"Mit Filterkaffee löscht man den Durst"

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Emanuel Probst ist ein Urgestein bei Jura Elektroapparate. Nächstes Jahr wird der General Manager das 25. Jahr im Unternehmen feiern. Im Interview erklärt er, wie er den Kaffeemaschinen-Markt in dieser Zeit erlebte, und sagt, wie die Onlineberatung in Zukunft verläuft.

Was fasziniert sie auch nach 25 Jahren noch am Unternehmertum?

Emanuel Probst: Es gibt nichts Spannenderes, als Produkte zu kreieren und die Welt zu entdecken. Wir bauen weltweit unsere Märkte auf, bleiben dabei aber föderal. In unserer dezentralisierten Führungsstruktur gibt es wichtige Grundsätze, die für alle gelten, der Rest wird lokal organisiert. Das erlaubt schnelleres Wachstum.

Wie erlebten Sie die 25 Jahre?

Es war ein genussvolles Arbeiten. Auch wenn es Phasen gab, die alles andere als lustig waren. Gegen Ende der 90er-Jahre ging aber das Wachstum los und wir können uns bis heute weltweit entfalten.

Mit nicht lustig meinen Sie die Zeit Anfang der 1990er-Jahre?

Ja, wir konzentrieren uns auf Vollautomaten sowie den Aufbau internationaler Wachstumsmärkte und sind damit zum Glück viel erfolgreicher und konsequenter.

Könnte es wieder so eine Umstellung geben und was könnten das für Produkte sein?

Solange uns nicht die Ideen ausgehen und es viele Wachstumsmöglichkeiten weltweit gibt, wäre es falsch, sich zu verzetteln. Wir sind ein Pure Player und das verspricht den grössten Erfolg. Roger Federer ist ja auch kein Zehnkämpfer. Er entwickelt sich auch in der dritten Phase seiner Karriere weiter, weil er sich ausschliesslich mit Tennis beschäftigt. Innovation voranzutreiben heisst aber auch mal, Fehler zu machen.

Verzeiht Ihnen der Handel die Fehler?

Es wäre seltsam, wenn er es nicht täte. Wir wollen Innovationsleader bleiben und müssen darum stets Neues schaffen, sonst gibt es bloss immer mehr vom Gleichen.

Wie hat sich der Kaffeemaschinenmarkt in 25 Jahren verändert?

Den Vollautomaten- und den Portionensystem-­Markt gab es vor 25 Jahren noch nicht. Der Vollautomaten-Weltmarkt umfasste vielleicht 100'000 Stück, jetzt sind es 2 Millionen.

Wie erklären Sie sich diesen Boom bei den Vollautomaten?

Weil das System einfach und gut ist. Damals in den 80er-Jahren musste man noch alles selbst zubereiten und brauchte auch noch Glück für ein gutes Ergebnis. Es geht ja um Genuss, und der ist bei unseren Vollautomaten auf Knopfdruck gegeben. Dafür braucht es wie bei allen Dingen im Leben Bewusstsein und Kaufkraft. Und die weltweite Kaufkraft für Vollautomaten ist gigantisch, unser Potenzial ist noch lange nicht erschöpft.

Was zeichnet den Schweizer Vollautomaten-­Markt aus?

Vor 25 Jahren bestand der weltweite Vollautomaten-Markt fast nur aus der Schweiz, weil das System zuerst von Solis und ein halbes Jahr später von uns kam. Heute ist die Schweiz gemessen am Volumen der viertgrösste Markt. Er bewegt sich fast seit Jahrzehnten seitwärts bei 100'000 Stück. Wenn die ganze Welt wie die Schweiz wäre, alle schon eine Maschine hätten und es nur noch um Ersatz ginge, wäre es schwierig für uns.

Beunruhigte es Sie, als der Schweizer Kaffee­maschinenmarkt im Ersten Halbjahr schrumpfte?

Nein, das ist völlig normal in einem Markt, der quer läuft und von Aktivitäten und kurzen Situationen abhängt. Man muss das auf fünf Jahre oder gar Jahrzehnte beobachten. Der Schweizer Markt ist anders als in Deutschland, der aus dem Nichts zum weltgrössten Markt für Vollautomaten wurde.

Aber Deutschland ist doch ein Filterkaffee-Land ...

Filterkaffee hat nichts mit auf Espresso basierenden Kaffeespezialitäten zu tun. Genauso wenig wie Tee oder Bier. Das sind Getränke, mit denen man den Durst löscht. Espresso trinken ist Genuss, und das wollen die Leute weltweit immer mehr, ergänzend zu dem, was sie weiterhin trinken werden.

Ist Portionenkaffee auch ein Genuss für Sie?

Die Topqualität ergibt einen richtig guten Espresso, andere befinden sich näher beim Filterkaffee. Aber wir stehen für die frische Bohne, frisch gemahlen, frisch extrahiert, und entsprechend geniesse ich meinen Kaffee.

Wie profitiert der Handel von Roger Federer?

Sehr direkt. Wenn Roger Federer sagt, dass etwas gut ist, dann hat das eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Roger hilft also, die Ware zu verkaufen. Er ist ein Vorbild für viele und wenn er sagt, er will frisch gemahlenen Kaffee und nicht gekapselten, so ist das eine enorm starke Botschaft.

Wie hat sich der SNB-Entscheid auf Jura als Schweizer Hersteller ausgewirkt?

Man kann es drehen, wie man will, wir haben diesen Kurs. Es ist ja nicht nur der Euro, auch der russische Rubel, das britische Pfund, praktisch alles ausser dem US-Dollar und dem Franken ging runter. Also müssen wir wachsen, wenn wir weiter erfolgreich sein wollen. Das können wir. Wir werden unser Jahresziel von rund 290'000 Maschinen erreichen, das wären 20'000 mehr als im Vorjahr. Es werden wohl 3 Prozent weniger Umsatz in Franken sein, lokal aber mehr. Für uns wird es also ein gutes Jahr werden mit dem Schönheitsfehler, dass es sich nicht in Franken niederschlägt.

Wie weit sind Sie mit der Live-Beratung per Videotelefonie?

Das ist die Zukunft bei der Onlineberatung, mit der man individuell zeigen, vorführen und Bedürfnisse abklären kann. Wir wollen es im Heimmarkt mit drei Studios ausprobieren und dann weltweit ausrollen. Die Live-Beratung ist keine Konkurrenz zum Handel, drei von vier Anrufer wollen wissen, wo Händler in ihrer Nähe sind. Wir fangen die Kunden bei der Recherche mit dem besten Dienst ab. Seit Sommer funktioniert 'Jura Live' auch mit dem Tablet und dem Smartphone.

Was ist mit Tablets als Verbindungspunkte vom POS zu den Jura-Beratungsstellen?

Da sehe ich noch viel mehr Potenzial, weil der Fachhändler zusätzliche Unterstützung am POS erhält. Gerade bei spezifischen Fragen kann er zusammen mit dem Kunden beim Jura-Experten nachfragen und dadurch auch sein persönliches Wissen für nächste Beratungsgespräche vertiefen. 'Jura Live' beweist, dass wir unsere Handelspartner ernst nehmen. Jura hat eine sehr hohe Innovationskadenz, da muss man stets auf dem neuesten Stand sein. Wir testen 'Jura Live' am POS seit Anfang August.

Wie breit soll der Service gestreut sein?

Im Moment ist er an wenigen Teststandorten im Einsatz. Die nächsten Monate sollen 30 weitere dazukommen. Dann wollen wir ein Zwischenfazit ziehen. Ich sehe «Jura Live» mittelfristig aber an jedem Verkaufspunkt, der sich wirklich mit Jura beschäftigen will. Dafür braucht es lediglich die Initialinvestition fürs Tablet und eine Internetverbindung, die Grundinfrastruktur ist bei uns.

Wie wichtig ist der Onlinehandel beim Kaffee­maschinenkauf?

Das ist von Land zu Land unterschiedlich und hängt von Mentalitäten und Distanzen ab. In Amerika hat der Onlinehandel aufgrund der grösseren Distanzen eine andere Bedeutung als in der Schweiz. Jeder Händler muss selbst entscheiden, ob er seine Kundschaft auch online erreichen will. Es braucht in Zukunft beide Formen. Aber persönlich will ich eine Kaffeemaschine in natura sehen, Vorinformationen hole ich mir übers Internet.

Was ist wichtig beim Verkauf von Kaffee­maschinen?

Eine kompetente Warenpräsentation, bei der ich spüre, dass der Fachhändler dahintersteht, mich gut berät und mir die Sicherheit gibt, das Richtige gekauft zu haben. Es geht beim Verkaufen immer um Orientierung und Vertrauen. Mit der Orientierung am POS kommt das Vertrauen. Das erreicht der Handel, wenn er sich fokussiert, etwa auf zwei Marken mit klaren Aussagen.

Wie unterstützt Jura den Handel?

Indem wir ihm garantieren, dass wir ständig Neuheiten bringen, ständig beim Thema Vollautomat an der Spitze bleiben und ihn ständig mit neuen Dienstleistungen unterstützen. Wir haben in der Schweiz auch sehr schöne Shop-in-Shops.

Persönlich

Emanuel Probst (58) studierte an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaft. Nach verschiedenen berufliche Engagements wurde er 1985 in den Verwaltungsrat der Jura Elektroapparate berufen. 1991 übernahm er die operative Leitung und baute die Firma zum Spezialisten für Kaffeespezialitäten-Vollautomaten um. In seiner Freizeit interessiert sich Probst für Design, Architektur und Autos.

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