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Home, Smart Home

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Was sind die Trends bei Smart Homes, und wie kann der Fachhandel Nutzen daraus ziehen? Ein Schweizer Installationsspezialist und Forscher aus Deutschland und der Schweiz haben im Podium Antworten auf die Fragen gefunden.

Was sind die Trends bei Smart Homes?

Volkmar Keuter, Leiter des Fraunhofer-inHaus-Zentrums: Ich glaube, dass sich besonders viel rund um das Thema energieeffiziente Gebäude tun wird, um hier mit smarten Lösungen dem Anstieg der Energiekosten entgegenzuwirken. Die Technik der intelligenten Assistenzfunktionen wird lernfähig werden, um sich auf die Gewohnheiten des Bewohners einstellen zu können, ohne aktiv einzugreifen. So liesse sich zum Beispiel die Raumtemperatur individuell und exakt regeln und damit zu einer Reduzierung der Heizkosten beitragen. In diesem Zusammenhang wird die Weiterentwicklung smarter Mess- und Energiesysteme weiter im Fokus der Forschung und Entwicklung stehen. So kann das intelligente Stromnetz – Smart Grid genannt – eine energieeffiziente und zuverlässige Energieversorgung sicherstellen, in dem es alle Akteure des Energiesystems miteinander verbindet und so eine energie- und kosteneffiziente Versorgung zwischen einer Vielzahl von Stromverbrauchern, Stromerzeugern und idealerweise Stromspeichern herstellt. Darüber hinaus werden intelligente, technische Assistenzsysteme im Rahmen des demografischen Wandels zunehmend dazu beitragen, Menschen hohen Alters ein möglichst langes, selbstbestimmtes Leben in ihren eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Spezielle AAL-Lösungen, also Ambient Assisted Living, integrieren sich in den Alltag älterer Menschen, indem etwa der Teppich mit Sturzsensorik ausgerüstet ist, und passen sich den individuellen Gewohnheiten der Bewohner an.

Wie kann der Fachhandel mit dem Thema Smart Home Geld verdienen?

Smart Home bietet enorme Perspektiven – auch für den Fachhandel. Einer zügigen Marktentwicklung stehen jedoch momentan noch einige Hürden im Weg. Im Herstellerbereich etwa gibt es zu viele verschiedene Standards und Kommunikationspfade. Die Baubranche wartet auf passende Investitionsanreize, und schliesslich erweist sich die unternehmens- und spartenübergreifende Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichsten Branchen – Energieversorger, Telekommunikationsanbieter, Handwerk, Wohnungsgesellschaften – als noch nicht ausreichend entwickelt. Letztlich müssten Politik, Verbände und öffentliche Einrichtungen geeignete Standards, Regularien und gesetzliche Vorgaben schaffen. Eine wichtige Rolle für die Markterschliessung der Smart-­Home-Anwendungen könnte die Plug-and-Play-Fähigkeit einnehmen. Smart-Home-­Systeme sind heute meist geschlossene, proprietäre Systeme. Bei Plug-and-­Play-Anwendungen handelt es sich um offene Systeme, bei denen die Spezifikationen für die Schnittstellen oft herstellerübergreifend entwickelt und allen Interessierten zugänglich gemacht wurden.

Wieso sind Smart Homes noch nicht Alltag?

Das intelligente Wohnen setzt sich aus verschiedenen Teilaspekten zusammen. So greifen hier Komfort, Energieeffizienz, Gebäude- beziehungsweise Gerätesicherheit, Gesundheit und Entertainment ineinander. Die intelligente Vernetzung elektrischer und elektronischer Geräte im privaten Bereich kann also zu steigendem Lebenskomfort beitragen, gleichzeitig Sicherheit bieten und für eine erhöhte Energieeffizienz sorgen. Trotz der vorhandenen technischen Möglichkeiten werden Unterhaltungselektronik, Hausautomation und Haushaltselektronik jedoch bisher noch zu isoliert betrachtet beziehungsweise vom Verbraucher wahrgenommen. Ursachen dafür sind die zum Teil noch zu hohen Kosten und fehlende einheitliche Standards. Darüber hinaus erschliesst sich für viele Verbraucher der Mehrwert eines Smart-Home-Systems noch nicht ganz. Doch dies wird sich in den kommenden zehn Jahren drastisch ändern. Marktprognosen gehen davon aus, dass bis 2020 etwa 80 Prozent aller potenziellen Kunden sich für eine Smart-Home-Lösung entscheiden werden. Nach einer im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durchgeführten Studie kann der kumulierte Umsatz von Smart Home im deutschen Markt bis 2025 nach Simulationsrechnungen 19 Milliarden Euro erreichen. Dann werden kompatible, bezahlbare und nachrüstbare Lösungen für die intelligente Heimvernetzung dem Verbraucher nicht nur mehr Komfort und Sicherheit geben, sondern auch zu mehr Energieeffizienz und einer erhöhten Selbstbestimmung – gerade im Alter – beitragen. Dieser Trend wird für uns jedoch auch schon in der Gegenwart erkennbar, da wir im Vergleich zu vor fünf Jahren eine erhöhte Nachfrage von Immobilienbesitzern feststellen können. Besonders im Fokus des Interesses stehen derzeit Energiesysteme. So werden häufig noch eher Teilaspekte des smarten Wohnens angewendet statt eine komplexe Vernetzung des Hauses. Im Fraunhofer-inHaus-Zentrum arbeiten wir gemeinsam mit Herstellern, Dienstleistern, Nutzern und Fraunhofer-Instituten daran, neuartige Systemlösungen für das Geschäftsfeld Wohnen, aber auch für die Bereiche Bauen, Energie, Arbeiten, Gesundheit, Ressourcen und Hotel zu schaffen. Als kreative Ideenschmiede bündeln wir dabei die Potenziale von Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Ziel, neuartige Raumkonzepte, innovative Baumaterialien, intelligente Gebäudetechnik und elektronische Assistenz zu entwickeln und damit neue Märkte zu erschliessen.

Wie fest verbreitet sind Smart Homes in der Schweiz im Vergleich zum Ausland?

Leider können wir dazu keine verlässlichen Aussagen treffen. Wir beschäftigen uns vornehmlich mit den Entwicklungen von Smart Home im deutschen Markt. Was jedoch auch in der Schweiz im Rahmen von Smart Home eine wichtige Rolle einnimmt, ist der Forschungszweig Ambient Assisted Living. Der Bund treibt diese Entwicklung voran. Er hat im vergangenen Jahr gesamtschweizerisch über 8 Millionen Franken in entsprechende Forschungseinrichtungen investiert.

Was sind die Trends bei Smart Homes?

Dieter von Arx, Betriebsleiter, iHomelab - Hochschule Luzern: In den letzten zwei bis drei Jahren geht der Trend eindeutig weg vom Exklusiven hin zur Alltagstauglichkeit. Dieser Trend wird unterstützt durch die Energiewende. Da wir aus der Atomenergie aussteigen wollen, sind wir aufgefordert, für einen vernünftigen Umgang mit Energie zu sorgen. Schliesslich wird die grösste Energie in Gebäuden verbrannt. Ein grosses Thema bei Smart Homes ist das altersgerechte Wohnen, kurz AAL. Wegen der demografischen Entwicklung sind Pflegeheime schon heute ausgelastet. Das Smart Home kann diese Situation entschärfen. Unternehmen, die Installationsmaterial herstellen, wie beispielsweise ABB, beschäftigen sich stark mit diesem Thema.

Wie kann der Fachhandel mit dem Thema Smart Home Geld verdienen?

Der Fachhandel ist gefordert, dem Kunden die Skalierbarkeit der Vernetzung aufzuzeigen, um auch in Zukunft neue Möglichkeiten nutzen zu können. Er sollte aber nicht die Technik in den Vordergrund stellen, sondern Services anbieten, etwa für Notrufsysteme einen Dienst im Abonnement anbieten, so wie es Swisscom auch mit seinen Handys macht. Der Fachhandel muss zudem Mut und Grösse beweisen, indem er Spezialisten an einen Tisch bringt, die dem Kunden eine saubere Lösung bieten. Wir stellen fest, dass sich immer mehr Leute für das Thema Smart Home interessieren, aber die wollen nur eine einzige Ansprech­person.

Wieso sind Smart Homes noch nicht Alltag?

Weil es eine Preisfrage ist. Die Technik ist noch zu teuer. Die Leute fragen sich etwa, wie viel Energie sie mit einem Smart Home sparen können. Dabei sollte die Nachhaltigkeit wichtiger sein als der Spargedanke. Da braucht es ein Umdenken. Ausserdem ist der Nutzen von Smart Homes noch nicht allzu bekannt, weshalb viele es noch als Luxusthema auffassen. Dabei geht es beispielsweise nicht nur um die Steuerung der Rollladen von unterwegs, sondern auch darum, die Rollladen im Sommer und Winter kontrollieren zu können, um Energie zu sparen. Weiter fehlen Standards wie etwa KNX. Viele Geräte sind nicht kompatibel miteinander, weshalb der Anwender alleingelassen ist. Bei den Herstellern herrscht ein "Gärtlidenken", sie schotten sich ab, statt den Kuchen gemeinsam zu essen.

Wie fest verbreitet sind Smart Homes in der Schweiz im Vergleich zum Ausland?

Wir verfügen über keine Zahlen, nehmen aber den Breitbandanschluss als Indikator, der eine Grundvoraussetzung für Smart Homes ist. Wo die Breitbanddichte hoch ist, gibt es auch viele Smart Homes. Dabei erkennen wir einen grossen Unterschied zwischen Europas Norden und Süden, in Schweden oder Deutschland und auch in der Schweiz herrscht eine sehr gute Auslastung. 2011 war die Schweiz die Nummer eins in Europa in puncto Breitbanddichte. In Amerika und Japan ist das Thema schon viel weiter, das hat aber insbesondere in Japan auch mit der Mentalität und Technikbegeisterung zu tun.

Was sind die Trends bei Smart Homes?

Jonas Oesch, Sales Manager/Software Development, Smarthome SA: Einerseits sehen wir seit der Einführung des iPads einen Trend von konventionellen Wandeinbau-Touch-Panels hin zu mobilen Smart-Home-Apps, die dem Benutzer die Kontrolle auch von ausserhalb des Hauses ermöglichen. Wir haben selbst in eine eigene iOS-App investiert, um diesem Trend gerecht zu werden. Die "Smart Home Pro"-App ermöglicht dem Kunden zum Beispiel, noch am Flughafen die Heizung einzuschalten oder beim Verlassen des Büros die Sauna oder den Jacuzzi per Knopfdruck vorzubereiten. Auf der technischen Seite wird die Realisierung von Smart Homes immer einfacher durch den Einsatz von IP-basierten Geräten. Die konventionelle Verdrahtung mittels Systembusses wird stetig durch Ethernet abgelöst. Wir setzen bereits bei ­Audio- oder Videoübertragungen auf diese kostensparende und viel flexiblere Tech­nologie.

Wie kann der Fachhandel mit dem Thema Smart Home Geld verdienen?

Als einen der wesentlichsten Punkte sehe ich, dem Kunden die Möglichkeiten, aber auch ganz klar die Grenzen des eingesetzten Systems aufzuzeigen. Dies bewirkt eine nachhaltig gute Beziehung zwischen Kunden und Integrator, die einen guten Ruf und erneute Aufträge zur Folge hat. Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist eine kundenspezifische Lösung hinsichtlich der Automation. Nicht alles, was wir – als technische Fach­leute – als sinnvoll und "cool" erachten, wird vom Bauherrn auch gewünscht.

Wieso sind Smart Homes noch nicht Alltag?

Ich glaube, diese Frage lässt sich einerseits über die Kosten beantworten. Solange "Smart Homes" kundenspezifische und keine standardisierte Lösungen sind, entsteht eine preisliche Diskrepanz zwischen konventionellen und intelligenten Systemen. "Custom" ist naturgemäss kostspieliger, bedeutet jedoch auch, dass eine Lösung nach Kundenwunsch erstellt wird und einen erheblichen Mehrwert darstellt.  Ein zusätzlicher Aspekt für die noch geringe Verbreitung ist sicherlich auch die Zielgruppe, die mit der Idee des intelligenten Wohnens erreicht wird. Einerseits ist es die jüngere Generation, die sich für das Thema Technologie generell mehr interessiert und auch damit vertraut ist. Die Mehrheit dieser Personen ist jedoch noch nicht im Begriff, Häuser zu bauen. Andererseits sind es vermögende Bauherren, die die Mittel verfügbar haben, um solche Systeme umzusetzen. Sie repräsentieren einen kleineren Teil der Bevölkerung. Um die Masse, den Durchschnittsbauherren, zu erreichen, sehe ich in unserer Industrie einen gewissen Aufklärungsbedarf. Meinen Erfahrungen nach verbinden noch zu viele dieser Kunden Smart Homes mit komplizierten, nicht bedienbaren Systemen, die automatisch Funktionen ausführen und der Nutzer die Kontrolle verliert. Dies resultiert sicherlich auch daraus, dass in der Vergangenheit Systeme mit zu viel Automation gebaut wurden. Wir bei Smart Home SA setzen klar auf intelligente Systeme, jedoch mit einem begrenzten Automationsfaktor, der individuell, je nach Kundentyp, vergrössert oder verkleinert wird. Ein Faktor ist auch, dass eine Smart-Home-Installation nach einer soliden Verdrahtung der Komponenten verlangt, was in bestehenden Objekten ein Problem darstellen kann. Wenn die Retrofit-Tauglichkeit der Komponenten verbessert wird, wird sich das Produkt Smart Home auf dem Markt sicherlich auch besser behaupten können. Hier sehen wir einen eindeutigen Fortschritt der Hersteller in den letzten Jahren.

Wie stark verbreitet sind Smart Homes in der Schweiz im Vergleich zum Ausland?

Dies kann ich nur schwer beurteilen, da wir hauptsächlich in der Schweiz tätig sind. Ich sehe den Schweizer Markt generell als sehr innovativ und zukunftsorientiert. Generell sind Smart Homes weltweit in wohlhabenderen Regionen verbreitet.

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