Sennheiser-CEOs im One-to-Two

Wie Daniel und Andreas Sennheiser das Traditionsunternehmen retten wollen

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Audiospezialist Sennheiser feiert dieses Jahr sein 75-jähriges Bestehen. Aufgrund der Coronakrise verläuft das Jubiläumsjahr jedoch anders als geplant. Die CEOs Andreas und Daniel Sennheiser sagen, wie es um die Musik- und Audiobranche bestellt ist und wie sie das Überleben des Traditionsunternehmens sichern wollen.

Die Sennheiser-CEOs Daniel und Andreas Sennheiser (v.l., Source: Sennheiser)
Die Sennheiser-CEOs Daniel und Andreas Sennheiser (v.l., Source: Sennheiser)

Wie feiert Sennheiser seinen 75. Geburtstag?

Daniel Sennheiser: Wir schauen mit sehr gemischten Gefühlen auf das Jahr 2020, denn eigentlich haben wir uns sehr darauf gefreut, mit unseren Mitarbeitern, unseren Kunden, Partnern und Freunden unser Jubiläum zu feiern. Dann kam die Coronapandemie und hat uns vor Herausforderungen gestellt, die wir uns Anfang des Jahres noch nicht einmal vorstellen konnten – sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich.

Andreas Sennheiser: Unsere Mitarbeiter setzten gegenüber unseren Kunden ein starkes Signal: Sie fotografierten sich getreu unseres Jubiläumsmottos "This Is Your Crew" im Homeoffice und zeigten: "Wir machen weiter und arbeiten für euch an Audiolösungen, egal wo wir sind".

Daniel Sennheiser: Trotz der schwierigen Situation und Absage geplanter Veranstaltungen erzählen wir für unsere Kunden auf unserer Website die Geschichten der Menschen, die hinter den Sennheiser-Produkten und dem Sennheiser-Klang stehen. Insgesamt 75 Geschichten über 75 magische Momente aus der Vergangenheit und der Gegenwart geben einen Einblick in die Welt von Sennheiser. Es sind Geschichten von Mitarbeitern, Kunden, Freunden und Fans, die beispielhaft für das stehen, was uns ausmacht.

Werden gewisse Aktionen oder Veranstaltungen nachgeholt?

Andreas Sennheiser: Nein, denn wir setzen anstatt der geplanten Veranstaltungen ganz andere Formate um: Seit Beginn der Coronapandemie versuchen wir, unsere Kunden zu unterstützen, indem wir Musikern und anderen professionellen Anwendern auf unseren Social-Media-Kanälen eine Plattform bieten. Mit den Hashtags #DontStopTheMusic, #DontStopTheEducation oder #AtHomeWithNeumann haben wir gemeinsam neue Formate geschaffen. Einige dieser Ideen werden sicherlich auch nach der Coronazeit weiterleben, denn wir gehen fest davon aus, dass sich durch die momentane Situation in der Branche langfristige Veränderungen für die Zukunft ergeben.

Gibt es Jubiläumsangebote speziell für den Fachhandel?

Daniel Sennheiser: Über das gesamte Jubiläumsjahr bieten wir Fans besondere Geburtstagsangebote und Sondereditionen: Für Profianwender gibt es in jedem Monat einen Special Deal für ausgewählte Mikrofone, Drahtlossysteme und professionelle Kopfhörer. Ausserdem werden wir bis Ende des Jahres verschiedene "75 Years"-Special-Editions einiger unserer beliebtesten Kopfhörer auf den Markt bringen, die auch bei ausgewählten Fachhandelspartnern erhältlich sein werden.

Wie hat die Coronakrise das Jubiläumsjahr bisher beeinflusst?

Andreas Sennheiser: Zuerst spürten wir die Auswirkungen der Pandemie in China. Unser Büro dort musste geschlossen werden. Dann standen wir vor der Aufgabe, unsere Lieferketten aufrechtzuerhalten. Gefolgt vom Umsatzeinbruch im Consumer-Geschäft durch die Schliessung des stationären Handels auf der ganzen Welt. Gleichzeitig kam die komplette Veranstaltungsindustrie durch die Absage fast aller Liveevents praktisch zum Erliegen. Dabei haben wir gesehen, wie schrittweise Kontinent um Kontinent von der Situation erfasst wurde. Die Auswirkungen der Pandemie haben einen massiven Einfluss auf unseren Geschäftsverlauf in diesem Jahr – sowohl im Consumer- als auch im Pro-Bereich. Und wir rechnen damit, dass die Coronakrise unseren Umsatz bis ins nächste Jahr hinein negativ beeinflussen wird.

Daniel Sennheiser: Wir müssen Sennheiser entsprechend den veränderten Rahmenbedingungen und neuen Realitäten aufstellen. Dazu gehört auch, Entscheidungen zu treffen, die uns schwerfallen, die aber für die Zukunft unseres Unternehmens unumgänglich sind. Die schwierigsten Entscheidungen sind immer die, die unsere Mitarbeiter betreffen.

Welche Änderungen an der Unternehmensstruktur sind geplant?

Daniel Sennheiser: Wir halten an unseren Kernkompetenzen fest und stärken die Divisionen Professional und Consumer weiter. Dafür werden wir ihre Eigenständigkeit erhöhen und die operative Verantwortung vollständig in die beiden Geschäftsbereiche übertragen. Zudem passen wir in beiden Bereichen unsere Geschäftsmodelle an.

Andreas Sennheiser: Die geplanten Veränderungen wirken sich auf alle Bereiche unserer Organisation aus und haben zur Folge, dass Stellen abgebaut werden müssen. Insgesamt ist geplant, bis Ende 2022 bis zu 650 Stellen weltweit zu reduzieren. Der Abbau soll möglichst sozialverträglich erfolgen. Unter anderem ist geplant, offene Stellen nicht nachzubesetzen und neben Möglichkeiten zu Altersteilzeit und Vorruhestand ein Freiwilligenprogramm und Abfindungsoptionen anzubieten. Es ist uns wichtig, betriebsbedingte Kündigungen so weit wie möglich zu vermeiden und mit den Mitarbeitern individuelle Lösungen zu finden.

Daniel Sennheiser: In unserer 75-jährigen Geschichte haben wir schon mehrfach schwierige Zeiten erlebt. Wir mussten immer wieder neue Perspektiven einnehmen, uns an neuen Anforderungen ausrichten und das Unternehmen transformieren, um Krisensituationen erfolgreich bewältigen zu können und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Dies ist erneut ein solcher Moment.

Womit rechnen Sie für das Gesamtjahr 2020?

Andreas Sennheiser: Im Pro-Bereich sind unsere Kunden teilweise sehr stark und auch längerfristig von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen. Wir gehen davon aus, dass sich die Konzert- und Veranstaltungsbranche erst langsam wieder erholen wird. Einzige Ausnahme dieser Entwicklung ist der Bereich der Studiomikrofone von Neumann, der über unseren Erwartungen liegt.

Daniel Sennheiser: Sennheiser steht seit seiner Gründung vor 75 Jahren für exzellente Klangqualität und aussergewöhnliche Audioerlebnisse – und dafür werden wir auch in Zukunft stehen.

Seit 2013 leiten Andres und Daniel Sennheiser das Unternehmen gemeinsam (v.l., Source: Sennheiser)

Welchen Stellenwert hat das B2B-Geschäft für Sennheiser? 

Andreas Sennheiser: Das B2B-Geschäft ist bei uns in Pro-Audio und Business Communication unterteilt. Beide Bereiche zusammen machen mehr als die Hälfte des Umsatzes aus und zeigen immer wieder die Innovationskraft von Sennheiser, denn unsere Kunden legen Wert auf höchste Qualität und innovative Systemlösungen und spornen uns damit immer wieder an.

Ende der 80er begann Sennheiser ins Ausland zu expandieren. Welche Rolle spielte der Schweizer Markt bisher für das Unternehmen? 

Daniel Sennheiser: Die Schweiz war schon immer ein kleiner, aber sehr interessanter Markt für uns. Die Kunden setzen auf Qualität und sind sehr gut informiert. Das passt sehr gut mit unserem Anspruch überein. Als Unternehmen, das schon immer stark auf Innovation und Qualität setzt, finden wir in der Schweiz eine sehr interessante Zielgruppe.

Und wie sieht es heute aus? 

Daniel Sennheiser: Gerade heute, wo das Angebot immer umfangreicher wird und online viel über internationale Plattformen bestellt werden kann, ist der Fachhandel sehr wichtig – denn hier wird Beratung angeboten. In der Schweiz haben wir die tolle Kombination aus qualitativem Fachhandel und treuen Kunden, die dieses Angebot schätzen.

Seit 2013 leiten Sie das Unternehmen gemeinsam. Wie hat die Zusammenarbeit bisher funktioniert? 

Andreas Sennheiser: Zu zweit zu sein ist ein grosser Vorteil. Dadurch können wir uns gegenseitig austauschen und mit unterschiedlichen Perspektiven auf Dinge schauen. Ganz gleich, ob es um strukturelle Entscheidungen, Investitionsentscheidungen oder personelle Entscheidungen geht – wir haben immer die Möglichkeit, diese aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu bewerten und dann gemeinsam einen Entschluss zu fassen.

Daniel Sennheiser: Dabei ist es uns wichtig, mit unseren Mitarbeitern so offen und transparent wie möglich zu kommunizieren. Auch wenn das bedeutet, dass wir uns damit auch kritischen Fragen stellen müssen. Dennoch möchten wir, dass alle Schritte, die wir gehen, nachvollziehbar sind. So eine intensive Kommunikation ist natürlich in Zeiten einer Pandemie besonders wichtig. Zurzeit informieren wir unsere Mitarbeiter deshalb regelmässig per Video. Das ist unser Weg, sie auch im Homeoffice direkt zu erreichen.

Wie ist es, in einer Branche, die sich so schnell wandelt, für ein Unternehmen mit langer Geschichte tätig zu sein?

Andreas Sennheiser: Die Kundenanwendungen haben sich sehr verändert und wir uns mit ihnen. Am Anfang waren es die Stereoanlagen mit Kabeln, in den 80er-Jahren wurde Musikhören mit dem Walkman mobil – das war zu diesem Zeitpunkt nur durch die Erfindung der offenen Kopfhörer von Sennheiser möglich. Die zweite Welle der Mobilität brachten die iPods und Smartphones. Und jetzt haben wir die dritte Welle, in der alles nur noch über Bluetooth miteinander verbunden ist und Software eine grosse Rolle spielt. Derzeit sieht man das an dem Boom der True-Wireless-Modelle. 

Daniel Sennheiser: Für uns ist zudem AMBEO ein grosser Meilenstein. Dies ist kein Produkt, sondern ein 3-D-Audio-Technologieprogramm, in dem wir viele Forschungsprojekte aus den Bereichen Raumakustik, Schallquellen und -formate sowie Ausbreitung von Schall im Raum zusammengebracht haben. Das Ziel ist es, Sound so wie in der Realität zu erleben. Mittlerweile gibt es dazu von Sennheiser ein ganzes Produkt-Portfolio an Aufnahmegeräten, Software, aber auch Wiedergabegeräten wie der AMBEO-Soundbar, die wir im vergangenen Jahr lanciert haben. Ausserdem haben wir gemeinsam mit Continental im Automotive-Bereich eine völlig neuartige Lösung für immersiven Hörgenuss im Auto präsentiert.

Wo sehen Sie Sennheiser in zehn Jahren?

Andreas Sennheiser: In Zukunft wird es in der Audiowelt viel um objektbasierte Formate gehen. Das heisst, dass wir Audioobjekte virtuell im Raum platzieren und immer weniger von vorgefertigten Formaten ausgehen. Stattdessen überlegen wir, wie sich der Klang im Raum auf die Situation adaptiert. Das ist relevant im Bereich Musik, spielt aber auch in anderen Anwendungsbereichen wie virtuellen Meetings eine Rolle. Viele von uns haben durch das Arbeiten im Homeoffice gemerkt, dass es anstrengend sein kann, mehrere Stunden virtuelle Meetings und Telefonkonferenzen mit bis zu 20 Teilnehmern durchzuführen. Hier hilft eine virtuelle Platzierung der verschiedenen Sprecher im Raum mithilfe unserer Ambeo-Technologie.

Daniel Sennheiser: Solche Projekte erfordern Offenheit für Partnerschaften. Wir haben schon immer gemeinsam mit unseren Kunden, aber auch mit Partnern aus anderen Branchen, neue Lösungen entwickelt und das wollen wir auch in Zukunft tun. Wir wollen innovative Lösungen bieten, mit denen unsere Kunden ihre Kreativität bestmöglich zum Ausdruck bringen können. Und wir wollen einzigartige Hör­erlebnisse schaffen. Sennheiser bleibt "The Future of Audio".

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Persönlich

Andreas Sennheiser wurde 1974 in Zürich geboren. 2004 schloss er an der ETH Zürich seine Promotion zum Thema Kennzahlen und Benchmarking im Supply Chain Management ab. Bevor er 2010 zu Sennheiser electronic wechselte, arbeitete er für die Hilti AG in Liechtenstein und später als technischer Leiter im Produktionswerk Thüringen in Österreich. Am 1. Juli 2013 wurde Andreas Sennheiser gemeinsam mit seinem Bruder Daniel Sennheiser zum CEO ernannt und beide haben damit die Gesamtverantwortung für das Unternehmen übernommen.

Daniel Sennheiser wurde 1973 in Zürich geboren. Bevor er im März 2008 zu Sennheiser electronic wechselte, hatte er für verschiedene Kommunikationsagenturen in München und Zürich gearbeitet, unter anderem als Associate Director of Design & Innovation EMEA für Procter & Gamble.

Seit dem 1. Juli 2013 treiben die beiden Brüder als CEOs gemeinsam die Strategie des Unternehmens voran, innovative Audioprodukte und beeindruckende Sound Experiences für den Endnutzer zu schaffen. (Source: Sennheiser)

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