Marktreport: Kopfhörer

Kabellos durch die Nacht

Uhr | Aktualisiert
von Fabian Pöschl

Der Kopfhörermarkt hat eine ähnliche Entwicklung erlebt wie das Geschäft mit Smartphones: Nach dem Höhenflug folgte der Absturz. Doch einiges spricht für Hoffnung im Markt.

Der Kopfhörermarkt hat im Zuge des Smartphone-Booms stark zugelegt. Kein Wunder, schliesslich nennen mittlerweile 97 von 100 Schweizern ein Smartphone ihr Eigen, wie das Marktforschungsinstitut GFS Bern kürzlich in einer Umfrage ermittelte. Fast jeder in der Schweiz trägt also ein Abspielgerät mit sich herum und ist somit auch potenzieller Nutzer eines oder gleich mehrerer Kopfhörer. Denn laut Marktforscher Futuresource Consulting liegt der Durchschnittswert in Europa bei vier Kopfhörern pro Nutzer. Zwar sei dabei der Kopfhörer, der dem Smartphone beiliegt, schon eingerechnet. Doch Kunden würden heutzutage oft mehrere Kopfhörer als modische Accessoires für verschiedene Verwendungszwecke kaufen. Zwar machen die weltweiten Marktanteile von Sportkopfhörern gegenwärtig lediglich 4 Prozent aus, sie sollen aber bis 2018 auf das Doppelte anwachsen, prognostiziert Futuresource Consulting.

Kopfhörer als Accessoire für jeden Einsatz

Verschiedene Geräte für Sport, für unterwegs und den Musikgenuss daheim wirken sich denn auch vorteilhaft auf Umsatz und Wachstum aus. Die Verkaufszahlen in der Schweiz stiegen analog zum Smartphone-Boom stark an. Noch 2006 war der Markt gemäss Zahlen von GfK Switzerland bei 1 385 000 verkauften Kopfhörern und Headsets lediglich 52 Millionen Franken schwer. Ein Jahr später, als Apple das erste iPhone vorstellte, setzte der Markt bereits 7 Millionen zusätzliche Franken um und verzeichnete auch in den Folgejahren ein Wachstum. So stieg der Markt bis 2014 auf einen Umsatz von 124 Millionen Franken bei 2 108 000 verkauften Geräten.

Das Umsatzwachstum täuscht aber über die Tatsache hinweg, dass bereits seit 2012 weniger Kopfhörer und Headsets verkauft wurden. Mit beschleunigender Negativ­entwicklung. Lag der Rückgang 2012 noch im Dezimalbereich, sollen es dieses Jahr schon 6,7 Prozent weniger verkaufte Geräte sein, wodurch die Verkaufsmenge wieder unter die Grenze von 2 Millionen Stück fällt – erstmals seit 2009. Zum ersten Mal soll dieses Jahr auch der Umsatz fallen, und zwar um beträchtliche 10,6 Prozent auf 111 Millionen Franken.

Wachstum mit Streaming

Dass der Umsatz nicht schon früher einbrach, dürfte damit zusammenhängen, dass neue Features wie Mikrofone den Durchschnittspreis steigern. Zudem sind die Konsumenten bereit, für hochwertige Produkte und bekannte Marken einen entsprechenden Preis zu bezahlen, wie ABI-Research-­Analyst Thomas McCourtie festhält. Das dürfte auch erklären, warum Apple im vergangenen Jahr rund 3 Milliarden US-Dollar für Hersteller Beats Electronics auf den Tisch legte. Über Nacht wurde Unternehmensgründer Andre Young zum "ersten Milliardär der Hip-Hop-Szene", wie der als Dr. Dre bekannte Rapper stolz nach der Übernahme verlauten liess. Wohlgemerkt, Apple sicherte sich für die 3 Milliarden Dollar nicht nur den Kopfhörerhersteller ­Beats, sondern auch dessen Musikstreaming-Dienst Beats Music, der über Verträge mit Major- und Independent-Labels abgesichert ist. Denn im Streaming fliesst das Geld. Warner Music beispielsweise, eines der grössten Labels, verdiente im vergangenen ersten Quartal mehr Geld mit direkt aus dem Netz abgespielten Liedern als mit Downloads. Dieser Trend wiederum führt zu Wachstum im Kopfhörermarkt. ABI Research sieht es als logische Folge, dass ein wachsendes Angebot an Streaming-Diensten den Umsatz von Kopfhörern und Bluetooth-Speakern steigert.

Der Schweizer Kopfhörermarkt erlebt analog zum Schweizer Smartphone-Markt zwar ein Ende des Höhenflugs. Die Lage scheint aber besser als im Smartphone-­Markt. Denn das Zubehörgeschäft mit Kopfhörern trug im dritten Quartal des vergangenen Jahres in Westeuropa dazu bei, den Rückgang im Telekommunikationsmarkt abzuschwächen, wie Marktforscher GfK feststellt.

Weltweit auf Kurs

Im weltweiten Markt für Kopfhörer findet eine andere Entwicklung statt. Auch hier stiegen die Verkäufe in den vergangenen Jahren stark. Laut Marktforscher Futuresource Consulting kratzte der Markt im vergangenen Jahr an der 10-Milliarden-US-Dollar-Grenze. Die Analysten von Futuresource Consulting sehen den weltweiten Markt aber auch für die kommenden Jahre gut auf Kurs. So sollen die Kopfhörerhersteller bis 2017 Geräte im Wert von 11,3 Milliarden US-Dollar ausliefern.

Der weltweite Kopfhörermarkt ist stark fragmentiert und umkämpft. Neue Anbieter drängen mit Produkten in allen Preisklassen auf den Markt, wie Future Market Insights berichtet. Das führe dazu, dass die Anbieter Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen, um die Produktdifferenzierung voranzutreiben und sich von der Konkurrenz abzuheben. So hätten etwa Noise-Cancelling-­Features sowie kabellose Möglichkeiten über Wi-Fi, Bluetooth, SKAA oder Infrarot dem Markt zu weiterem Wachstum verholfen.

Genau solche kabellosen Möglichkeiten könnten dem Markt einen zusätzlichen Schub bringen, sobald Apples Smartwatch erhältlich ist. Angela McIntyre, Wearables Research Director bei Marktforscher Gartner, glaubt, dass künftig viele ihre Lieblingsmusik über die Apple Watch hören und dabei kein Verbindungskabel vom Kopfhörer zur Uhr wünschten, etwa beim Workout.

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