Martin Schmied, CEO von ESGE, im Interview

"Im Community Marketing sehe ich ein enormes Potenzial"

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Seit knapp einem Jahr ist Martin Schmied CEO von ESGE. Im Interview spricht er über seine ersten Erfahrungen als Chef des Stabmixer-Herstellers Bamix. Ausserdem verrät er, wie er mit der Traditionsmarke neue Märkte erobern will und sagt, mit welchen Herausforderungen man mit einer Ein-Produkt-Strategie zu kämpfen hat.

Martin Schmied, CEO ESGE (Source: zVg)
Martin Schmied, CEO ESGE (Source: zVg)

Seit April 2019 sind Sie CEO von ESGE. Wie sieht Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr aus?

Martin Schmied: Super positiv. Ich fühle mich sehr wohl hier. Natürlich war es eine Umstellung vom grossen internationalen Unternehmen zum Schweizer KMU. Auch als eher Zürich-orientiert Mensch nach Mettlen aufs Land zu kommen war ungewohnt. Aber ich wurde vom gesamten Team extrem positiv aufgenommen. Hier ziehen alle am selben Strang, vom Verwaltungsrat übers Management bis hin zu den Mitarbeitern. Mit einem solchen Team zu arbeiten macht wahnsinnig Spass.

Sie waren für rund 13 Jahre in der Automobil- und Motorradbranche tätig. Warum der Wechsel zu Küchengeräten?

Da gibt es verschiedene Gründe. Es war in erster Linie ein positiver Zufall, dass ich einen der ESGE-Verwaltungsräte näher kennengelernt habe. Ausserdem war ich bisher immer in international tätigen Firmen für die Schweiz zuständig, wollte aber immer auch einmal die andere Seite sehen – sprich in einem KMU in der Schweiz für alle Märkte verantwortlich sein.

Wie nehmen Sie die Unterschiede zwischen den Branchen wahr?

Es gibt keine grossen Unterschiede. Marketing, Verkauf, Branding und so weiter drehen sich im Kern um das Gleiche, egal ob man in der Automobil- oder Haushaltsgerätebranche ist. Auch als ich von Harley zu Tesla wechselte, wurde ich häufig gefragt, ob sich die beiden Firmen nicht stark voneinander unterscheiden. Aber das tun sie nicht. Die Kunden beider Marken haben Freude an schönen Produkten, legen Wert auf Qualität und besitzen gerne etwas, das nicht alle haben. Diese Eigenschaften sehe ich auch bei unseren jetzigen Kunden. Wie Harley und Tesla bewegt sich auch Bamix im Premium-Segment. Vorher habe ich mit Händlern zusammengearbeitet, jetzt mit Distributoren. Vieles ist also ähnlich geblieben.

Sie haben es angesprochen, bei Harley und Tesla waren Sie in einem globalen Unternehmen für die Schweiz zuständig, jetzt ist es umgekehrt. Mussten Sie sich umstellen?

Bei Harley war ich zwar für die Schweiz und Österreich zuständig, habe aber auch viel international gearbeitet und bin gereist. Komplettes Neuland war für mich der japanische Markt. Die unterschiedlichen globalen Märkte kennenzulernen ist etwas, was meine Arbeit hier allgemein sehr spannend macht. Wir steuern aber trotzdem sehr viel von der Schweiz aus und haben im Ausland unsere lokalen Partner, die vor Ort den Markt bearbeiten.

Ihr Vorgänger, Erich Eigenmann, war 17 Jahre bei ESGE. Haben Sie vor auch so lange zu bleiben?

Ich weiss es nicht. Ich hoffe es aber. Ich war noch nie ein Job-Hopper. Wenn ich mich irgendwo wohlfühle, dann versuche ich, dem Unternehmen beizustehen. Für wie lange kann man heute natürlich nie genau sagen.

Wie verlief das Geschäftsjahr 2019 für ESGE?

Da wir ein Privatunternehmen sind, geben wir keine Geschäftszahlen bekannt. Ich kann aber sagen, dass wir sehr zufrieden sind und auch weiter wachsen wollen.

Wie möchten Sie wachsen?

Über zwei Bereiche: Wir möchten neue Märkte erschliessen. Dazu haben wir eine sehr Erfolg versprechende Zusammenarbeit mit einem US-Distributor aufgebaut. Zusätzlich sind wir eine neue Partnerschaft in China eingegangen. Weiter wollen wir durch innovative Produkte und Dienstleistungen wachsen. Bei Harley und Tesla war das Community-Marketing riesig. In diesem Bereich sehe ich auch für Bamix ein enormes Potenzial.

Gibt es da schon konkrete Ideen?

Wir lancieren per 1. April eine neue App, die gespickt ist mit Rezepten und Tipps zur Anwendung. Da es immer weniger Möglichkeiten gibt, den Konsumenten Geräte auf Messen oder im stationären Handel zu zeigen und zu erklären, möchten wir das auf Onlinekanäle verlagern. Dort wird es für die Kunden auch die Möglichkeit geben, sich zu registrieren, was uns wiederum die Möglichkeit gibt, mit ihnen in Verbindung zu treten. Wir werden ausserdem einen neuen Webshop aufschalten und eine neue Website lancieren, die ein bisschen moderner ist.

Der Bamix-Stabmixer ist Ihr Steckenpferd. Welche Herausforderungen stellen sich, wenn man als "One Trick Pony" unterwegs ist?

Wenn man nur ein Produkt hat und sich sehr stark auf dieses konzentriert und es perfektioniert, ist das eine extrem gute Strategie, um erfolgreich zu sein. Den Bamix, der übrigens nicht nur ein Stabmixer, sondern die kleinste Küchenmaschine der Welt ist, gibt es bereits seit 66 Jahren. Viele wissen es nicht: Bamix ist der Erfinder des Stabmixers. Aber man gelangt mit einer Ein-Produkt-Strategie auch an einen Punkt, wo das Wachstum stagniert und die Nische, die man bedient, besetzt ist. Dann stellt sich die Frage, ob man bei seiner Spezialisierung bleibt oder ein bisschen mehr in die Breite gehen soll. Marken wie Kitchenaid oder Kenwood haben den Vorteil, dass sie durch ihr breites Angebot gleich ganze Regalplätze im Handel füllen können. Diese Möglichkeit haben wir nicht, darum müssen wir mit unserer Qualität punkten.

Wie passt die Günstig-Marke Unold ins Konzept von ESGE?

Unold ist unser Bamix-Distributor in Deutschland und weltweit unser grösster Partner. In Deutschland sind wir aber nicht als Bamix bekannt, sondern als ESGE-Zauberstab. Unold hat es geschafft, diese Marke dort so bekannt zu machen, dass der Stabmixer in Deutschland Zauberstab genannt wird. Ähnlich wie Kleenex als Synonym für ein Taschentuch gebraucht wird. Im Gegenzug sind wir Unolds Distributor in der Schweiz. Zwar bewegen sich die Unold-Produkte im unteren Preissegment, aber das muss sein. Man kann heutzutage einfach keinen Toaster für 249 Franken verkaufen. Aber die Qualität der Produkte stimmt und sie verschaffen uns eben diese Breite, um bei grösseren Händlern nicht nur den Bamix, sondern eine ganze Produktpalette anzubieten. So gehen auch unsere Distributoren im Ausland vor. Es gibt keinen, der nur Stabmixer hat. Alle bieten noch vier, fünf andere Brands an. Das bedeutet für uns, dass wir sicherstellen müssen, dass der Fokus trotz der anderen Marken, auf uns liegt.

Wie schaffen Sie das?

Durch enge und intensive Zusammenarbeit mit unseren Distributionspartnern. Wir unterstützen sie mit Best Practices und besuchen sie häufig, um sicherzustellen, dass die vereinbarten Ziele umgesetzt werden. Für kleinere Firmen wird es auch immer wichtiger, sich online zu positionieren. Wenn ein Kunde nach einem Produkt googelt – und das tun heute die meisten, bevor sie etwas kaufen –, muss ich es schaffen, mit meinem Webauftritt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Unseren Onlineauftritt planen wir hier von der Schweiz aus und delegieren dann entsprechend in die anderen Länder, damit alle Onlineplattformen mit lokalem Content bespielt werden. In Japan konnten wir so 20 000 Rezepte für den Bamix zusammentragen. Wir wollen uns nun daran machen, diese für die Schweiz zu übersetzen.

Apropos Rezepte: Sie bieten mit der Bamix Academy seit 2016 Kochkurse rund um den Stabmixer an. Hat sich dieses Konzept bewährt?

Die Kurse finden rund einmal im Monat statt und sind immer ausgebucht. Die Bamix Academy ist ein Bereich, den wir definitiv noch stärken möchten. Einerseits, indem wir mehr Kurse anbieten. Dazu sind wir auf der Suche nach einer Showküche in Zürich, wo hin und wieder Kurse stattfinden können. Wir möchten den ganzen Bereich aber auch online stärken, sodass sich eine Community bildet, die sich gegenseitig austauscht.

Sie haben das Thema Community einige Male angesprochen. Wie sieht Ihre Zielgruppe aus?

Der Grossteil ist zwischen 45 und 50 Jahre alt, weiblich und Hausfrau. Aber bei Weitem nicht nur: Der Trend geht ganz klar in Richtung einer breiter gefächerten Zielgruppe. Es sind ganz viele junge Konsumenten dazugekommen, die wieder vermehrt Wert auf gemeinsames Kochen und gesunde Ernährung legen. Wir lancieren auch immer wieder neue Produkte, die auf eine breitere Zielgruppe zugeschnitten sind. Kürzlich haben wir einen Mixer inklusive Kochbuch lanciert, mit dem wir auf den Grill- und Barbecue-Markt abzielen. Damit sprechen wir dann eher Männer an. In unserer Zielgruppe Baking, sind wiederum mehr Frauen vertreten.

Welche Rolle spielt der Schweizer Fachhandel für ESGE?

Eine sehr wichtige. Wir arbeiten mit rund 90 Fachhändlern zusammen. Die Fachhändler spielen für uns nicht wegen des Bestellvolumens eine wichtige Rolle, sondern weil sie Bamix gut kennen, die Mitarbeiter geschult sind und so die Kunden entsprechend beraten können. Ausserdem passen wir mit unseren Premium-Produkten gut ins Sortiment der Fachhändler, da sie ja auch im Premium-Bereich unterwegs sind.

Der Fachhandel hat es momentan nicht einfach. Wie unterstützen Sie Ihre Händler?

Wir unterstützen den Fachhandel, in dem wir beispielsweise am Point of Sale schöne Displays zur Verfügung stellen. Wir machen auch Schulungen für die Händler oder schicken jemanden vorbei, der Vorführungen vor den Kunden macht. Wir unterstützen aber auch unsere Distributorin, indem wir einen Action-Plan erstellen und immer Anfang Jahr die kommenden Marketing-Aktivitäten ausarbeiten.

Sie sind häufig an Messen sowohl im B2B-, als auch im B2C-Bereich vertreten. Wie wichtig sind solche Anlässe für Bamix?

Sehr, in beiden Bereichen. Wenn man ein Premium-Produkt anbietet, muss man den Endkunden transportieren, was damit alles möglich ist und warum der Preis gerechtfertigt ist. Im B2B-Bereich nutzen wir solche Messen, um mit Distributoren und grossen Retailern in Kontakt zu treten. Messen sind für uns also auch ein Marketing-Instrument.

Welche Produktneuheiten bringt Bamix in den nächsten zwei bis drei Jahren auf den Markt?

Wir werden auf den Frühling 2021 unseren ersten akkubetriebenen Stabmixer lancieren. Ziel ist es, auch die App damit zu verbinden. Ich habe daheim bereits einen Prototyp und bin völlig begeistert davon. Man kann den Mixer bei voller Leistung 25 Minuten lang laufen lassen ohne aufladen. Das ist lange wenn man bedenkt, dass man einen Stabmixer normalerweise ja nur für ein bis zwei Minuten am Stück braucht.

Was nehmen Sie auf strategischer Ebene als nächstes in Angriff?

Abgesehen vom Community Building und der Erschliessung neuer Märkte - was wir schon angesprochen haben - möchten wir damit beginnen, Daten zu sammeln. Wir haben momentan praktisch keine Daten zu unserer Zielgruppe, diese sind aber wichtig, um Aktivitäten zielgerichteter zu starten.

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Zur Person:

Martin Schmied (48) ist seit April 2019 CEO von ESGE. Der Betriebswirtschaftler studierte an der Universität Zürich und absolvierte mehrere Executive-Programme an der Universität St. Gallen. Er startete seine Karriere als Unternehmensberater bei PwC und später im Verkauf bei IBM. Danach wechselte er für mehrere Jahre in die Motorrad- und Autoindustrie und leitete Länderorganisationen bei Harley-Davidson und Tesla. Schmied ist Vater einer 10-jährigen Tochter und eines 8-jährigen Sohns und lebt mit seiner ­Familie in Dällikon/ZH. Zu seinen Hobbys zählen Motorradfahren, Reisen, Kochen und Sport. (Quelle: ESGE)

Der Markt für technische Konsumgüter wird 2020 um 2,5 Prozent zulegen. Treiber für das Wachstum sind die Bereiche Telekommunikation, Haushaltskleingeräte und Haushaltsgrossgeräte. Mehr dazu lesen Sie im Marktreport.

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