Internetnutzung

17 Prozent der Schweizer Bevölkerung brauchen Nachhilfe in Medienkompetenz

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von Marc Landis und tme

2023 nutzen neun von zehn Personen in der Schweiz das Internet täglich. Mit dieser weiten Verbreitung des Internets ist die Bevölkerung vermehrt problematischen Inhalten ausgesetzt. Besonders problematisch ist die mangelnde Kompetenz, solche Inhalte zu erkennen.

(Source: Freepik / Freepik.com)
(Source: Freepik / Freepik.com)

Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat die wichtigsten Ergebnisse der jüngsten Erhebung zur Internetnutzung der Schweizer Bevölkerung veröffentlicht -  mit einem besorgniserregenden Fazit: Mehr als 600'000 Menschen (oder 17 Prozent der Befragten) in der Schweiz fehlen die Kompetenzen, falsche oder zweifelhafte Inhalte zu überprüfen. Und: 60 Prozent der 15- bis 29-Jährigen geben laut dem BFS an, in den letzten drei Monaten vor der Befragung mit Hassreden im Internet konfrontiert worden zu sein.

Desinformation

Das Internet spiele eine zentrale Rolle für die Information und Meinungsbildung der Öffentlichkeit, schreibt das BFS. Die Gefahr von Desinformation im Internet nehme zu. In der Schweiz habe 2023 51 Prozent der Bevölkerung nach eigenen Angaben in den letzten drei Monaten vor der Befragung auf Informationsseiten oder auf Social Media falsche oder fragwürdige Inhalte oder Informationen gesehen.

Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz vor ihren deutschsprachigen Nachbarn Österreich und Deutschland. (Source: BFS - Omnibus IKT, Eurostat) 

Dieser Anstieg um 6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021 sei auf die intensivere Internetnutzung zurückzuführen, wodurch mehr Menschen häufiger Desinformation ausgesetzt seien. Auch ist es laut BFS "wahrscheinlich, dass quantitativ mehr falsche oder fragwürdige Inhalte im Internet veröffentlicht und geteilt werden". Da in den Medien immer wieder auf diese Problematik hingewiesen werde, hätten die Internet-User aber ein besseres Bewusstsein dafür entwickelt.

Hassrede

Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, in den letzten drei Monaten im Internet feindselige oder abwertende Botschaften gegenüber bestimmten Gruppen oder Personen gesehen zu haben, etwa in Videos, auf Social Media oder auf Informationsseiten. Im Vergleich zu den bereits genannten 15- bis -29-Jährigen, die solchen Informationen mit 60 Prozent Anteil besonders häufig ausgesetzt waren, waren es bei den über 50-Jährigen 30 Prozent.

Merkmale der betroffenen Gruppen und Personen waren demnach vor allem deren politische oder gesellschaftliche Meinungen, gefolgt von Herkunft nach "Rasse" oder Ethnie sowie Themen im Zusammenhang mit Religion. Darauf folgen sexuelle Orientierung, Geschlecht und Behinderung.

Smartphone an erster Stelle

Der Anstieg der negativen Seiten des Internets hängt wenig überraschend auch damit zusammen, dass heutzutage 98 Prozent der Bevölkerung zu Hause über einen entsprechenden Online-Zugang verfügen. Vor allem mit der weiten Verbreitung von Smartphones sei das Internet allgemein zugänglich geworden, schreibt das BFS weiter.

Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz auf dem 2. Rang. (Source: Eurostat; BFS - Omnibus IKT). 

97 Prozent der 15- bis 88-Jährigen hätten in den letzten drei Monaten vor der Befragung auf das Internet zugegriffen: 92 Prozent würden es täglich oder fast täglich nutzen und 78 Prozent mehrmals täglich. Das am häufigsten verwendete Gerät war demnach das Smartphone (96 Prozent), gefolgt von Laptops (68 Prozent), stationären Computern (47 Prozent), Tablets (43 Prozent) und anderen Geräten (37 Prozent).

"Bemerkenswert" findet das BFS in der Entwicklung seit 2021 den Anstieg der Nutzung "anderer vernetzter Geräte" wie Smart TV, Spielkonsole, E-Reader, Smart Watch usw. Dies verdeutliche die Verbreitung und Diversifizierung der vernetzten Geräte.

Digitaler Graben

Die Internetnutzung sei in der Bevölkerung dennoch sehr unterschiedlich. Zwar nutzen laut BFS insgesamt 97 Prozent das Internet, doch nur knapp die Hälfte (48 Prozent) schätzt ihre Nutzung als intensiv ein, nutzt es also täglich und während mehr als 10 Stunden pro Woche. Von den 15- bis 29-Jährigen bezeichnen sich 70 Prozent als Intensivnutzer; bei Personen mit Tertiärausbildung sind es 59 Prozent, wie das BFS weiss. Der Anteil der intensiven User variiere sehr stark nach Alter, Bildungsniveau, selbstwahrgenommener finanzieller Situation des Haushalts und auch nach dem Urbanisierungsgrad ihres Wohnortes.

Unterschiede nach Corona

Der Schock der Covid-19-Pandemie hat zu Schwankungen bei der Internetnutzung geführt, die sich laut BFS wieder normalisiert und stabilisiert haben. Die Bevölkerung buche wieder mehr Reisen und Unterkünfte im Internet, während diejenigen Online-Aktivitäten rund um Gesundheit, Bildung etc. wieder abflachten, die von 2019 bis 2021 einen sehr starken Anstieg verzeichneten; ein Rückgang sei aber nicht festzustellen; die Internet-Nutzung halte sich gegenüber 2019 auf einem höheren Niveau. Auch der Online-Handel habe sich stabilisiert: Während 67 Prozent der Bevölkerung Online-Käufe tätigten, kauften 26 Prozent  im Jahr 2023 wie bereits 2021 lieber in Geschäften ein, und 20 Prozent gaben an, dass sie kein Bedürfnis hätten, online einzukaufen.

Ausserdem verbreiten sich unabhängig von der Pandemie "einige für die stark zunehmende digitale Transformation typische Aktivitäten Nutzung von Online-Speicherplatz und -Software, vernetzten Haushaltsgeräten [IoT] und E-Banking" weiter, schreibt das BFS. Eine Stagnation oder sogar ein leichter Rückgang sei bei verbreiteten oder seit langem etablierten Aktivitäten wie der Informationssuche oder dem Lesen von Online-Nachrichten ist eine Stagnation zu beobachten.

 

Während der Pandemie nutzte die Schweiz das Internet anders. Hier lesen Sie wie.

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