Adressierte Werbung und TV

Zattoo personalisiert das Fernsehen

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Zattoo glaubt an die Beständigkeit des Fernsehens, so lange es mit der Zeit geht. An einer Veranstaltung präsentierten die Macher hinter dem TV-Streamingdienst ihre Neuheiten. Dazu gehören die personalisierte Programmempfehlung, die adressierte Werbung und die Sprachsteuerung.

Zattoo hat am 26. September nach Zürich zu einem Presseevent geladen, um verschiedene Neuerungen und die Stossrichtung des TV-Streamingdienstes vorzustellen. Stefan Lietsch, Chief Technology and Product Officer bei Zattoo, erläuterte die Stossrichtungen sowie die dahinter stehenden Motive und Unternehmensvorstellungen. Das Streamen beispielsweise von Musik über Spotify oder von Serien per Netflix hätte zum Streaming-Zeitalter geführt. Dabei sei das Fernsehen nicht obsolet, es müsse nur mit der Zeit gehen und sich adaptieren.

Zattoo wolle den Nutzer ins Zentrum stellen, sich auf die Essenz des Fernsehens konzentrieren und dieses zeitgemäss ausbauen. Der TV-Streamingdienst verfolge deshalb das progressive, personalisierte und adressierte Fernsehen und nicht das veraltete Broadcasting. Dazu diene zum Beispiel die Highlight-Page der Zattoo-App, auf der die Nutzer momentan beliebte Inhalte auswählen können. Das Unternehmen habe evaluiert, dass TV-Nutzer oftmals wenig Zeit in die Sendungssuche investieren, sondern Inhalte einfach, schnell und bequem angeboten bekommen möchten. Lietsch resümiert Zattoos Zukunftsvisionen mit den Worten: "Zattoo soll so einfach wie möglich und eine runde, aufs Fernsehen zugeschnittene App sein".

Stefan Lietsch, Chief Technology and Product Officer, Zattoo. (Source: Netzmedien)

Als nächstes ziele man die Verbreitung von UHD an, jedoch sei diese durch die hohen Übertragungsraten von mindestens 20 Megabit pro Sekunde und die rechenlastigen Komprimierungsmethoden momentan noch schwierig umzusetzen.

Zattoo verfolge ausser dem privaten Nutzer auch verschiedene B2B-Kooperationen mit Netzbetreibern wie Salt. Dabei nutze man die existierende IP-Infrastruktur als Basis. Der seit 2012 verfolgte B2B-Bereich umfasse aktuell 20 Geschäftskunden aus Europa und den USA, die jeweils über mehrere Millionen Endkunden verfügten. Anfang dieses Jahres eröffnete Zattoo einen Standort in Singapur eröffnet um seine Präsenz in der Asien-Pazifik-Region auszubauen.

Als drittes Standbein neben B2C und B2B nutzt Zattoo den Ads-Bereich, der einerseits klassische digitale Formate wie Display-Werbung auf der Zattoo-Plattform und andererseits mittlerweile auch adressierte Werbung bietet.

Bequem, einfach und personalisiert soll Zattoo sein

Product Manager Stefan Tiess führte als nächstes in einige Innovationen Zattoos ein. Zum Einen habe das Unternehmen die Voice Control, das bedeutet eine Sprachsteuerung als Prototyp implementiert. Zattoo entwickle keinen eigenen Skill sondern die Sprachsteuerung der Zattoo-App funktioniere direkt über Google Home oder Amazon Echo. Zattoo verbinde sich mit den zwei kompatiblen Sprachassistenten und der Anwender könne den Fernseher so intuitiv und bequem steuern.

Der Nachteil bei dieser Kooperation mit bestehenden Sprachassistenten sei die Beschränkung auf von Alexa oder Google Home unterstützte Sprachbefehle. Ferner sei die Steuerung nur auf Hochdeutsch möglich. Aktuell unterstütze Zattoo Spulen, Kanalwechsel zu einem spezifischen Sender, Pausieren und das Zappen zwischen den Kanälen per Sprachbefehl, jedoch gebe es nicht die Möglichkeit auf inhaltliche Sprachbefehle, wie "Zeige mir die Tagesschau auf ARD". Das Unternehmen will die Sprachsteuerung Ende 2018 lancieren.

Als Zweites stellte Tiess die neue personalisierte Programmempfehlung vor, die ab dem 24. September verfügbar sei. Beim linearen Fernsehen müssten im Gegensatz zu Netflix die Inhalte den Nutzer finden, da es eine viel zu breite, nicht überschaubare Auswahl gebe. Netflix konzentriere sich einzig auf Serien, während das Fernsehen sehr viele Bereiche abdeckt. Deshalb seien individuelle Empfehlungen, vor allem ohne vom Nutzer bewusst angelegte Profile, umständlich. Zattoo habe jedoch einen Algorithmus entwickelt der Personen anhand des Nutzerverhaltens erkenne und somit Profile im Hintergrund anlege; den sogenannten Recommender. Der Recommender verfolgt, welche Geräte bevorzugt genutzt und wann welche Sendungen geschaut werden.

Eine weitere Schwierigkeit sei die im Fernsehen nicht gewollte, aktive Interaktion, das heisst anders als bei Youtube oder Facebook könne der Algorithmus nur aufgrund von passivem Nutzungsverhalten über Vorlieben entscheiden. Aktuell sei der Algorithmus mit der Bezeichnung Machine Learning Modell in die Premium- und Ultimate-Accounts integriert. Zurzeit verfolgt der Recommender die Live- und die Aufnahme-Nutzung sowie die 30 meistgesehenen Sender des Nutzers. Die Programm-Empfehlungen sind in Kategorien unterteilt: Doku-Sendungen, Serien, Entertainment, Kinder-Programm und aktuell laufende TV-Inhalte. Tiess führte an seinem eigenen Nutzerverhalten die von Zattoo getroffenen Empfehlungen vor. Er fühle sich persönlich von dieser Auswahl angesprochen.

Product Manager Stefan Tiess und die personalisierte Programmempfehlung. (Source: Netzmedien)

Des Weiteren verfügen die Premium- und Ultimate-Abos neu über eine Live-Pause von bis zu 90 Minuten. Die Live-Pause basiert auf NPVR (network-based-personal-video-recording). Diese Technologie zeichnet beim Pausieren die TV-Sendung vorübergehend auf und löscht die gebufferten Inhalte sobald der Pausemodus beendet ist. "Mit der Live-Pause gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Personalisierung des TV-Erlebnisses", sagte Jörg Meyer, Chief Officer Content und Consumer bei Zattoo.

Mit adressierter Werbung einen Mehrwert für Alle schaffen

Ralf Kruthoff-Brüwer, Director Revenue & Conversion, klärte im folgenden Referat über die adressierbare Werbung und die von Zattoo entwickelte Dynamic Ad Insertion auf. Besonders für TV-Werbung gelte zurzeit, dass zwar eine hohe Qualität bestehe, jedoch die Ausstrahlung zu generalisiert geschehe. Die Digitalisierung des Fernsehens öffne deshalb das Tor für die personalisierte Werbung und die von Zattoo dafür entwickelte Dynamic Ad Insertion kombiniere die Vorteile der TV-Werbung und der digitalen Werbung, nämlich das Branding, das Targeting und das Erreichen einer grossen Zielgruppe. Verschiedene Studien hätten eruiert, dass Nutzer besonders die Irrelevanz der Werbung stört, das heisst wenn sich der Nutzer nicht persönlich angesprochen fühlt und das beworbene Produkt diesen nicht tangiert.

Jedoch bräuchte es für die Verbreitung dieser Technologie eine Kooperation mit den TV-Sendern, da Zattoo den genauen Zeitpunkt der zu ersetzenden Werbeblöcke kennen müsse um die personalisierten Werbeclips nahtlos einzubinden. Ein Beispiel wäre hierbei, dass Zattoo für einen Mann eine Werbung eines Männerrasierers und für eine Frau eines Frauenrasierer ausstrahle. Die Technologie funktioniere auf allen Devices, das Targeting funktioniere aufgrund von passiv gesammelten Informationen. Ob dies der gleiche Algorithmus wie beim Recommender ist, liess Kruthoff-Brüwer offen. Falls Werbeclips zu kurz seien, ergänze Zattoo diese mit zur Länge passenden Clips damit dem Nutzer der Tausch nicht auffalle. In der Schweiz nutze zurzeit Rocket Beans als einziger Sender die Dynamic Ad Insertion, jedoch sei Salt auch mit anderen Sendern im Gespräch. Denn Kruthoff-Brüwer insistiert: "Die adressierte Werbung hat für alle Beteiligten einen Mehrwert."

Ralf Kruthoff-Brüwer, Director Revenue & Conversion bei Zattoo. (Source: Netzmedien)

Weg vom Nischengeschäft, hin zur TV-Substitution

Zum Abschluss präsentierte Oliver Knappmann, Chief Sales Officer, den Streaming Report 2018, der das Nutzerverhalten und die Vorlieben der Zattoo-Nutzer auslegt. 64 Prozent der Zattoo-Nutzung findet auf mobilen Geräten statt, jedoch wachse die Big-Screen-Nutzung aufgrund von Smart-TV, dafür nehme die Nutzung am PC sowie Notebook ab. Zattoo bewege sich somit von den ursprünglichen Zielgeräten weg, hin zu den grossen Bildschirmen und der reinen TV-Substitution. In der Schweiz werde das Internet mit 59 Prozent primär für Youtube genutzt, jedoch seien besonders die Zahlen des Streamings von Live-TV mit 54 Prozent im Vergleich zu anderen Ländern hoch. Die Video-On-Demand-Nutzung hingegen sei durch gesetzliche Restriktionen in der Schweiz mit 27 Prozent eher weniger verbreitet.

Genutzte Geräte für Zattoo und per Internet genutzte TV-Angebote. (Source: Zattoo)

Der wichtigste Vorteil des TV-Streamings sei für die Nutzer das zeitversetzte Schauen, die Multi-Device-Fähigkeit und kürzere Vertragslaufzeiten. Bei Zattoo belaufe sich diese auf einen Monat, bei grossen Netzbetreibern hingegen auf mindestens 3 Monate. Da über 30 Prozent der Befragten das Schweizer Fernsehen im Urlaub vermissen, habe Zattoo neu die Möglichkeit eingebaut, Aufnahmen im Ausland zu schauen. Jedoch gelte dies nur für Premium- und Ultimate-Abonnenten.

Ausserdem teilte Zattoo in einer Mitteilung mit, dass Tamedia seine Anteile an Zattoo von 29 Prozent auf über 50 Prozent ausgeweitet hat und somit Mehrheitseigner ist.

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