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Vernetzt überholt analog

Uhr | Aktualisiert
von Fabian Pöschl

Die digitale Trendwende hat im Schweizer Audiomarkt voll eingeschlagen. "Connect" heisst die ­Lösung – vernetzte Produkte finden reissenden Absatz. Doch in manchen Segmenten scheint das Hoch trotz Netzwerkfunktion schon wieder vorbei zu sein.

Die Stars im Audio-Markt: Bluetooth-Speaker, hier der Grundig GSB 600 NFC mit Miss IFA. (Quelle: Grundig)
Die Stars im Audio-Markt: Bluetooth-Speaker, hier der Grundig GSB 600 NFC mit Miss IFA. (Quelle: Grundig)

Die Stimmung im Schweizer Audiomarkt dürfte grossartig sein. Zumindest bei der Umsatzentwicklung scheint alles im grünen Bereich. 6,1 Prozent Umsatzwachstum, melden die Marktforscher von GfK Switzerland für das vergangene Jahr. Zwar sagten die Analysten dem Markt zuvor noch stärkeres Wachstum voraus, doch immerhin generierte die Kategorie Static Audio im Schweizer Handel im vergangenen Geschäftsjahr 184 Millionen Franken Umsatz. 2013 waren es 10 Millionen Franken weniger. Die Anzahl der verkauften Geräte schoss im vergangenen Jahr mit 13,4 Prozent noch stärker als der Umsatz in die Höhe. 426 000 Audiogeräte verkaufte der Handel. Das entspricht einem Plus von 50 000 Stück im Vergleich zum Vorjahr.

Im Audiomarkt stimmt der Ton, nachdem es 2013 noch ein leichtes Minus gab. Der Gesamtumsatz lag vergangenes Jahr wieder in einem Bereich, der mit jenem vor zehn Jahren vergleichbar ist. Doch das leichte Minus im Jahr 2013 scheint kein Ausrutscher zu sein, die Freude nach dem Anstieg 2014 verfrüht. Die Vorzeichen für die weiteren Jahre sind negativ. So erwartet GfK Switzerland für das laufende Jahr ein Umsatzminus von satten 7,4 Prozent. Im nächsten Jahr sollen es nochmals 2,8 Prozent weniger sein. Dies, obwohl der Schweizer Handel die nächsten zwei Jahre mehr Geräte verkaufen soll als im Jahr zuvor.

"Connected" muss es sein

Deshalb lohnt sich ein Blick auf die einzelnen Produktkategorien. Machten traditionelle Home-Audio- und Heimkinosysteme einst den Grossteil im Audiomarkt aus, müssen sie heute vernetzt sein, sonst geht nichts mehr. Die Verkaufszahlen von Geräten ohne Vernetzungsmöglichkeit sind fast schon in die Bedeutungslosigkeit gefallen. Sorgten Home-Audio- beziehungsweise Heimkinosysteme 2004 noch für einen Umsatz von 83 Millionen beziehungsweise 65 Millionen Franken, waren es im vergangenen Jahr noch 18 Millionen beziehungsweise 22 Millionen Franken. Dieses Jahr geht der Rückgang weiter. Prognostiziert sind 8 respektive 13 Millionen Franken Umsatz, im ersten Halbjahr 2015 fiel er um über die ­Hälfte. Das soll auch nächstes Jahr so weitergehen. Die Kundschaft ist praktisch nicht mehr interessiert an Audio ohne Internetzugang, das belegt auch die Anzahl verkaufter Geräte. Die Zahlen sind ebenfalls rückläufig wie der ­Umsatzwert.

Connected Audio muss es sein beim Home-Audio-System. Vernetzungsfähige Geräte sind zuhauf zu sehen, wie sich auch an der diesjährigen IFA in Berlin zeigte. Schon im Vorjahr sprach der GfU-Vorsitzende Hans-Joachim Kamp an der Messe von einer Hochstimmung, die im Audiosegment dank Multiroom herrsche. Das Smartphone darf dabei natürlich nicht unerwähnt bleiben. Die Verkaufszahlen schiessen analog zum Smartphone-Boom und dem Vernetzungstrend in die Höhe. Der Umsatz mit vernetzten Home-Audio- und Netzwerkmusik-Systemen stieg ab 2007 kontinuierlich an. Im Jahr 2013 ging es dann etwas schneller voran. Im vergangenen Jahr übertrafen "smarte" Home-Audio-Systeme mit 21 Millionen Franken Umsatz erstmals ihre Pendants ohne Vernetzungsmöglichkeit. Diese Entwicklung scheint sich fortzusetzen. Auch für dieses und das nächste Jahr prognostiziert GfK Switzerland starkes Wachstum. Doch das Angebot scheint mittlerweile gross, die Preise fallen. Die Analysten regis­trierten im ersten Halbjahr bei diesen Geräten einen zweistelligen Rückgang beim durchschnittlichen Verkaufspreis im Schweizer Handel.

Die Zahl vernetzter Geräte im Audiosegment wird weiter stark steigen. Das glaubt auch Dinesh Paliwal, Vorsitzender, Präsident und CEO von Harman. Er sagte an seiner IFA-Keynote, dass sich die Anzahl vernetzter Geräte bereits im nächsten Jahr auf 600 Millionen verdoppeln werde. "Smart Audio hat gerade erst angefangen", sagte Paliwal. Der Audio-­Einfluss nehme in allen Lebensbereichen zu. Ob das gute Nachrichten für den Audiomarkt sind, ist unklar. Mit dem wachsenden Angebot dürften die Preise weiter fallen.

Berg- und Talfahrt bei den Lautsprechern

Natürlich zählt GfK Switzerland zum Audiomarkt ausser Audio-Home- und Home-Cinema-Systemen mit oder ohne Vernetzungsmöglichkeit auch andere Produktkategorien dazu, bei denen sich ein genauerer Blick auf die Verkaufsentwicklung lohnt. Lautsprecher sind so ein Beispiel. Ihr Umsatz legte vergangenes Jahr stark zu, um 12 Millionen auf 59 Millionen Franken. So hoch lag der Wert noch nie in den vergangenen zehn Jahren. Dieses und nächstes Jahr soll die positive Entwicklung aber schon wieder ins Negative drehen. Bereits im ersten Halbjahr 2015 fielen die Umsätze um 11 Prozent, die durchschnittlichen Verkaufspreise um 12 Prozent.

Interessant ist die Entwicklung innerhalb des Segments der Lautsprecher. Der Anteil an Front-/Stereo-Lautsprecher im Lautsprechersegment nahm in den vergangenen zwei Jahren von fast der Hälfte auf exakt ein Drittel ab. Dafür steigt der Anteil an Soundbars im Lautsprecher­bereich stark an. Machten diese im ersten Halbjahr 2013 noch etwas mehr als ein Viertel aus, waren es im ersten Halbjahr 2015 schon 45 Prozent. Die Verkäufe mit Soundbars florieren. Von Januar bis August 2013 verkaufte der Schweizer Handel noch 14 300 Geräte, im gleichen Zeitraum 2015 waren es bereits 36 400 Stück. Der Umsatz fiel aber im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut 300 000 Franken auf rund 13,3 Millionen Franken. GfK Switzerland macht darauf aufmerksam, dass die Umsätze mit Soundbars in den Sommermonaten 2015 nochmals stark abgenommen hätten. Im Juni sank der Umsatz gar um fast ein Drittel. Auch dieser Umstand dürfte sich mit sinkenden Verkaufspreisen erklären lassen.

Während Soundbases wie schon im Zeitraum von Januar bis August 2014 nicht ein Fünftel des Anteils aller Soundbars ausmachen, steigt die Bedeutung von Soundbars mit Subwoofern im Markt. Mit 48,4 Prozent machten sie fast die Hälfte des Gesamtumsatzes von Januar bis August 2015 aus.

Bluetooth-Speaker sind gefragt

Die wohl grösste Freude bereitet dem Markt zurzeit die Kategorie der Docking-/Mini-Speaker. Von Januar bis August 2015 stiegen Umsätze wie Verkaufszahlen im tiefen zweistelligen Bereich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mehr als 340 000 Geräte verkaufte der Schweizer Handel im ersten Halbjahr inklusive August im Wert von fast 38 Millionen Franken. Mehr als vier von fünf Geräten waren dabei Bluetooth-fähig. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil erst bei 40 Prozent. Damals waren Dockingstations noch vor allem für iOS-Geräte relevant.

Mittlerweile sind Bluetooth-Speaker in allen Formen und Farben erhältlich. Unzählige Audio-Brands führen mindestens einen solchen Speaker im Sortiment. An der IFA in Berlin wie auch an der Expo CE in Montreux waren die kleinen Speaker allgegenwärtig. Entsprechend dem Smartphone-Boom dürfte die Entwicklung weiter vorwärtsgehen.

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