Schweizer E-Automarkt wächst nur langsam

Schweizer E-Autoabsatz gerät ins Hintertreffen

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von von Oliver Wietlisbach / watson, dwa

In Skandinavien und den Beneluxländern ist das E-Auto auf der Überholspur. Bei uns ist das Wachstum 2023 abgeflacht. Dafür gibt es zahlreiche Gründe.

(Source: frimufilm / freepik.com)
(Source: frimufilm / freepik.com)

Die Schweiz als E-Auto-Vorreiterin in Europa? Von diesem Selbstbild müssen wir uns verabschieden, wie eine neue Analyse des Branchenverbandes Swiss eMobility zeigt. Von Platz 6 im Jahr 2022 fielen wir 2023 auf Rang 8 der Länder mit dem höchsten E-Auto-Anteil zurück.

Besonders schmerzlich: Beim E-Auto-Wachstum belegte die Schweiz 2023 nur noch Platz 13. Viele europäische Länder legten deutlich schneller zu. Swiss-eMobility-Direktor Krispin Romang rechnet damit, dass die Schweiz bald aus den Top 10 in Europa fallen wird. Dies trotz der hohen Kaufkraft und obwohl es hierzulande ein vergleichsweise gut ausgebautes öffentliches Ladenetz gibt. Für ein Land, das sich noch immer in der Rolle des Klimaschutz-Musterschülers gefällt, keine rühmliche Entwicklung.

 

Die Schweiz war ein E-Auto-Pionier, nun können wir mit den Ländern in Skandinavien und den Beneluxstaaten nicht mehr Schritt halten.

Klar ist: Die skandinavischen Länder ziehen bei der Mobilitätswende davon. In Finnland etwa verdoppelte sich der Marktanteil beinahe: von 18 auf 34 Prozent innert eines Jahres. In Dänemark ging's von 21 auf 36 Prozent hoch. Norwegen spielt mit einem E-Auto-Anteil unter den verkauften Neuwagen von 82 Prozent in einer eigenen Liga.

In der Schweiz legte das Elektroauto im vergangenen Jahr nur noch bescheiden von 18 auf knapp 21 Prozent zu. Damit schwächte sich das Wachstum gegenüber den Vorjahren etwas ab. "Wir haben es in der Schweiz noch nicht geschafft, elektromobilitätsfreundlichere Rahmenbedingungen zu schaffen", sagt Romang. "Vor allem der fehlende Zugang zu Heimladestationen verunmöglicht, dass wir mit der internationalen Entwicklung Schritt halten können."

 

Der Schweizer Elektro-Boom schwächelt: Der Marktanteil neu zugelassener elektrischer Autos stieg 2023 nur noch von 18 auf knapp 21 Prozent.

Von einem Ende des Schweizer E-Auto-Booms kann dennoch keine Rede sein: "Allein 2023 wurden mehr Elektroautos zugelassen, als es 2020 im Bestand gab", sagt Romang. Das Wachstum werde getrieben "vom zunehmenden Angebot an Elektroautos und einem der besten öffentlichen Ladenetze mit über 15'000 Ladepunkten". Es zeigt sich allerdings immer deutlicher, dass dies nicht ausreicht.

Europa spaltet sich bei der Elektromobilität zunehmend in drei geographische Blöcke auf: "Ein skandinavischer Block (zu dem man grosszügigerweise die Niederlande zählen muss), einen mittelmässigen mitteleuropäischen Block (in dem mittlerweile auch die Schweiz angekommen ist) sowie einen süd- und osteuropäischen Block von Spanien bis zur Slowakei", schreibt der Elektromobilitätsverband Swiss eMobility.

Nord-, Mittel- sowie Süd- und Osteuropa im E-Auto-Vergleich

 

Rot = Schweiz. (Tippe auf die Linien bzw. bewege die Maus über die Linien für weitere Infos.)

Die Grafik zeigt es: 2023 haben sich die skandinavischen Länder (grüne Linien in der oben stehenden Grafik) abgesetzt. Die Schweiz (dunkelblaue Linie) – 2022 noch knapp in der Spitzengruppe – fällt langsam aber sicher ins europäische Mittelfeld zurück. Das liegt auch daran, dass Länder wie Belgien oder Österreich viel schneller zulegen und uns dieses Jahr überholen könnten. Anders gesagt: Überall dort, wo die Politik gute Rahmenbedingungen schafft, boomt das E-Auto.

Warum das E-Auto-Wachstum in der Schweiz stockt

"Die Elektrifizierung des Antriebes ist kein Selbstläufer", sagt Romang. Er geht für 2024 von "einem herausfordernden Jahr für die Elektromobilität aus". Dies auch, weil die nächste Verschärfung bei den CO2-Emissionszielen für Personenwagen erst 2025 in Kraft tritt.

Ähnlich sieht dies Auto-Schweiz-Präsident Peter Grünenfelder: "Zum 1. Januar ist nicht nur die Befreiung der Elektroautos von der vierprozentigen Automobilsteuer weggefallen, die beim Import fällig wird, sondern auch die Strompreise sind im staatlich dominierten Energiemarkt um durchschnittlich 18 Prozent gestiegen. Anschaffung und Betrieb von E-Fahrzeugen werden so im neuen Jahr für die Konsumentinnen und Konsumenten deutlich teurer." Erschwerend kommt hinzu: E-Auto-Enthusiastinnen und -Enthusiasten fahren inzwischen elektrisch, nun muss die grosse Masse überzeugt werden.

Von hohen Anschaffungs- und steigenden Stromkosten für Elektroautos sind auch Kundinnen und Kunden in anderen Ländern betroffen. Es muss also spezifischere Gründe geben, warum E-Autos in der Schweiz kein Selbstläufer sind. Swiss eMobility macht dafür primär das fehlende "Recht auf Laden" verantwortlich.

Die E-Auto-Lobby fordert seit Jahren, dass Mieter und Stockwerkeigentümer wie in einigen anderen europäischen Ländern einen gesetzlichen Anspruch erhalten, eine eigene Ladestation installieren zu dürfen. Eine entsprechende Motion ist 2023 versandet.

Ohne Recht auf Laden bleibt das E-Auto für Mieter unattraktiv und die Schweiz hat international eine der höchsten Mieterquoten. Bisher kaufen denn auch vorwiegend Hausbesitzer E-Autos, da sie in aller Regel bequem zu Hause laden können.

Laut aktuellem TCS-Barometer zur Akzeptanz der Elektromobilität verfügen über die Hälfte der befragten Elektroautobesitzer über einen eigenen Parkplatz mit einem Stromanschluss (53 Prozent). 14 Prozent können ihr Elektroauto (zusätzlich) am Arbeitsplatz laden. 23 Prozent nutzen öffentlich zugängliche Ladestationen in unmittelbarer Nähe ihres Hauses. Wer dies hingegen nicht kann, entscheidet sich in den allermeisten Fällen gegen ein E-Auto. Das Fehlen einer Ladestation zu Hause war 2023 für 65 Prozent der Befragten der Hauptgrund, weshalb sie vom Kauf eines Elektroautos absahen.

Davon abgesehen wird das E-Auto-Wachstum stark durch Firmenwagen getrieben. Darum haben Länder wie Österreich E-Autos von der Dienstwagensteuer befreit oder diese gesenkt, um die Elektromobilität zu fördern – nicht so die Schweiz.

Schlussendlich sei die Schweiz beim Smart-Meter-Ausbau «weit hinter den Erwartungen», schreibt Swiss eMobility. Digitale und vernetzte Stromzähler sind eine Voraussetzung für intelligente Stromnetze (Smart Grids) und Vehicle to Grid, sprich der Abgabe von elektrischem Strom aus den Akkus von E-Autos zurück ins öffentliche Stromnetz, um dieses zu stabilisieren.

Smart Meter sind somit ein wichtiger Baustein, um Stromschwankungen besser zu lokalisieren, und für die Versorgungssicherheit. Der schleppende Smart-Meter-Ausbau führe zu einer «mangelnden Transparenz bezüglich unserer Stromsituation» und habe dazu beigetragen, «Elektroautos im Falle einer Strommangellage landesweit unter Generalverdacht zu stellen», konstatiert der Elektromobilitätsverband. Auch dies ist dem Wachstum der Elektromobilität kaum förderlich.

Das E-Auto ist gekommen, um zu bleiben

Trotz allem: Verbrenner haben in Europa langfristig keine Zukunft. Das E-Auto setzt sich durch. Daran gibt es mit Blick auf die Zulassungszahlen keinen Zweifel mehr.

 

Die Autohersteller sind auf das Elektroauto umgeschwenkt, die Rohstoffpreise für Batterien sinken und bereits dieses Jahr kommen mehrere bezahlbare Modelle in der Grössenordnung von 25'000 Franken auf den Markt. Möglich wird dies unter anderem durch günstigere Lithium-Eisenphosphat-Akkus.

LFP-Akkus ohne Kobalt liefern zwar bei gleicher Masse etwas weniger Reichweite als konventionelle Lithium-Ionen-Akkus, dafür sind sie ökologischer, weniger brandanfällig und ermöglichen vor allem eine längere Lebensdauer.

Dieser Artikel ist zuerst bei "Watson" erschienen.

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