Mystery-Shopping

Media-Markt-Mitarbeiter: "Für professionelle Mikrofone sind Sie hier falsch"

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von Calvin Lampert und ml

Mystery-Shopperin Astrid T. steht ein Gesangsauftritt am örtlichen Turnfest bevor. Sie muss dafür ihr eigenes Mikrofon mitbringen. Auf ihrer Suche nach einem passenden Gerät merkt sie schnell, dass kein Weg am Fachhandel vorbei führt.

(Source: sbw19 - stock.adobe.com)
(Source: sbw19 - stock.adobe.com)

Astrid T. singt schon seit einigen Jahren in ihrer Freizeit und hatte auch die eine oder andere Gesangsstunde. Abgesehen von Karaoke-Abenden stand sie jedoch noch nie auf der Bühne. Bis jetzt jedenfalls, denn demnächst steht ein erster Auftritt am örtlichen Turnfest an. Die Veranstalter bestehen darauf, dass Astrid ihr eigenes Mikrofon mitbringt. Das muss sie sich aber erst noch besorgen. Da sich die Mystery-Shopperin mit Mikrofonen nicht auskennt, hofft sie auf die Expertise im Handel. Ihre Kriterien für den Mikrofonkauf: Das Gerät sollte nicht zu teuer sein und eine XLR-Buchse haben. Ausserdem wünscht sie sich eine kabellose Option für mehr Bewegungsfreiheit beim Auftritt.

Digitec

Ihre Mystery-Shopping-Tour startete Astrid bei Digitec. Der Showroom war an dem Tag gut besucht. Astrid zog sich ein Ticket und musste erstmal eine Weile warten, bis sie von einem jungen Mitarbeiter beraten wurde. Er hatte sie anfänglich wohl falsch verstanden, denn er zeigte der Mystery-Shopperin auf seinem Bildschirm zuerst nur Tisch-Mikrofone. Nachdem Astrid nochmals darauf hinwies, dass sie ein Handmikrofon brauche, passte er seine Suche entsprechend an. Da das System keine brauchbaren Ergebnisse anzeigte, verschwand der Mitarbeiter für ein paar Minuten, um sich mit einem Kollegen mit mehr Expertise in dem Bereich auszutauschen.

Als er wieder zurückkam, gestand er Astrid, dass Digitecs Auswahl in diesem Segment etwas begrenzt sei. Von einem Funk-Mikrofon-Doppelpack der Marke JBL für 105 Franken, das Astrid zuvor ins Auge gefasst hatte, riet der Digitec-Mitarbeiter ab. "Funkmikrofone in dieser Preissparte sind unzuverlässig und haben eine hohe Latenz", begründete er. Der Mitarbeiter erkundigte sich, wann Astrids Auftritt stattfindet, denn obwohl Digitec professionelle Mikrofone von Shure führe (zum Beispiel das Shure SM58 LCE für 108 Franken), könnten die Lieferzeiten etwas länger ausfallen. Ein adäquates Drahtlossystem von Sennheiser würde ­zudem mehrere hundert Franken kosten. Der Mitarbeiter empfahl Astrid, sich beim Musikfachhändler umzu­schauen, damit sie ihr Mikrofon rechtzeitig für den Auftritt erhalte. Die Mystery-Shopperin bedankte sich für den Tipp und verliess den Showroom.  

Melectronics

Statt beim Fachhändler versuchte Astrid ihr Glück zunächst noch bei Melectronics. Der dort angesprochene Mitarbeiter wies sie darauf hin, dass das Geschäft nur Karaoke­mikrofone im Sortiment habe. Er bestätigte, was auch schon der Digitec-Mitarbeiter gesagt hatte: Für "richtige" Mikrofone müsse Astrid zum Musikfachhändler. Das kam der Mystery-Shopperin gelegen, denn diesen hatte sie für ihre Tour ohnehin als Nächstes auf ihrer Liste. Also bedankte sie sich beim Melectronics-Mitarbeiter und machte sich auf den Weg zum örtlichen Fachgeschäft. 

Musikfachhändler 1

Der Fachhändler war nur wenige Kilometer entfernt. Ohne, dass ihm Astrid ein Budget genannt hatte, zeigte der dortige Mitarbeiter Astrid gleich ein Mikrofon: das Sennheiser E845 S für 96 Franken. Dieses Mikrofon bilde "die goldene Mitte im Sortiment". Teurer (als Beispiel nannte er das E945 für rund 190 Franken) und günstiger ginge es immer, aber das E845 sei ein solider Start. Eine günstigere Alternative wäre laut dem Mitarbeiter das AKG P5S für 49 Franken. Es funktioniere gut, erreiche aber nicht die "brillanten Höhen" des Sennheiser-Mikrofons. "Es klingt einfach dumpfer", fasste der Mitarbeiter den Sound des P5S zusammen.

Auf Astrids Frage nach Funklösungen entgegnete er: "Grundsätzlich kann man jedes Mikrofon durch Aufsätze in ein Funkmikrofon verwandeln." Daraufhin holte er eine Funklösung von Sennheiser hervor. Der Preis um die 300 Franken liess Astrid jedoch zögern. Der Händler wies sie darauf hin, dass sie keine Funksysteme unter 200 Franken in Betracht ziehen sollte, da diese anfällig für Interferenzen seien. Da die Mystery-Shopperin noch weitere Meinungen einholen wollte, verliess sie das Fachgeschäft vorerst ohne Mikrofon. 

Media Markt

Als Nächstes suchte Astrid eine Media-Markt-Filiale auf und fand prompt einen freien Mitarbeiter. Er führte sie zu einer Auswahl an Mikrofonen von Hama und Thompson. Die Preise reichten von 20 bis 40 Franken. Das Mikrofon von Hama ist laut Verpackung gut geeignet für Garagenbands und Comedians an Hochzeiten; dies machte Astrid, stutzig, da sie kurz zuvor ein viel hochwertiger erscheinendes Mikrofon von AKG für nur 10 Franken mehr in den Händen gehalten hatte. Der Media-Markt-Mitarbeiter erkundigte sich, wie Astrid das Mikrofon anschliessen wolle, da die meisten der vorhandenen Mikrofone primär für den Einsatz per 3,5-Millimeter-Klinke konzipiert seien. Astrid erklärte, dass sie ein Mikrofon mit XLR-Buchse brauche. Daraufhin antwortete der Verkäufer: "Für professionelle Mikrofone sind Sie hier falsch." Astrid bedankte sich für die ehrliche Einschätzung und beschloss, noch ein weiteres Fachgeschäft zu besuchen. 

Musikfachhändler 2

Der zweite Musikfachhändler erkundigte sich erst nach Astrids Budget. Die Mystery-Shopperin nannte ihm 100 Franken als Obergrenze. Daraufhin führte sie der Mitarbeiter geradewegs zu einem Regal mit verschiedenen ­Mikrofonen. Er zeigte ihr das Modell SE Electronics V7. Laut dem Händler kostet es 89 Franken, klinge aber wie ein 200 Franken teures Mikrofon. Er erklärte der Mystery-Shopperin weiter, dass es sich bei der Mikrofon-Bauart um eine sogenannte "Super-Niere" handle. Astrid müsse in dieses Mikrofon direkt hineinsingen und wäre darum viel eingeschränkter in der Bewegungsfreiheit. Die Mystery-Shopperin war sich nicht sicher, ob sie dafür schon die notwendige Disziplin auf der Bühne hätte und erkundigte sich nach Alternativen.

"Mit dem SM58 machen Sie nie etwas falsch", versprach der Mitarbeiter. Das Mikrofon von Shure sei "ein Klassiker" und koste im Fachgeschäft 107 Franken. Für einen noch besseren Sound pries der Mitarbeiter die SE-Version für 117 Franken an. Zwar gebe es im Fachgeschäft auch Optionen für rund 50 Franken, aber mit klaren Abstrichen bei der Tonqualität. Auch der zweite Fachhändler bestätigte, was Astrid im ersten Musikfachgeschäft bereits gehört hatte: Anständige Funklösungen gibt es nicht unter 250 Franken. In der Hoffnung, doch noch etwas günstiger davonzukommen, wagte As­trid einen letzten Versuch.  

Musik-Equipment-Retailer

Schliesslich wandte sich Astrid telefonisch an einen gros­sen Musik-Equipment-Retailer – vorerst mit wenig Erfolg. Die Abteilung Mikrofone leitete sie direkt an die PA-Abteilung weiter, da das dortige Team eine grössere Expertise im Bereich Mikrofone für Live-Auftritte habe. Dort hing sie in der Warteschleife und legte nach einer Viertelstunde auf. Am nächsten Tag versuchte sie es per Chat. Der dort angeschriebene Mitarbeiter wies sie darauf hin, dass es etwas schwierig sei, per Chat oder Mail ein passendes Mikrofon für sie zu finden. Die Mystery-Shopperin erklärte ihm daher, dass sie per Telefon niemanden erreichen konnte. "Tut mir leid, aber auch wir haben, wie viele Firmen, mit massivem Personalmangel zu kämpfen", antwortete der Mitarbeiter.

Er versuche, Astrid so gut wie möglich per Chat zu beraten. Mit einem angegebenen Budget von rund 100 Franken empfahl der Mitarbeiter das Shure SM58 LC, das etwas mehr kostet. Auf die Nachfrage nach einer günstigeren Alternative empfahl der Mitarbeiter ein Modell der Hausmarke für 38 Franken. Zwar reiche der Klang nicht an das Shure-Mikrofon heran, das Mikrofon biete aber trotzdem ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Astrid bedankte sich und beendete damit ihre Suche.  

Fazit

Wenn es um so etwas Spezielles wie ein Mikrofon für Gesangsauftritte geht, führt kein Weg am Fachhandel vorbei – diese Tatsache würdigen auch die Retailer. Generell waren alle von Astrid kontaktierten oder besuchten Anlaufstellen bemüht, der Mystery-Shopperin eine möglichst gute Beratung zu bieten. Bezüglich des Preises waren sich die Fachhändler einig: Gute Mikrofone sind ab zirka 90 Franken erhältlich, gute Funklösungen gib es hingegen nicht unter 200 Franken. Wäre Astrid lediglich der Preis wichtig, würde sie das AKG P5S kaufen. Grundsätzlich sprach sie aber das Shure SM58 mehr an – auch da es ihr mehrmals empfohlen wurde. Vielleicht wird sie sogar die SE-Version kaufen. Astrid fühlte sich nach ihrer Mystery-Shopping-Tour gut und ehrlich beraten (insbesondere von den beiden Fachhändlern). Das Einzige, was ihren Auftritt am Turnfest nun noch ruinieren könnte, ist das Wetter. 

Die weiteren Inhalte aus der CEtoday-Ausgabe Nr. 05/2023 finden Sie im Onlinedossier

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