services bei V-Zug.

Dominik 
Franke, Head of Digital Products and Services, 
V-Zug. (Source: V-Zug)
Dominik 
Franke, Head of Digital Products and Services, 
V-Zug. (Source: V-Zug)

Welche Rolle spielt das IoT in Schweizer Haushalten?

Dominik Franke: Das Internet of Things hat durch die moderne Immobilien-Bauweise mit impliziter Connectivity – Ethernet, WLAN-Ausleuchtung etc. – und durch eine sehr gute Ausstrahlung im Bereich Mobilfunk in Schweizer Haushalten eine hervorragende Basis. In der Nutzung der Connectivity sehen wir einen stetigen Anstieg im Bereich Haushaltsgeräte, der belegt, dass das Internet of Things im Bereich Smart Kitchen / Smarthome mehr und mehr zu einem Standard wird.

Als eigentliche Türöffner für die Einbindung von Haushaltsgeräten gelten meines Erachtens die Sprachassistenten wie der Google Assistant oder Amazon Alexa. Die Tatsache, dass Amazon Alexa noch nicht in der Schweiz verfügbar ist, stellt eine Eigenheit der Schweiz dar und überlässt dem Google-Konkurrenten den Schweizer Markt. Da in den umliegenden Ländern jedoch statistisch gesehen der Amazon-Konkurrent in deutlich mehr Haushalten vertreten ist, sehe ich durch einen möglichen Eintritt von Alexa in den Schweizer Markt einen grossen Hebel für das IoT in den Schweizer Haushalten.

Welche Hindernisse gibt es für das vernetzte Zuhause?

Es bildet sich nun auch schon nach Jahren der Entwicklung und Markterfahrung nicht "die" eine Plattform für das IoT, die alle bestehenden Lösungen oder Geräte ablöst. Genauso bildet sich nicht "die" eine Plattform heraus, welche die bestehenden Lösungen nahtlos miteinander verbinden würde. Diese Inselbildung ist ohne Zweifel eine der grössten Hindernisse für den Endkonsumenten. Er steht zwischen der Entscheidung, entweder sämtliche Geräte von einem Hersteller (falls überhaupt verfügbar) zu beziehen und sich damit unmittelbar in eine Abhängigkeit zu begeben (Vendor Lock-in) oder mehrere verschiedene Insellösungen zu betreiben und auf bestimmte, vollintegrierte Use Cases zu verzichten ("Alexa, spiele Fahrstuhlmusik während du unsere Frühstücksbrötchen aufheizt und zum Schluss Kaffee zubereitest").

Als weitere Hürde sehe ich die häufig komplizierte Art, Geräte anzubinden. Notwendigkeit der physischen Interaktion mit dem Gerät, spezifische Anforderungen an das Smartphone OS, mehrfache Authentifizierung falls man zwei unterschiedliche Systeme miteinander koppeln möchte (zum Beispiel Google Home Assistant und ein Haushaltsgerät), Hardwareanforderungen an bestimmte Geräteklassen, damit man sie überhaupt in ein Smarthome-System integrieren kann (beispielsweise der Crypto-Chip, den man einst benötigt hat, um sich an Homekit anbinden zu können), etc.

Die Hersteller und grossen IoT-Player sind diese Hürden ebenfalls angegangen und man kann mittlerweile Vereinfachungen erkennen (zum Beispiel den Crypto-Chip für Apple MFi benötigt man nicht mehr überall, Verbreitung von Social-Logins und so weiter). Hier ist jedoch noch ein weiter Weg zu gehen, bis nicht nur die technologieaffinen Personen einwandfrei durch die verschiedenen Szenarien navigieren können.

Der Anschluss von Haushaltsgeräten an das IoT stellt auch hohe Anforderungen an die Security und den Schutz von Personendaten. IoT-Anwendungen erstrecken sich häufig von Apps über Webzugänge, diverse Protokolle, Connectivity, Backend, Infrastrukturen, Embedded Firmware bis zur Elektronik und Hardware. Die Einführung solcher Lösungen und Systeme bedingt die Einhaltung der anwendbaren gesetzlichen, aber auch vertraglichen Vorgaben und internen Richtlinien in Bezug auf Security, Safety, Privacy etc.

Ein Marktgang erfordert somit unter anderem auch den Abschluss diverser regulatorischer Abklärungen, bevor am Ende der einfache und nahtlose Use Case dem Endkunden Mehrwert bringt. Diese Komplexität und die notwendigen Kompetenzen hierfür bedeuten für die Unternehmen wesentliche Investitionen und ein langjähriges Commitment.

In einem Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt, wie er zurzeit in der IT-Branche vorliegt und sich absehbar in den kommenden Jahren verschärfen wird, sehe ich eine weitere Herausforderung: Gute Ideen und existierende Innovationen zeitnah zur Marktreife zu führen und umsatzrelevant zu platzieren. Das Wissen und die Erfahrungen, stabile und langlebige IoT-Lösungen sowohl zu entwickeln als auch zu betreiben, haben zurzeit nicht viele Unternehmen.

Welche Trends beobachten Sie im Bereich vernetzte Haushaltsgeräte?

Grundsätzlich nimmt die Vernetzung der Geräte zu. Hierzu trägt auch bei, dass die unterschiedlichen Lösungen auf horizontaler Ebene Verbindungen zu anderen Partnern/Netzwerken suchen. Somit nehmen sie dem Kunden wesentliche Hürden, überhaupt Geräte zu verbinden.

Im WLAN-Umfeld gibt es einen deutlichen Anstieg an der Nutzung von WLAN-Netzwerken im Bereich 5 Gigahertz (GHz). Da es jedoch überwiegend einen zugehörigen 2.4 GHz Bereich gibt und der Router beide zusammenführt, erhöht sich zwar die Verfügbarkeit 5 GHz zu nutzen, jedoch entsteht nach wie vor keine Notwendigkeit 2.4 GHz nicht mehr zu nutzen. Eine Umstellung im Bereich IoT auf 5 GHz als Standard zeichnet sich nicht ab. Dies ist unter anderem den Anforderungen der IoT-Geräte geschuldet (wie einer höheren Gewichtung der Durchdringung als der Datenrate).

Als weiteren Trend nutzen immer mehr Haushalte mittlerweile Internet über Mobilfunk und nicht mehr über lokale DSL-Breakouts. Dieser Vormarsch der Mobilfunkanbieter ist sehr disruptiv für alle Geräte, die an einem lokalen Netz hängen. Hier ist es wichtig, dass sich die Hersteller von IoT-Hardware rechtzeitig Gedanken über entsprechende Strategien und Massnahmen machen. Diese Entwicklung hat sowohl Einfluss auf die Technologien als auch auf die Kosten und Use Cases. Je länger die IoT-Geräte im Feld sind, umso mehr wird diese Entwicklung sie beeinflussen.

Wie wird der Markt für vernetzte Haushaltsgeräte in zwei bis drei Jahren aussehen?

Die Rate der vernetzten Geräte wird hoch gehen. Zurzeit wird die Connectivity als Commodity etabliert. Jetzt wo die Basis da ist (technisch und regulatorisch) überwiegen an immer mehr Stellen bei Nutzern die Mehrwerte über die Ängste. Zum Beispiel "meine Tochter steuert die Lautstärke des Radios über Sprache – da kann sie auch schmutzige Finger haben". Dieser soziokulturelle Wandel ist der trägste bei der gesamten IoT-Evolution. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir hier fliessend die nächsten Stufen erklimmen.

In dieser Zeit werden wir auch weitere sehr schöne Use Cases sehen, welche auf einer horizontalen Integration verschiedener IoT-Netzwerke beruhen. Durch diese Insel-übergreifenden Lösungen muss der Kunde nicht alle Geräte von einem Hersteller besitzen (Speaker, Kaffeemaschine, Küchengeräte), um ein durchgängiges Erlebnis und Mehrwerte im Alltag zu haben. Dieser Trend ist bereits heute absehbar, ihm stehen jedoch noch technologische Hindernisse im Weg, welche die Kunden mit klaren Aussagen beispielsweise in Produktbewertungen abstrafen.

Zudem wird es kaum eine Unterscheidung zwischen Geräten mit und ohne Connectivity geben. Grundsätzlich wird die Entwicklung dahingehend sein, dass Geräte mit Connectivity den Standard bilden und die Geräte ohne Connectivity im Produktportfolio die Ausnahme bilden. Dabei werden jedoch auch weiterhin ausschliesslich die Geräte um Connectivity erweitert, bei denen ein wesentlicher Kundennutzen die Mehrkosten rechtfertigt. Die Hardware kann nicht günstig genug werden, dass man diesen Grundsatz der Vernunft auf die Seite legt.

Zusätzliche Kosten könnten bedingt durch die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen (Pandemie, Strafzölle) sowie die technologischen Fortschritte (zum Beispiel ein starker Anstieg der Elektromobilität) entstehen. Hier werden die ersten Engpässe in den notwendigen Ressourcen bereits sichtbar und könnten sich in den kommenden Jahren in den Preisen niederschlagen.

In den kommenden Jahren erwarte ich auch eine fortschreitende Verschmelzung von Kernapplikationen (ERP, FSM, und weitere) eines Unternehmens mit den – heute noch häufig abgeschotteten, nicht voll-integrierten - IoT-Applikationen und -Services. Während heutzutage die IoT-Vorhaben an vielen Stellen noch Projektcharakter haben, werden diese künftigen Selbstverständlichkeiten bald ihren Weg in die vollintegrierten Produkte und somit Statistik- und Analyseprozesse finden. Bei jedem Projekt und Produkt werden implizit die IoT-Mehrwerte und Use Cases und somit die Erhöhung des Kundennutzen mitgeplant und vorgesehen.

Mehr zum IoT im Haushalt erfahren Sie in den weiteren Podiumsbeirägen:

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