Hintergrund

Von App bis Z - Smartphones für Senioren

Uhr | Aktualisiert
von Céline Schleich

Smartphones sind nur etwas für junge Leute? Nein, auch die ältere Generation setzt vermehrt auf smarte Handys. Ausser Apple und Co. buhlen auch Hersteller von Spezialhandys um die Gunst der Silver Surfer. Diese Senioren-Geräte könnten ihr Ziel jedoch verfehlen.

(Quelle: Franz Pfluegl 2006)
(Quelle: Franz Pfluegl 2006)

Vom unförmigen Sprechapparat zum zierlichen Alleskönner für unterwegs. Einst waren Mobiltelefone das Statussymbol der Elite. Nun rücken Smartphones ins Zentrum des digitalen Alltags. Schon die kleinsten Smartphones bieten heute so viele Funktionen, dass mancher sich nicht nur etwas überfordert fühlt. Dass mit modernen Handys auch telefoniert werden kann, geht zuweilen fast schon vergessen. Sind die Geräte mittlerweile doch auch Kamera, Navi, Spielkonsole, Musik-Player und mehr. Der weltweite Siegeszug der Smartphones begann im Jahr 2007, als Apple mit dem iPhone sein erstes internetfähiges Mobiltelefon mit einem Bildschirm vorstellte, das auf Berührungen reagierte. Heute sind die tragbaren Taschencomputer kaum mehr aus unserem technologisierten Alltag wegzudenken. Doch ist der Trend wirklich bei der gesamten Schweizer Bevölkerung angekommen? Von jung bis alt? Laut einer Studie von comparis.ch besitzen mittlerweile 78 Prozent der Schweizer Bevölkerung ein Smartphone. Insbesondere der Nutzeranteil in der Altersgruppe der 50- bis 74-Jährigen legte in den letzten zwei Jahren stark zu. 2014 verwendeten lediglich 43 Prozent von ihnen ein Smartphone. In der Studie von Januar 2016 waren es bereits 64 Prozent. Für ältere Menschen lockt das Smartphone mit dem Versprechen, länger selbstständig bleiben zu können. Und doch: Nicht selten stehen ältere Menschen den smarten Geräten skeptisch gegenüber. Zu kompliziert sollen sie sein. "Die vielen Möglichkeiten überfordern mich bloss", findet etwa Irene. Die 68-Jährige bekam an Weihnachten ein Samsung Galaxy S6 von ihrer Tochter geschenkt. Genutzt hat sie es bisher kaum. Auf ihren Ausflügen durch die Schweiz will sie daher weiterhin auf ihr vertrautes altes Klapphandy von Nokia setzen. Die Zahlen von comparis.ch zeigen jedoch: Nicht alle Senioren denken wie Irene.

Online spielt die Musik

Bei Pro Senectute geht man davon aus, dass sich die Nutzerzahlen zwischen den Generationen weiter annähern werden. "Offliner werden aussterben", sagt Peter Burri Follath, Leiter Marketing und Kommunikation bei Pro Senectute. "Spätestens in 10 bis 15 Jahren werden praktisch alle Menschen in der Schweiz online sein. Sei es über mobile oder stationäre Geräte." In der Übergangszeit gelte es, die Personen abzuholen, die keine Möglichkeit haben, online zu sein. Gerade ältere Menschen müssten begleitet werden: "Einerseits um offline nicht den Anschluss zu verlieren und andererseits, um fit zu sein für die Onlinewelt." Genau dort wollen Organisationen wie Pro Senectute oder seniorweb. ch ansetzen. Kurse und Lernvideos sollen Senioren dabei helfen, den Umgang mit mobilen Geräten zu erlernen. Die Nachfrage nach diesen Kursen für den Umgang mit Smartphones und Tablets steige stetig, sagt Heidi Fischer. Sie ist Inhaberin eines Computergeschäfts in Meilen und bietet derartige Schulungen an. Vor allem ältere Personen interessierten sich dafür. Für Fischer ist klar: "Ohne Zugang zum Internet fehlt älteren Menschen die volle Teilnahme am täglichen Leben und insbesondere am Leben der jüngeren Generationen." Smartphones, aber auch normale Handys würden der älteren Generation dabei helfen, mit Familienangehörigen in Verbindung zu bleiben. Ähnlich klingt es beim Schweizerischen Seniorenrat (SSR): "Da die neue Seniorengeneration, die sogenannten ‹Babyboomer›, bereits Smartphones besitzen und auch benutzen, wird sich die Anzahl der User weiter vergrössern."

Nachhilfe unter Gleichgesinnten

Die Senioren erhalten Unterstützung aus den eigenen Reihen. Der pensionierte Barent Svets kaufte sich vor drei Jahren sein erstes Smartphone. Danach nahm er sich ein ganzes Wochenende Zeit und kämpfte sich durch das Benutzerhandbuch des Handys. Seine Freunde und Bekannte griffen dann immer wieder auf sein Fachwissen zurück. Svets entschied daher, die smarten Geräte der Ü50-Generation näherzubringen. Seither bietet Svets Smartphonekurse für Senioren an. Die Zielgruppe wählte er bewusst. "Unter sich fühlen sich Senioren am wohlsten", sagt Svets. "Alle haben ähnliche Probleme. Niemand muss sich für irgendetwas schämen." Die Kursteilnehmer kämen rasch zu ersten Erfolgen. Die Freude darüber sei entsprechend gross. "Wenn die Enkelin aus Australien innerhalb von zwei Minuten auf eine SMS antwortet und auch gleich noch ein Foto mitschickt, ist das Erstaunen jeweils gross", sagt Svets. Die meisten seiner "Schüler" bekommen ihre smarten  Handys von ihren Enkeln geschenkt. Meist die neuesten Modelle mit viel "Schnickschnack". Doch braucht es das? Wie könnte das perfekte Smartphone für Senioren aussehen? Sucht man am Hauptbahnhof Zürich nach einer Antwort auf diese Frage, könnten die Reaktionen kaum unterschiedlicher sein. "Mit zunehmendem Alter sind meine Augen immer schlechter geworden – Brille hin oder her", sagt etwa Werner, 71 Jahre alt. "Auf dem grossen Display meines iPhones kann ich die SMS meiner Frau wenigstens wieder lesen." Zusammen mit seiner Frau Lydia will er seine Tochter in Winterthur besuchen. Die beiden teilen sich ein iPhone 5. Früher gehörte es ihrem Enkel. Lydia legt Wert auf die Handykamera, nicht aber auf die Anzahl Megapixel. Sie will einfach Fotos verschicken und teilen. Die Befragten wünschten sich auch Mobiltelefone, die trotz Beeinträchtigungen beim Sehen, Hören oder bei der Feinmotorik bequem bedient werden können. "Ich brauche ein Handy, mit dem ich trotz meines Hörgeräts telefonieren kann", sagt etwa Esther, 82-jährig und fünffache Grossmutter.

Optimiert, statt bloss vereinfacht

Für Menschen wie Esther entwickelt das schwedische Unternehmen Doro spezialisierte Mobiltelefone. Diese richten sich an Einsteiger und an fortgeschrittene Silver Surfer. Sie verfügen meist über grössere Tasten und Displays und sind häufig kompatibel mit Hörgeräten. "Alle unsere Umfragen zeigen, dass bei den Best Agern ein grosses Interesse an Smartphones besteht", sagt Attila Civelek, Regional Marketing Manager DACH bei Doro. "Gleichzeitig ist die Komplexität der Technik für viele eine deutliche Hemmschwelle." Bei aktuellen Doro-Smartphones seien die wichtigen Funktionen daher nicht nur "vereinfacht", sondern auf die Zielgruppe optimiert. Mit Features wie etwa einer Notruffunktion mit GPSOrtung bieten spezialisierte Smartphones zweifelsohne einen Mehrwert gegenüber den herkömmlichen Geräten. Gleichwohl werden solche Spezialhandys auch künftig wohl eher ein Nischendasein fristen. Mit den richtigen Einstellungen, den passenden Anlaufstellen und einer ausgiebigen, fundierten Beratung sind auch iPhone und Co. keine Herausforderung mehr für die ältere Generation. "Mit etwas Hilfe und den richtigen Einstellungen kommen Senioren durchaus mit den neuesten Smartphones zurecht", sagt Kursleiter Svets. Eigens für Senioren entwickelte Smartphones seien nicht nötig. Bei seinen "Schülern" sehe er diese nur selten. Auch Roland Grunder glaubt nicht an Spezialanfertigungen für Senioren. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe IKT beim Schweizerischen Seniorenrat. Potenzial sieht er hingegen in der Weiterentwicklung bereits etablierter Technologien wie etwa der Sprachsteuerung. Bei Pro Senectute teilt man diese Meinung. "Smartphones sind wichtig, nicht aber 'Seniorenhandys'", sagt Burri Follath. Für die Spezialhandys sieht er daher keine Zukunft. Der Trend gehe zu Geräten, die alle Bedürfnisse abdecken. Gross sollen sie sein und einfach zu bedienen. "Das perfekte 'Seniorenhandy', benutzt von allen Generationen, ohne als ein solches zu gelten", fasst Burri Follath seine Prognose zusammen.

Richtig verkaufen

Ob nun spezialisierte Geräte oder nicht, wichtig ist das spezialisierte Verhalten der Fachhändler. Im Umgang mit älteren Kunden gelte es insbesondere, deren Berührungsängste zu überwinden und verstärkt auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Burri Follath hält ebenfalls einen Tipp für den Fachhandel bereit: "Wenn das Kauferlebnis stimmt, der anschliessende Support passt und die Kunden sich gut aufgehoben fühlen, hat man als Fachhändler gute Chancen." Bei der älteren Kundschaft komme allerdings erschwerend hinzu, dass diese für die Beratung mehr Zeit benötigten. Dies widerspreche dem allgemeinen Verhalten von Fachhändlern aus zwei Gründen: Erstens soll ein Verkauf effizient sein und somit möglichst wenig Zeit beanspruchen. Zweitens sei eine Beratung ohne direkten ökonomischen Umsatz (kurzfristig) schwer zu begründen. Burri Follath empfiehlt dennoch, auf ältere Personen einzugehen und ihnen Zeit zu lassen beim Kaufentscheid. Denn: "Ältere Menschen sind grundsätzlich sehr loyal und kommen immer wieder. Das ist bei jungen 'Schnellkäufern' erwiesenermassen nicht der Fall", ergänzt Burri Follath. Sein Fazit: "Fachhändler sollten die Beratung und Dienstleistungen um Produkte ausbauen, die auch für ältere Menschen funktionieren, anstatt auf Spezialhandys zu setzen." Auf diese Weise könnten sie die Silver Surfer als Kunden an ihren Laden binden.

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