One-to-One

"Der Massenmarkt geht Richtung TV"

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AV Distribution hat dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen gefeiert. Mittlerweile gehört das ­Unternehmen zu den grössten AV-Distributoren im Land. CEO Klaus Brockhage blickt zurück und ­erklärt, welche Bedeutung der Projektor im Consumer-Umfeld noch hat.

Sie sind seit 20 Jahren CEO von AV Distribution, haben das Unternehmen selbst gegründet. Würden Sie das heute nochmals tun?

Klaus Brockhage: Ich habe 1995 das Richtige getan. Wie ich es heute angehen würde, weiss ich nicht. Ich hätte heute vielleicht einen anderen Fokus mit einer aufgrund der geänderten Verhältnisse anderen Betrachtungsweise, hätte möglicherweise dank der vielschichtigeren Möglichkeiten eine andere Ausbildung. Aber eigentlich ist jedes Jahr wie ein Neuanfang mit vielen Überraschungen. Man muss sich jedes Jahr Gedanken machen, wie man es angeht und welche Impulse neu gesetzt werden könnten. Was es als Unternehmer braucht, ist ein gutes Gespür, man muss innovativ sein.

Was wäre das für ein neuer Fokus?

Der technische Support spielt eine immer grössere Rolle, weil die Produkte sehr technikbasiert sind. Das muss man dem Benutzer vermitteln. Deshalb haben wir bei AV Distribution unseren Technikstab in den letzten zwei Jahren auf drei Techniker ausgebaut. Das bringt uns momentan unseren Erfolg.

Was ist heute anders im Vergleich zu den Anfängen von AV Distribution?

Der Markt hat sich massiv gewandelt, es gibt mehr Anbieter, mehr Produkte und eine enorme Preisverdrängung. 1995 bestand das Sortiment aus Leinwänden, Möbeln und Hellraumprojektoren. Letztere gibt es heute praktisch nicht mehr. Projektoren kosteten vor 20 Jahren zwischen 12'000 und 16'000 Franken und hatten vielleicht 1000 Lumen. Heute gibt es Beamer mit 2000 Lumen für 700 Franken oder weniger. Zudem sind heutzutage viele Informationsquellen auffindbar, in denen nicht mehr das Produkt, sondern der Preis im Vordergrund steht.

Welche Konsequenzen hat die Preisverdrängung?

Man muss hellwach bleiben! Produktkenntnisse sind enorm wichtig, denn man muss Preisunterschiede erklären können. Wichtig ist das richtige Produkt im richtigen Umfeld mit dem grösstmöglichen Nutzen für den Anwender. Wir bieten dem Fachhandel Argumentationshilfe.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir feiern im Professional-Bereich grossen Erfolg mit Laserprojektoren. Fachhandel und Anwender sind sich mittlerweile bewusst, dass Laser- gegenüber Lampenprojektoren zwar etwas teurer sind, aber dafür keine Wartungskosten verursachen. Wir haben vier Jahre Erfahrung mit Laserprojektoren und bekommen keine negativen Rückmeldungen.

Es finden sich immer weniger Consumer-Projektoren am POS. Verdrängt der Fernseher den Projektor im Consumer-­Bereich vollständig?

Das hat viel damit zu tun, dass die Produktpräsentation am POS mit TV besser gelingt. Es ist nun einmal einfacher, einen Fernseher zu zeigen und anzubieten. Zum Beamer gehört eine Leinwand dazu, man muss sich Gedanken zum Einsatzort und zur Datenübertragung machen. Ich glaube deshalb, dass der Massenmarkt weiter Richtung Fernseher geht. Der Heimkinomarkt ist aber auch nicht unser wichtigster Markt. Wir führen keinen Projektor unter 1000 Franken.

Und was will der Kunde?

Es ist Tatsache, dass der Projektor für den täglichen Gebrauch nicht so geeignet ist wie der Fernseher. Die Aufwärmzeit bei Lampenprojektoren und die Bedingungen der Lichtverhältnisse sind zu grosse Einschränkungen für normale Wohnverhältnisse. Aber wer Platz und Geld hat, gönnt sich ein dediziertes Heimkino. Das richtige Kinofeeling kommt nun einmal erst mit einem Projektor auf, wenn das Licht von hinten kommt.

Was versprechen Sie sich von neuen Technologien wie HDBaseT für den Projektormarkt?

Sehr viel, da gibt es noch viel Potenzial! HDBaseT ist praktisch, man muss nur ein Kabel ziehen und kann alles Mögliche damit machen, selbst der Strom lässt sich über diese Strecke führen. Das vereinfacht die ganze Installationsarbeit massiv. Wir setzen diese Signalübertragungsmethode dank unserem Partner Atlona erfolgreich um. Dass wir es gut machen, zeigt auch unsere Auszeichnung von Atlona als weltweit bester Distributor 2014.

Sie haben Atlona 2012 in der Schweiz aufgebaut. ­Wieso haben Sie sich für den Hersteller aus den USA entschieden?

Weil Atlona damals weltweit auf Fachhandelsvertrieb umstellte. Atlona überzeugte mich mit neuen Ideen und Qualitätsprodukten. Das Unternehmen ist vertrauenswürdig, zuverlässig und hört auf den Markt. Auch wir geben Inputs, die Atlona analysiert, ernst nimmt und auch umsetzt. Neue Technologien bringen immer eine Neuausrichtung am Markt, die für neue Anbieter gute Chancen ergeben, dies trifft ganz sicher für Atlona zu. Wir konnten dank Atlona im Signaldistribution-Segment sicher einigen Boden gutmachen und uns am Markt positionieren.

Wenn HDBaseT die Installationsarbeit vereinfacht, braucht es den Fachhandel dann noch?

Ja! In der Schweiz ist der Qualitätsstandard so hoch, dass es für Feinjustierungen den Fachhandel braucht. Selbst wenn man nur Computersignale überträgt, gibt es viele Störfaktoren. Nicht fundiert ausgebildete Personen sind schlicht überfordert, manche Fehler zu lokalisieren.

Sie sagten einmal, Sie wollen sämtliche auf dem Markt gängigen Projektionstechnologien anbieten. Wie weit sind Sie damit?

Das haben wir erreicht. Wir haben LCD- und DLP-Projektoren, Canons Xeed-Technik und SXRD von Sony. So sind bei uns alle Technologien vertreten.

Was ist Ihre Lieblingstechnologie?

Es geht um die Anwendung. Für den normalen Tagesgebrauch ist LCD gut. Früher wurde DLP für die schlechte Farbtreue kritisiert, hat diesbezüglich aber stark aufgeholt.

Sie listen seit April BenQ. Was versprechen Sie sich ­davon?

Das ist noch im Aufbau. Wir erarbeiten uns im Installationsbereich erst die Akzeptanz für diesen Brand. Da ist die DLP-Technologie wegen der angesprochenen Probleme bei der Farbtreue noch nicht so bekannt. Aber wenn man sieht, wie DLP-Geräte 10 000 Lumen und mehr haben, nimmt die Akzeptanz zu.

Wie lange dauert diese Aufbauphase noch?

Erfahrungsgemäss bis zu anderthalb Jahre. Es ist ja ein Verdrängungsmarkt, also müssen die Produkte etwas haben, was die anderen nicht haben. Das war etwa bei Canon auch der Fall. Als wir die Marke aufgebaut haben, war die Xeed-Technologie etwas Besonderes, womit wir den Markt überzeugten. Dazu kam, dass Canon dank der Erfahrung im Fotobereich ein Kurzdistanz-Objektiv entwickelte, das sonst keiner hat.

BenQ ist ja vor allem im Consumerbereich bekannt. Wie breit ist Ihr Sortiment?

Wir haben nicht die ganze BenQ-Palette. Unser Sortiment beginnt erst ab Auflösung WXGA und 3500 Lumen. Wir sehen starke Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit BenQ im Bereich Display/Digital Signage. In diesem Gebiet wollen wir BenQ starkmachen.

Was braucht es für den Fachhandel, wenn er in diesem Bereich aktiv werden will?

Vor allem braucht es den Mut, neue Felder zu betreten. Wir bieten seit Jahren eine Software für Digital Signage an. So offerieren wir die komplette Lösung. Mein Eindruck ist, dass der Fachhandel bei Neuem eher zögerlich ist. Wir unterstützen ihn aber beispielsweise mit Schulungen.

Lohnt es sich für den Fachhandel jetzt noch, auf Digital Signage zu setzen?

Ja, wenn ich sehe, wie präsent das Thema in anderen Ländern ist, wird mir bewusst, wie stark man das in der Schweiz noch ankurbeln könnte. In jedem Dorf gibt es eine Bäckerei und einen Metzger. Das sind potenzielle Kunden von Digital Signage. Die können die Schilder für Informationen zum Brot des Tages, zum Wochenangebot und vielem mehr nutzen. Digital Signage muss nicht teuer sein. Es braucht einen Monitor und eine Software. Lediglich ein Mitarbeiter beim Bäcker sollte sich damit auseinandersetzen, den Rest macht der Fachhändler.

Welche Marken fehlen Ihnen nun noch im Sortiment?

Spontan würde ich sagen: keine. Ich halte meine Augen natürlich immer offen, aber wir haben ein gutes Sortiment. Man sollte aufpassen, dass es nicht überladen ist. Wichtiger als ein breites Sortiment ist, dass man die Produktneuheiten zeitnah auf den Markt bringt.

Gibt es neue Produktkategorien, in die Sie einsteigen wollen?

Wir bauen derzeit die Distribution für die Firma AV Stumpfl für den Bereich Medienserver, der Video- und Audio-Inhalte vermischt, auf. Dafür gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, etwa im Eventbereich. Wir haben derzeit generell viel damit zu tun, das Zusammenspiel von Produkten zu vereinfachen. Wir haben etwa eine Raumsteuerung im Sortiment, die kontinuierlich weiterentwickelt wird. So funktioniert das Zusammenspiel von Projektor und Signalquelle stets besser und neue Möglichkeiten entstehen. Das sind keine geldintensiven Investitionen, wie das bisher immer wieder angenommen wurde. Deshalb müssen wir das Bewusstsein dafür stärken.

Wie unterstützen Sie den Fachhandel?

Wir arbeiten nur mit dem Fachhandel zusammen. Das ist in Stein gemeisselt. Wir haben einen Aussendienst, der den Fachhandel vor Ort über neue Produkte informiert und auch bei Endkundengesprächen fachkompetent mithilft. Wir bieten auch regelmässige Schulungen und haben dafür ein Kompetenzzentrum aufgebaut. Darin sind alle möglichen Installationen aufgebaut, das ermöglicht praxisnahe Erfahrungen. Wir zeigen nicht nur Slides.

Was raten Sie dem Fachhandel?

Niemals den Kopf in den Sand zu stecken. Wer innovativ ist, wird immer wieder eine neue Chance für Geschäftsfelder finden.

Wie sieht Ihr privates Heimkino aus?

Ich komme gar nicht so oft dazu, Filme zu schauen, weil ich viel arbeite. Ich habe zuhause eine Leinwand installiert. Früher nahm ich manchmal ein Demogerät mit nach Hause. Aber heute sehe ich aus Bequemlichkeit oft fern per TV-Gerät.

Persönlich

Klaus Brockhage ist CEO und Gründer von AV Distribution. Der 61-Jährige ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist Grossvater. Nach seiner kaufmännischen Berufslehre wurde er technischer Kaufmann. Brock­hage absolvierte zudem Ausbildungen als Marketingplaner und Betriebsökonom. Seine Hobbys sind Reisen, Eishockey, Skifahren, Filme und Fotografie.

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