Den Retail digitalisieren

Shopping 4.0 – wie sieht das aus?

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von Melanie Tschugmall, Nadine Stoyanov

Die Digitalisierung verändert viele Lebensbereiche und macht auch vor dem Retail nicht Halt. Sie bietet Unternehmen viele neue Möglichkeiten - wenn sie wichtige Faktoren nicht aus den Augen verlieren. Für Händler kommt es darauf an, die einzelnen Bausteine richtig zu kombinieren.

Wie kaufen wir in Zukunft ein? Online? Im Laden? Beides? Was erleben wir dabei? Und wie wird das ablaufen? Fragen wie diese beschäftigen nicht nur uns Konsumenten, sondern vor allem Unternehmen und insbesondere Retailer in aller Welt. Damit diese Realität werden, müssen Unternehmen allerdings lernen, ganzheitlich digital zu denken. Tatsächlich sind viele, für die Digitalisierung im Retail, spannende Technologien gerade reif für den Einsatz in der Praxis. Nicht wenige dieser Neuerungen werden in ein paar Jahren Standard sein. Doch in der Praxis stellen wir fest: Viele solcher Projekte bleiben einzelne Leuchttürme. Was fehlt, ist eine einheitliche und übergreifende Strategie. So wird viel Potenzial verschenkt.

Ein Beispiel für eine solche digitale Initiative sind Virtual Mirrors, die gerade in einigen Kaufhäusern getestet werden. Diese bringen zwar eine Menge Aufmerksamkeit und sind damit gut fürs Marketing. Aber darüber hinaus sind sie nicht wirklich relevant für das Geschäft. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn man mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Lieblingsfarben des Kunden auf Basis seiner letzten Einkäufe einblenden oder weitere Produktempfehlungen geben könnte. Das Hauptproblem ist hier: Die Virtual Mirrors sind nicht in eine langfristige digitale Strategie eingebunden, die den Kunden und seine Wünsche in den Mittelpunkt stellt.

Digitalisierung im Retail erfordert ganzheitliches Denken

Wer die Möglichkeiten der Digitalisierung ernsthaft nutzen und das Beste aus ihnen herausholen will, muss aufhören, diese Möglichkeiten isoliert zu betrachten. Er darf nicht nur die Kundenfront sehen, sondern muss mögliche Einflüsse auf die gesamte Struktur, auf Prozesse und die Organisation im Unternehmen sehen. Das allerdings bedingt eine Anpassung der Systemlandschaft, der entsprechenden Prozesse und der Organisationsstruktur – von der Supply Chain bis hin zum Endkundenkontakt.

Entscheidend bei der Digitalisierung im Retail ist es, die richtige Kombination der technischen und analogen Möglichkeiten zu priorisieren und dabei die Bedürfnisse des Endkonsumenten nicht zu vergessen. Hier sehen wir vor allem zwei große Themen, die in Zukunft noch relevanter werden: Smart Data und Supply Chain. Diese beiden Themen befruchten nicht nur, sondern bedingen einander und ermöglichen gemeinsam eine Vielfalt an Services, welche bis vor Kurzem undenkbar war.

Wie bringt Digitalisierung im Retail optimale Ergebnisse?

Dank Daten können Händler ihren Kunden hoch personalisierte Dienstleistungen und Produkte anbieten; dank einer modernen Wertschöpfungskette, können Händler diese Produkte on-demand und nach persönlichen Vorlieben produzieren. Dazu kommen automatisierte und selbst-optimierende Lieferprozesse, die es ermöglichen, diese Produkte innerhalb kürzester Zeit auszuliefern. Die Digitalisierung bringt hier nur optimale Ergebnisse, wenn beide Seiten – das Daten Management und eine ausgeklügelte Supply Chain – aufeinander abgestimmt sind.

Was das Datenmanagement angeht, so zeichnet sich ganz klar ab, dass in Zukunft das Erlebnis des Kunden einen entscheidenden Unterschied ausmacht. Eine Customer Journey aus begeisternden und nahtlosen Erlebnissen über alle Kanäle und Touchpoints hinweg wird immer wichtiger, um als Anbieter überhaupt noch relevant zu sein. Der Anspruch der heutigen sowie auch zukünftigen Konsumenten ist, relevante Informationen, Produktvorschläge und Services genau zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Kanal zu erhalten.

Big Data ist längst im Retail angekommen

Hier hat der Handel die Lösung bereits in der Hand: Schon seit Jahrzehnten werden Konsumentendaten gesammelt. Big Data ist also längst im Retail angekommen. Das Problem: Diese Daten werden oft noch zu einseitig genutzt und betrachtet. Die Händler müssten daraus „Smart Data“ machen, die die folgenden Fragen beantworten: Wann will mein Kunde was? Wie bringe ich ihn dazu, meine Produkte nicht nur als Notwendigkeit zu sehen, sondern als „must have“? Hierfür muss die Kommunikation passgenau auf die Kunden abgestimmt sein, ihre intrinsischen Bedürfnisse triggern und sie begeistern.

In diesem Kontext lässt sich auch eine der eingangs gestellten Fragen beantworten: Ja, wir werden auch in Zukunft in Läden einkaufen. Der Mensch ist immer noch ein soziales, tangibles Wesen, welches über alle Sinne lebt und sich inspirieren lassen möchte. Für Unternehmen bieten ihre Filialen die Chance, den Konsumenten vor Ort abzuholen und ihn mit einem „sinnlichen“ Einkaufserlebnis zu begeistern. Wichtig für dieses Zusammenspiel über alle Kanäle und Touchpoints ist aber auch hier: Das Customer Experience Management muss strategisch im Unternehmen geführt werden und nicht nur an einzelnen Kontaktpunkten.

Shopping 4.0 braucht eine gute Supply Chain

Das gilt natürlich auch für das zweite Standbein der Digitalisierung im Retail: Die Supply Chain. Gerade wenn wir von Personalisierung sprechen, müssen die Prozesse und die Logistik auf die neuen Kundenbedürfnisse angepasst werden. Dabei gibt es unzählige Möglichkeiten, angefangen bei einfachen Automatisierungen bis hin zur Optimierung von end-to-end dank technologischer Innovationen. Ein nützlicher Nebeneffekt dabei: Die heutigen Konsumenten wünschen sich Transparenz und Nachverfolgbarkeit. Sie reagieren empfindlich auf Themen wie Foodwaste etc. Wer dies dank einer optimierten und technisch basierten Supply Chain erfüllen kann, hat wiederum einen Differenzierungsfaktor und kann seine Customer Experience verbessern.

Eine gut funktionierende Supply Chain kann dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und schneller auf eine Nachfragesituation zu reagieren, das Angebot anzupassen und sogar flexibles Pricing bis ins Geschäft ermöglichen. Mittels Predictive Analytics können Unternehmen die Nachfrage präziser vorhersagen, sodass sie die Volatilität reduzieren oder besser verwalten, die Anlagenauslastung erhöhen und mehr Kundenkomfort zu optimierten Kosten bieten. Dabei spielen sicherlich auch Themen wie IoT und Smart Data eine Rolle – als die Vernetzung der Maschinen und einzelnen Komponenten innerhalb der Wertschöpfung.

Vorsprung durch Digitalisierung im Retail

Unsere Aufstellung zeigt: Die einzelnen Bausteine des Shopping 4.0 sind also schon längst vorhanden – sie müssen nur sinnvoll kombiniert werden. Denn nur so gelingt es, das Ziel zu erreichen, für die Kunden nahtlose Erlebniswelten zu kreieren, die für alle Beteiligten Mehrwert schaffen und langfristig die Wertschöpfung optimieren.

Wem das als erstes gelingt, der kann die entscheidenden Fragen zum Shopping 4.0 als erstes Beantworten – und sich somit auch einen wertvollen Vorsprung im Wettbewerb um die Gunst der Kunden sichern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.zuehlke.com.

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