Porträt

"Ich gehe nicht arbeiten, ich gehe basteln"

Uhr

Am Basler St. Johanns-Ring schwimmt ein Reparateur gegen den Strom: Wiederverwertung, faire Beratung, praktisch kein Verkauf. Eine Erfolgsstory.

Werner Schällmann, Reparaturland Basel. (Quelle: Netzmedien)
Werner Schällmann, Reparaturland Basel. (Quelle: Netzmedien)

Werner Schällmann hat den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft. Der 57-Jährige ist mit seinen Elektro-Reparaturen komplett ausgelastet. Diverse Zeitungen berichteten darüber, Schällmann war bei "Aeschbacher" und in "10vor10" zu sehen. Sein "Reparaturland Basel" floriert. Für Schällmann ist es ein grosser Erfolg nach einer längeren Durststrecke. Denn vorher war er fast 40 Jahre lang in einer Kaderfunktion in der Basler Chemieindustrie tätig, bis der Betrieb seine Produktionsstandorte in Basel schloss und Schällmann für eineinhalb Jahre arbeitslos war. 2012 riet ihm schliesslich das Arbeitsamt zur Selbstständigkeit. Dann ging alles sehr schnell: "Eine Woche später hatte ich diesen Laden hier, die Woche darauf lernte ich in einem Kurs für selbstständig Erwerbende einen Grafiker kennen. Mit ihm tüftelte ich den Firmennamen und das Logo aus und weitere zwei Monate später ging der Laden auf."

Vernünftiger Service an erster Stelle

"Reparieren statt entsorgen" steht auf der Tafel seines kleinen Geschäfts am Basler St. Johanns-Ring. Der Slogan ist gleichzeitig Geschäftskonzept. Schällmann ist in erster Linie Reparateur: Küchenmaschinen, Toaster, Rasierapparate, Stereoanlagen, Plattenspieler, Unterhaltungselektronik: Bis zur Decke stehen in seinem Laden alle nur erdenklichen elektrischen Geräte, die er wiederherrichtet. Sein Fachwissen eignete sich Schällmann selbst an: "Mit acht Jahren begann ich, mit meinem ersten Elektrobaukasten zu basteln. Mit etwa 13 Jahren baute ich meine erste Lichtorgel, vom Zeichnen der Platine über Bohr- und Ätzarbeiten bis zum Einbau ins Gehäuse. Alles Learning by doing. Ich holte mir im Antiquariat die entsprechenden Fachbücher und legte einfach los."

Seinen Kunden verkauft Schällmann nur Ersatzteile und Occasionen. So komme er gar nicht erst in Versuchung, ihnen etwas anzudrehen. Denn ein guter Service stehe für ihn an erster Stelle. So will er sich von der Konkurrenz abheben: "Viele haben noch nicht begriffen, dass man heute als Detailhändler oder Kleinbetrieb nur überleben kann, wenn man vernünftige Dienstleistungen anbietet", sagt Schällmann. "Ich mache das und ich habe eine Unmenge an Stammkunden, die diesen Service sehr schätzen." Man merkt schnell, wie viel Wert er auf die ehrliche Beratung legt. Viele sogenannte Fachgeschäfte hätten gar kein Interesse mehr, etwas zu reparieren, verlangen aber trotzdem horrende Beträge für Kostenvoranschläge.

Kreative Lösungen

Bei den Herstellern sei es nicht anders. Viele würden keine Ersatzteile mehr liefern, bestünden darauf, dass man das Gerät einschickt und bieten dem Kunden dann ein Neugerät an. Doch Schällmann weiss sich zu helfen: "Ich habe meine Ersatzteile von Flohmärkten und ausgeschlachteten Geräten, oder ich bestelle sie via Ebay in China oder Singapur. Ich nutze die Globalisierung wie andere auch", gibt er zu.

Nicht nur bei der Beschaffung der Ersatzteile zeigt sich Schällmann kreativ; auch seine Reparaturen fallen manchmal ungewöhnlich aus. Etwa, wenn er abgebrochene Halter an Druckerklappen mit Klettband versieht. Oder wenn ein Ersatzteil nicht mehr zu bekommen ist. Schällmann hält eine durchsichtige Plastiktüte mit einem grünen Schlauch in die Luft. "Das ist eine Art Keilriemen. Den kann ich etwa für Nähmaschinen oder als Antriebsriemen für Filmprojektoren gebrauchen. Einfach auf die passende Länge abschneiden, verschweissen und einsetzen, und das Ding läuft wieder." Hier liegt für Schällmann der Reiz seiner Arbeit: "Wer kann schon sein Hobby zum Beruf machen? Ich gehe nicht arbeiten, ich gehe basteln. Das ist doch auch etwas."

Tags
Webcode
7737

Meist gelesen

» Mehr News