Porträt

Kunden emotional fesseln

Uhr | Aktualisiert

Wie kann ein Fachhändler im Einzugsgebiet von Zürich bestehen? Wie kann er Kunden in den Laden holen und ihnen auch etwas verkaufen? Marc Manser fand eine Antwort.

Bassersdorf, fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt, direkt an der Bahnhofstrasse. Hier hat Marc Manser seinen Laden. Media@Home steht über dem Eingang. Wer den Laden in dem knallig roten Neubau durch die gläserne, automatische Schiebetür betritt, findet sich in einem langen, schmalen Gang wieder. Geschickt angeordnete Spots setzen mit gedämpftem Licht zur Linken und zur Rechten des Gangs Digitalradios, Dockingstations und Bluetooth-Lautsprecher in Szene. Marken wie Bose oder Ultimate Ears sucht man vergebens. In den Regalen stehen Geräte von Piega, Revox, Ruark, Geneva. Der Gang soll Emotionen wecken. Die Produkte seien schön anzusehen, sie würden das "Das-will-ich-haben-Gefühl" auslösen, sagt Manser. Die Platzierung am Eingang hat aber einen weiteren Grund.

An einem anderen Ort würden sie untergehen, sagt der gelernte Automechaniker. Der Kunde würde sie zwischen laufenden Fernsehern schlichtweg übersehen. Und Manser könne nicht zu jedem Kunden, der einen Fernseher kauft, sagen: "Komm wir gehen mal noch nach hinten, ich zeige dir unsere Radios".

Der Duft von Kaffee liegt in der Luft

Am Ende des Gangs öffnet sich ein weiter Raum. Dessen rechte Wand ist mit alten Holzdielen getäfert. Mehrere Spots strahlen sie so an, dass sie selbst zu leuchten scheint. Ein einzelnes Regal ist in der Mitte dieser Wand angebracht. Darauf ruhen zwei mit rotem Leder bezogene Lautsprecher und eine kleine Kompaktanlage. Am Boden vor der Wand stehen Spectral-Möbel in verschiedenen Farben, umgeben von weiteren Lautsprechern.

Am Ende der Wand sitzt Manser in einem der drei roten Ledersessel. Sie sind rund um einen kleinen Glastisch platziert. Es duftet nach frischem Kaffee. An der Bar zu Mansers Linken füllt sich unter einer Siebträgermaschine ein Tasse mit Espresso. Über den roten Sesseln hängt eine holzgefasste Schiefertafel mit einer Getränkeliste. Von Hand geschrieben, mit weisser Kreide. Ausser Kaffee gibt es Wasser, Säfte, Softdrinks, Ramazzotti, Aperol. "Ich will, dass der Kunde Zeit hat", sagt Manser. Der Besuch in seinem Laden "muss etwas Spezielles sein".

Manser erhebt sich. Er geht zu einem Durchgang auf der gegenüberliegenden Seite der Holzwand. Ein weiterer Raum tut sich auf: graue Wände, eine riesige Schaufensterfront, Loewe- und Metz-Fernseher, weitere Spectral-Möbel, Installationen mit in Wänden versenkten Lautsprechern und TV-Geräten, Stoffmuster für Lautsprecherabdeckungen.

Es braucht Türöffnermarken

Manser investierte viel Zeit in sein Ladenkonzept und dessen Umsetzung. Vieles machte er selbst. Am Anfang standen zwei einfache Fragen: "Wie sieht das ideale Sortiment aus? Mit welchen Produkten haben wir reelle Verkaufs­chancen?" Manser studierte nach seiner Ausbildung zum Automechaniker Marketing. Mit dem Wissen aus dem Studium machte er sich an die Neuausrichtung des Ladens seines Vaters. Eine Standortanalyse zeigte ihm, dass es im direkten Einzugsgebiet von Bassersdorf "relativ viel Billigkonkurrenz" gibt: Mediamarkt in Dietikon, Mediamarkt in Volketswil, das Glattzentrum, der Flughafen und die Nähe zu Zürich. "Wer hier etwas erreichen will, muss sich klar abgrenzen", sagt Manser.

Trotzdem verschliesst sich Manser den Mainstream-­Marken nicht ganz. Er führt etwa Samsung-Fernseher. Viele Kunden würden in den Laden kommen und explizit nach Samsung fragen. «Alle meine Samsungs sind top», sagt Manser. Wenn man eine Marke wie Samsung nicht führe, würde man als nicht innovativ wahrgenommen, als Händler, der nichts Gutes habe. Manser sieht Marken wie Samsung deshalb als Türöffner. Mit ihnen holt er Kunden in seinen Laden.

Doch Manser geht mit allen Herstellern hart ins Gericht. Viele würden Produkte kreieren, nach denen niemand verlangt habe. "Die Hersteller machen irgendwelche tolle Sachen, geben sie uns Händlern und sagen: Los verkauft das!", sagt Manser. Es bräuchte aber mehr als das. Damit Kunden die Produkte überhaupt wahrnehmen würden, brauche es ein Konzept für die richtige Präsentation. Die Hersteller liessen aber jeden einfach machen. "Das ist nicht unser Problem, das müsst ihr selbst wissen", sagen sie laut Manser.

Manser zeigt auf die Holzwand. "So eine Wand kostet mich mit Unterkonstruktion schnell 6000 Franken, wenn man es machen lässt noch mehr", sagt Manser. "Wie viel muss ich verkaufen, bis ich das wieder reinhole?" Die Hersteller interessiere das oftmals nicht. "Das müsst ihr mit eurer Marge machen", heisse es stets.

Von Mediamarkt und online abgrenzen

Das Problem sei, wenn er Produkte nicht ansprechend präsentiere, entstehe nicht das "Das-will-ich-haben-Gefühl". Der Fachhandel werde nicht mehr ernst genommen. Was viele Hersteller zu vergessen scheinen: Wenn der Fachhandel die Produkte eines Herstellers nicht mehr verkaufe, dann würden sie zur Billiglinie verkommen. "Ein Produkt, das ich überall bekomme, ist nicht begehrenswert. Egal wie gut es ist", sagt Manser. Die Herausforderung eines jeden Händlers sei es, Kunden emotional so zu fesseln, dass sie am Ende nicht 2000 Franken, sondern 3500 Franken ausgeben. "Das ist die Gewinnspanne", sagt Manser.

Der Fachhandel müsse sich bewusst werden, dass er nicht mit Mediamarkt und dem Onlinehandel mithalten könne. "Die verkaufen den Preis, wir verkaufen das Produkt", sagt Manser. Wenn er und zwei, drei andere Händler so denken und auftreten, helfe das natürlich nicht. Das Umdenken müsse flächendeckend passieren. Nur so würde es wieder mehr Kunden geben, die gern etwas ausgeben, gern Geld investieren.

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