Mystery-Shopping

Fotofachhändler: "Wenn die Kompaktkamera tot ist, ist sie tot"

Uhr
von Lia Perbo

Astrid T.s Analogkamera hat den Dienst quittiert. Da das Gerät einen besonderen emotionalen Wert für sie hat, möchte Astrid die Kamera reparieren lassen und sucht Rat im Fachhandel. Doch das Vorhaben erweist sich als schwieriger als erwartet.

Von diesem Familienerbstück muss sich Astrid nun ­schweren Herzens trennen. Die Olympus µ-III aus dem Jahr 1996 kann nicht mehr repariert werden. (Source: Netzmedien)
Von diesem Familienerbstück muss sich Astrid nun ­schweren Herzens trennen. Die Olympus µ-III aus dem Jahr 1996 kann nicht mehr repariert werden. (Source: Netzmedien)

Astrid T. fotografiert gerne analog. Nicht nur die charmante Körnung und der einzigartige Tiefeneffekt der Bilder faszinieren sie, das Fotografieren auf Film hat auch einen gewissen emotionalen Wert. Beim Entrümpeln des Estrichs hatte sie vor einiger Zeit den längst verloren geglaubten Fotoapparat ihrer verstorbenen Mutter entdeckt. Sofort erinnerte sich Astrid an die damals nervigen Teenager-Momente, als ihre Mutter alle für ein Foto vor den Blumen zusammengerufen hatte. Seit diesem Fund führte Astrid die Tradition weiter und hielt besondere Momente mit Familie und Freunden mit dem Erbstück fest. Doch kürzlich musste Astrid feststellen, dass die Kamera ihren Geist aufgegeben hat. Da analoge Fotografie wieder im Trend liegt, sollte die Reparatur relativ einfach zu bewerkstelligen sein, denkt sich Astrid. Frohen Mutes macht sie sich auf den Weg in die Stadt. 

Digitec Galaxus

Als Erstes begibt sie sich in eine Digitec-Galaxus-Filiale gleich bei ihr ums Eck. Der Händler führt auch Kameras im Sortiment, wie sie bei ihren Spaziergängen am Laden vorbei bemerkt hat. Ein Bildschirm am Eingang fragt sie nach ihren Wünschen und stellt ihr eine entsprechende Nummer aus. Der Laden ist nicht besonders stark frequentiert und so muss Astrid nicht lange warten. Sie erklärt der Mitarbeiterin, dass sie eine Analogkamera habe, die kaputt sei. "Haben Sie denn Garantie darauf?", fragt diese. Astrid sagt schmunzelnd: "Die Kamera ist von meiner Mutter aus den 90er-Jahren." Reparaturen biete Galaxus nicht an, sagt die junge Mitarbeiterin, möchte Astrid aber behilflich sein und sucht ihr online ein Kamerageschäft, das Geräte repariert. Sie zeigt der Mystery-Shopperin nicht nur die passende Adresse, sondern erklärt Astrid auch im Detail, wie sie mit dem Tram dorthin gelangt. Sie bedankt sich für die Hilfe und macht sich auf zum nächsten Geschäft. 

Fotofachhändler 1 

Der Weg zum vorgeschlagenen Kamerafachgeschäft ist weit. Astrid möchte ihr Glück zunächst noch in einem näher gelegenen Laden mit Fotozubehör versuchen. Der Eingang ist etwas versteckt und das Geschäft menschenleer. Alles andere als leer sind hingegen die Regale, die reihenweise Kameras, Objektive und Zubehör präsentieren. An diesem Ort scheint man sich mit Kameras auszukennen, denkt sich Astrid. Sie ist sich sicher, dass ihr hier geholfen wird. Sie muss einige Minuten warten, bis eine Mitarbeiterin ihr Telefonat beendet und sich Astrid annimmt. Das Gespräch fängt vielversprechend an, die Filiale repariert gewisse Kameras. Als Astrid allerdings anfügt, dass es sich um ein analoges Exemplar handelt, schwindet das Lächeln der Mitarbeiterin. "Analoge Kameras reparieren wir nicht", erklärt sie trocken. "Wenn es nur um eine Schraube geht, könnten wir uns das vielleicht anschauen, aber sonst eher nicht." Auch eine Weiterleitung an einen spezialisierten Partner sei nicht möglich, fügt die Verkäuferin hinzu, ohne weitere Hilfe anzubieten. So macht sich Astrid etwas enttäuscht auf den Weg zum nächsten Geschäft.

Interdiscount 

Wenn ein auf Kameras spezialisiertes Geschäft ihre Kamera nicht reparieren kann, kann sie es gleich bei einem Elektronikhändler versuchen, denkt sich Astrid etwas trotzig. Sie schlägt den Weg Richtung Interdiscount ein. Dort wird sie sogleich herzlich von einem jungen Mitarbeiter in Empfang genommen und äusserst freundlich beraten. Sie selbst reparierten keine Kameras, man könne sie aber einschicken. "Ich weiss aber nicht, ob sich das lohnt. Sie müssten nur schon fürs Einschicken 100 Franken zahlen", erklärt er ihr. Und damit sei es nicht getan, die Kosten für die tatsächliche Reparatur kämen noch hinzu. Er empfiehlt ihr ein Kamerageschäft, das die Reparatur mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Ort vornehmen könne. Astrid ist froh um seine ehrlichen und ausführlichen Ratschläge und macht sich auf den Weg zum empfohlenen Spezialisten. 

Fotofachhändler 2

Dort angekommen, erwartet Astrid ein Kameraparadies. Im lichtdurchfluteten Raum stapeln  sich entlang mehrerer Säulen gefühlt Tausende Kameras bis unter die Decke. Es dauert nicht lange, bis eine freundliche Mitarbeiterin sich erkundigt, ob sie Astrid behilflich sein könne. Das Gespräch verläuft zu Beginn ähnlich wie beim ersten Fachhändler – mit einer steil nach unten verlaufenden Optimismus-Kurve. "Wenn diese Kamera tot ist, ist sie tot", gibt die Verkäuferin Astrid zu verstehen, als sie erfährt, dass die Mystery-Shopperin eine Kompaktkamera hat. "Wir haben einen Reparateur, der mechanische Kameras wieder herrichtet." Sie erklärt, dass ab den 80er-Jahren zunehmend Elektronik in Kameras verbaut worden sei, für die es heute kaum noch Ersatzteile gebe. Hersteller würden solche Geräte kaum mehr reparieren, wenn sie älter als zehn Jahre seien. Die Verkäuferin spürt Astrids Enttäuschung und versucht, ihr Mut zu machen. Auf Secondhand-Plattformen wie Ricardo oder auch auf Flohmärkten liessen sich wahre Schätze entdecken. Die Mitarbeiterin erweist sich als echte Expertin und erklärt Astrid bereitwillig alles über die Funktionsweise und die Unterschiede der verschiedenen Kameras im Laden. Eine besondere Empfehlung spricht sie für die Pentax 17 aus, die Bilder im Halbformat schiesst – den gewöhnlichen 35mm-Film also mit doppelt so vielen Bildern füllt. Trotz der eigentlich negativen Rückmeldung geht Astrid inspiriert und dankbar aus dem Laden. 

Fotofachhändler 3

Astrids anfängliche Zuversicht ist verflogen. Die junge Frau beim Fotospezialisten schien äusserst kompetent – eigentlich gäbe es keinen Grund, ihre Einschätzung anzuzweifeln. Dennoch ist Astrid noch nicht bereit, aufzugeben. Trotz der brennenden Sonne und der drückenden 30 Grad macht sie sich auf den beschwerlichen Weg ans andere Ende der Stadt. Dort angekommen, muss sie erst einmal geduldig warten, bis sich eine der beiden Mitarbeitenden des kleinen, charmanten Ladens Zeit für sie nimmt. Die letzte Hoffnung auf eine positive Wendung schwindet, als die Verkäuferin nach einem kurzen Blick auf die Kamera dasselbe Urteil fällt: "Eine derart alte Kompaktkamera lässt sich leider nicht mehr reparieren." Die Mitarbeiterin untersucht den Fotoapparat gründlich und bestätigt, dass er tatsächlich nicht mehr funktioniert. Sie bietet an, den angefangenen Film zu entwickeln, und zeigt der Mystery-Shopperin auf Nachfrage einige gebrauchte Olympus-Mju-Modelle. Astrid schluckt leer, als sie die Preise hört: Die Occasionen kosten zwischen 300 und 400 Franken. 

Fazit

Frustriert und erschöpft schlurft Astrid nach Hause. Dass es derart schwierig sein würde, ihre Kamera wiederzubeleben, hätte sie nicht gedacht. Mit wenigen Ausnahmen fühlte sie sich im Handel dennoch gut beraten. Gerne hätte sie aber etwas mehr Tipps zu Alternativen erhalten. Doch dafür hätten die Verkaufsberater und -beraterinnen besser ausfindig machen müssen, welche Fotografiebedürfnisse die Mystery-Shopperin hat. Den Trend hin zu Analogfotografie spürte Astrid klar – sie hatte keine Mühe, Händler und Fachgeschäfte zu finden, die analoge Kameras verkaufen, Filme entwickeln und Expertise für die Beratung mitbringen. Reparieren konnte zwar niemand ihr geliebtes Erbstück, doch das dürfte weniger am Können der Mitarbeitenden gelegen haben, als am Mangel an Ersatzteilen und spezialisierten Reparaturwerkstätten. Trotz der Enttäuschung hat Astrid die Rückkehr zur analogen Fotografie als bereichernd empfunden und erwägt nun, in ein ähnliches Modell oder eine andere Art von Filmkamera zu investieren. 
 

Webcode
mGzQ6Ypj