Sauber, kostengünstig und skalierbar

Forscher zapfen Strom direkt aus der Atmosphäre

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von Marc Landis und rja

Forscher der University of Massachusetts Amherst haben herausgefunden, wie es möglich ist, kontinuierlich Strom aus Luftfeuchtigkeit zu gewinnen. Mit dem "generischen Air-gen-Effekt" ist nahezu jedes Material mit Nanoporen dazu in der Lage.

Saubere Elektrizität direkt aus der Umgebungsluft gezapft - das verspricht eine Forschungsarbeit der Universität von Massachusetts Amherst. (Source: phtorxp / Pixabay)
Saubere Elektrizität direkt aus der Umgebungsluft gezapft - das verspricht eine Forschungsarbeit der Universität von Massachusetts Amherst. (Source: phtorxp / Pixabay)

Ein Team von Forschern an der University of Massachusetts Amherst (UMass) hat kürzlich gezeigt, dass nahezu jedes Material in ein Gerät verwandelt werden kann, das kontinuierlich Strom aus der Luftfeuchtigkeit gewinnt. Wie die Universität berichtet, liegt das Geheimnis darin, dass man das dafür verwendete Material mit Nanoporen von weniger als 100 Nanometern Durchmesser versehen muss. Die Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift Advanced Materials veröffentlicht.

"Das ist sehr aufregend", sagt Xiaomeng Liu, Doktorand der Elektrotechnik und Computertechnik am College of Engineering der UMass Amherst und Autor der Studie. "Wir öffnen eine breite Tür für die Gewinnung von sauberem Strom aus dünner Luft". Die Luft enthalte eine enorme Menge an Elektrizität, sagt Jun Yao, Assistenzprofessor für Elektro- und Computertechnik am College of Engineering der UMass Amherst und Autor der Studie.

"Stellen Sie sich eine Wolke vor, die nichts anderes als eine Masse von Wassertröpfchen ist. Jedes dieser Tröpfchen enthält eine Ladung, und wenn die Bedingungen stimmen, kann eine Wolke einen Blitz erzeugen - aber wir wissen nicht, wie wir die Elektrizität von Blitzen zuverlässig einfangen können.

In Luftfeuchtigkeit steckt sehr viel Elektrizität, wie man an Blitzen sieht. (Source: Gavin Spear / Unsplash)

In Luftfeuchtigkeit steckt sehr viel Elektrizität, wie man an Blitzen sieht. (Source: Gavin Spear / Unsplash)

Wir haben eine von Menschenhand geschaffene, kleine Wolke gebaut, die für uns vorhersehbar und kontinuierlich Strom produziert, so dass wir ihn ernten können. "Das Herzstück der "von Menschenhand geschaffenen Wolke" beruht auf dem "generischen Air-gen-Effekt", wie Yao und seine Kollegen ihn nennen, und baut auf Arbeiten auf, die Yao und Co-Autor Derek Lovley, Professor der Mikrobiologie an der UMass, bereits im Jahr 2020 abgeschlossen hatten. Sie zeigten, dass mit einem speziellen Material aus Protein-Nanodrähten, die aus dem Bakterium Geobacter sulfurreducens gezüchtet wurden, kontinuierlich Strom aus der Luft gewonnen werden kann, wie es bei UMass weiter heisst.

Nach der Entdeckung von Geobacter sei ihnen klar geworden, dass die Fähigkeit, Strom aus der Luft zu erzeugen, sehr allgemein sei, sagt Yao. Jedes Material könne nämlich Strom aus der Luft gewinnen, solange es eine bestimmte Eigenschaft habe und zwar müsse es "Löcher haben, die kleiner als 100 Nanometer sind". Der Grund dafür ist laut Yao ein Parameter, der in der Teilchenphysik als "mittlere freie Weglänge" bezeichnet wird, was die Strecke bezeichnet, die ein einzelnes Molekül eines Stoffes zurücklegt, in diesem Fall Wasser in der Luft, bevor es auf ein anderes einzelnes Molekül desselben Stoffes stösst. Wenn Wassermoleküle in der Luft schweben, beträgt ihre mittlere freie Weglänge etwa 100 Nanometer.

"Erntemaschine" für Elektrizität

Yao und seine Kollegen erkannten demnach, dass sie auf der Grundlage dieser Zahl eine Art Elektrizitätssammler entwerfen könnten (im englischen Originaltext nennen die Forscher das Gerät "Harvester", also Erntemaschine bzw. Mähdrescher, Anm. d. Red.). Diese Erntemaschine bestehe aus einer dünnen Materialschicht, die mit Nanoporen gefüllt ist, die kleiner als 100 nm sind und Wassermoleküle vom oberen zum unteren Teil des Materials durchliessen. Da aber jede Pore so klein ist, würden die Wassermoleküle beim Durchgang durch die dünne Schicht leicht an den Rand der Pore stossen, wie UMass weiter schreibt.

 

(Source: Screenshot aus Forschungsarbeit)

So sieht das Modell einer "Erntemaschine" für Elektrizität aus Luftfeuchtigkeit aus. (Source: Screenshot aus Forschungsarbeit "Generic Air-Gen Effect in Nanoporous Materials for Sustainable Energy Harvesting from Air Humidity"; PDF-Download hier.)

Das bedeute, dass der obere Teil der Schicht mit viel mehr ladungstragenden Wassermolekülen bombardiert werde als der untere Teil, wodurch ein Ladungsungleichgewicht wie in einer Wolke entstehe, da der obere Teil seine Ladung im Vergleich zum unteren Teil erhöhe, schreibt UMass. Auf diese Weise würde eine Batterie entstehen, die so lange funktioniert, wie Luftfeuchtigkeit vorhanden ist.

"Die Idee ist einfach", sagt Yao, "aber sie wurde noch nie zuvor entdeckt und eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten". Diese Erntemaschine könnte aus buchstäblich allen möglichen Materialien hergestellt werden, was eine grosse Auswahl an kostengünstigen und umweltverträglichen Konstruktionen ermöglicht. Und da Luftfeuchtigkeit immer vorhanden sei, würde die Erntemaschine rund um die Uhr laufen, bei jedem Wetter, nachts und unabhängig davon, ob der Wind weht oder nicht, was eines der Hauptprobleme von Technologien wie Wind- oder Solarenergie löst, die nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren.

Da sich die Luftfeuchtigkeit im dreidimensionalen Raum ausbreitet und die Dicke des Air-gen-Geräts nur einen Bruchteil der Breite eines menschlichen Haares beträgt, können viele Tausende von ihnen übereinander gestapelt werden, wodurch sich die Energiemenge effizient erhöht, ohne dass die Grundfläche des Geräts vergrössert wird, wie es von UMass weiter heisst. Ein solches Air-gen-Gerät wäre in der Lage, eine Leistung im Kilowattbereich für den allgemeinen Stromverbrauch zu liefern, heisst es bei UMass weiter.

"Stellen Sie sich eine zukünftige Welt vor, in der sauberer Strom überall verfügbar ist", sagt Yao. "Der generische Air-gen-Effekt bedeutet, dass diese zukünftige Welt Wirklichkeit werden kann".


Im folgenden Videointerview erklären die Forscher, was es mit der Elektrizität aus der Luftfeuchtigkeit genau auf sich hat:

Lesen Sie auch: Das MIT hat eine äusserst energieeffiziente Kamera für den Unterwassereinsatz entwickelt. Das Gerät benötigt keine externe Stromquelle - die Kamera wird durch Schallwellen angetrieben.

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