E-Commerce-Konferenz 2013

Starker Schweizer Onlinehandel mit Eigenheiten

Uhr | Aktualisiert

Innovativ sollen sie sein, die Schweizer Online-Anbieter, um im Kampf gegen Amazon und Co. bestehen zu können. Wie sie das machen, und welche Probleme die Branche lösen muss, haben Experten an der diesjährigen E-Commerce-Konferenz erklärt.

Wie der Puls im Schweizer Online-Shopping schlägt, war am vergangenen Freitag an der E-Commerce-Konferenz im Zürcher Kongresshaus zu spüren. Am Event des Wirtschaftsverbands Internet-Briefing präsentierten der Verband des Schweizerischen Versandhandels (VSV) und die GfK Switzerland aktuelle Daten zum Online- und Distanzhandel in der Schweiz. Diese wurden in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post erstellt.

Online trotzt dem Trend

Thomas Hochreutener, Direktor Handel Consumer Choices bei der GfK Switzerland und Patrick Kessler, Präsident des VSV, konnten den rund 200 Konferenzteilnehmern, die grösstenteils im E-Commerce tätig sind, eine Freude bereiten, indem sie ihnen gestiegene Zahlen präsentierten. Der Online- und Versandhandel in der Schweiz für Endkonsumenten sei entgegen dem allgemeinen Trend im Detailhandel um 7,5 Prozent oder 400 Millionen Franken gewachsen und generierte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,7 Milliarden Franken.

Davon wurden 850 Millionen Franken über Auktionsplattformen wie Ricardo.ch oder Ebay.ch umgesetzt. Weitere 600 Millionen Franken gingen von Schweizer Käufern an Online-Händler im Ausland. Schliesslich verblieben 4,25 Milliarden Franken, die Privatpersonen im vergangenen Jahr im Online- und Versandhandel an Unternehmen in der Schweiz bezahlten.

KMU-Land Schweiz

Damit macht der Online- und Versandhandel mittlerweile rund 6 Prozent des gesamten Schweizerischen Detailhandelsvolumens aus. Dieser Anteil dürfte mit verbesserten Logistikprozessen weiter steigen. Wachstumspotenzial sehen der VSV und die GfK Switzerland in den Bereichen Home/Living, Beauty/Health oder Spielwaren.

Die Unternehmen in der Web-Branche sind grösstenteils KMU. Von den rund 9500 Online-Shops, die im vergangenen Jahr aktiv waren (B2B und B2C), versendeten nur 2300 Shops mehr als 1000 Pakete im Jahr. Einige wenige Player würden zwar den Markt anführen, in der Schweiz gebe es aber keinen grossen Anbieter wie beispielsweise Amazon.

Marktführer Heimelektronik

Vier von fünf Kunden bestellen hauptsächlich online 80 Prozent. Nur noch ein Fünftel aller Bestellungen wird über das Telefon, brieflich oder per Fax abgewickelt. Wichtig sei, dass Anbieter auch den mobilen Kanal nicht vergessen würden.

Geht es ums Bezahlen, wird hingegen die gedruckte Form bevorzugt. 88 Prozent aller Kunden bezahlen gegen Rechnung. Dieser Wert ist Spitze in Europa. Nur 7 Prozent der Schweizer Kunden zahlen mit der Kreditkarte. Deshalb sei es für Unternehmen unerlässlich, Käufe auf Rechnung anzubieten. Kessler entkräftet Bedenken von Zahlungsausfällen. Er nannte eine Quote von einem Prozent Debitorenverluste im gesamten Online-Handel.

Grösster Umsatzträger bleibt die Heimelektronik-Sparte (Multimedia, HiFi, Elektrogeräte). Fast jeder fünfte Franken für Heimelektronik werde online ausgegeben. Der Online-Umsatz stieg um 10,9 Prozent auf 1,2 Milliarden Franken. Die Heimelektronik-Sparte macht nun 28,2 Prozent des gesamten Online- und Versandhandels aus. Dieser Anteil am Gesamtmarkt nimmt stetig zu, 2012 um 0,5 Prozent und 2011 um 0,6 Prozent. Der Heimelektronik-Markt gebe mit seiner Führerrolle auch den Takt für den Gesamtmarkt vor, erklärte Kessler.

Marktbereinigung erwartet

Grosse Verlierer sind Medien, wie CDs, DVDs und Bücher, mit einem Umsatzrückgang um 7 Prozent. Schuld an dem Rückgang seien neben der Digitalisierung der Medien auch ausländische Anbieter wie Amazon, die dank einer hohen Zoll- und Mehrwertsteuer-Freigrenze laufend Marktanteile gewinnen würden. Thomas Lang, einer von 13 weiteren Referenten an der Konferenz sowie Gründer und Geschäftsführer von Carpathia Consulting unterstrich: "Es gibt keinen Heimatschutz mehr. Seit Anbieter wie Zalando hier sind, leidet der Handel."

Für Lang sind die Gründer von Digitec und die Macher hinter Zalando die grössten Gewinner des vergangenen Jahres, da ihre Plattformen besonders innovativ und speditiv seien. Neben innovativen Konzepten sei deshalb die Logistik der Schlüssel zum Erfolg. Der Handel über mobile Geräte habe im vergangenen Jahr nochmals deutlich zulegen können und beeinflusse den stationären Handel auch durch eine erhöhte Preistransparenz. Lang glaubt nicht an das Festhalten von Kanälen. "Es gibt den Kunden und das Angebot, wo er dieses kauft, ist egal." Er erwartet eine Marktbereinigung im laufenden Jahr.

Innovativ und barrierefrei

Als ziemlich innovativ galt Samy Liechti, CEO von Blacksocks im Jahr 1999, als er seinen Sockenlieferservice gründete. Für Blacksocks sei das Ansprechen der Kunden besonders wichtig. Das Unternehmen werte die Kundendaten aus, um die Profile gezielt bearbeiten zu können. So würden Kunden, die schon länger nichts mehr bestellt hätten, mit einem persönlichen Brief angesprochen und mit Socken beschenkt. Dies führe zu einer Rückkehr-Quote von 18 Prozent aller angeschriebenen Kunden. Auch das Miethäuser-Portal Interhome geht ähnlich vor, wie Marc Isler, Head of Direct Sales und Marketing, erklärte. Nach Auswertung der Kundendaten würden die Interhome-Kunden einen individualisierten Katalog zugeschickt bekommen. Für Christoph Spengler, CEO von Accelerom, ist die Mund-zu-Ohr-Propaganda immer noch entscheidend. Deshalb seien Preisvergleichsportale wie auch Tests in Fachzeitschriften wichtig.

Von der innovativen Seite zeigte sich auch Brack.ch. Rolf Geisser, Leiter E-Commerce und Markus Land, Leiter Web Competence, präsentierten den neu entwickelten Online-Shop. In Zusammenarbeit mit Testkäufern sei besonders Wert darauf gelegt worden, mit wenigen Klicks zum Ziel zu kommen. Die Webseite soll auch für Menschen mit Beeinträchtigungen barrierefrei sein, Silver Surfer seien etwa ein ernstzunehmendes Thema. Wie das geht, demonstrierte der blinde Organist und Klavierlehrer Benjamin Blatter, der sich von einer Computerstimme durch den Shop von Brack.ch führen liess.

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