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Das Thema Accessibility in der Informatik-Ausbildung

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von Markus Stolze, Professor für Informatik, OST, OST - Ostschweizer Fachhochschule, und Frieder Loch, Professor für User-centered Design, OST - Ostschweizer Fachhochschule

Was ist der Platz des Themas "Accessibility" in der Ausbildung von Software-Entwicklern und -Entwicklerinnen? Dieser Beitrag beleuchtet, wie das Departement Informatik der OST (Ostschweizer Fachhochschule) den Studierenden die Wichtigkeit des Themas vermittelt, ihre Kompetenzen aufbaut und selbst in die Barrierefreiheit des Unterrichts investiert.

Digitale Services, zum Beispiel Onlinebanking, Online-Einkauf und Onlineschalter, sind zentrale Elemente unseres Alltags. Dies gilt auch für Personen mit Einschränkungen etwa des Gehörsinns oder der Sehfähigkeit, die ebenfalls auf diese Anwendungen angewiesen sind. Daher ist es wichtig, dass diese Anwendungen den Zugang für alle Nutzerinnen und Nutzer gewährleisten.

In vielen Bereichen wie der öffentlichen Verwaltung gibt es deshalb Gesetze und Regeln, die verlangen, dass Anwendungen barrierefrei entwickelt werden (etwa der eCH-0059 Accessibility Standard). Somit sollte schon in der Planung einer neuen Anwendung das Thema Accessibility beachtet werden. Auch die an der Umsetzung beteiligten Software-Ingenieurinnen und -Ingenieure brauchen ein Bewusstsein für das Thema Accessibility und die zur Umsetzung notwendigen Werkzeuge und Techniken.

Accessibility – Bewusstsein der Studierenden schärfen

In der Ausbildung ist es zentral, ein Problembewusstsein für dieses Thema und die Situation von Menschen mit Einschränkungen anhand konkreter Beispiele zu schaffen. Andernfalls bleiben die entsprechenden Richtlinien (etwa WCAG 2) abstrakt. Zu diesem Zweck haben sich Live-Demonstrationen bewährt, in denen eine Person mit Einschränkungen Anwendungen mit guter und schlechter Accessibility nutzt. Der direkte Kontakt und das "Mit-Leiden" mit der demonstrierenden Person haben einen nachhaltigen Effekt auf die Studierenden und deren Empathie mit betroffenen Personen. Studierende erinnern sich noch Jahre später an diese Erfahrung.

Neben Live-Demos und Videos ist es wichtig, den Studierenden die Breite der möglichen Einschränkungen zu vermitteln. So leidet zum Beispiel ein signifikanter Teil der Personen über 60 unter Fehlsichtigkeit, Hörbeeinträchtigung oder eingeschränkter Dexterität (Beweglichkeit). Für diese Personen sind somit Farbwahl, Kontrast, Mehrfach-Kodierung von Informationen und Bedienbarkeit nur mit der Tastatur wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Nutzung digitaler Anwendungen.

Web-Accessibility – Kompetenzen aufbauen

Natürlich soll den Studierenden ein fundierter Überblick über den technischen Stand und die relevanten Werkzeuge (zum Beispiel Google Lighthouse, Validatoren,…) und Richtlinien (etwa WCAG) zur Überprüfung und Verbesserung der Accessibility vermittelt werden. Dabei ist es herausfordernd, die Lehrinhalte, Lehrmaterialien und Übungen im Gleichschritt mit der schnellen Entwicklung der Werkzeuge und Technologien weiterzuentwickeln. Vielfach ist die Entwicklung so schnell, dass es nicht sinnvoll ist, auf die Publikation von Lehrbüchern zu warten. Dann kann nur mit eigenen Unterrichtsmaterialien eine Aktualität des Unterrichts erreicht werden.

Im Gegensatz zu den Werkzeugen und Technologien sind die grundlegenden Ziele der Accessibility konstant. Guter Kontrast, gute Erkennbarkeit durch Screenreader und gute Bedienbarkeit mit der Tastatur bleiben die zentralen Gütekriterien barrierefreier Web-Anwendungen. Auch konstant bleibt der der Grundsatz, dass gute Web-Accessibility mit der Nutzung von standardkonformem HTML entsteht.

Korrekte Selbsteinschätzung der Kompetenzen etablieren

Im Rahmen eines Informatik-Bachelorstudiums und im Rahmen von Weiterbildungen im Bereich Frontend Engineering ist es nicht möglich, Studierende zu Experten für Web-Accessibility auszubilden. Studierende sollen die Wichtigkeit der Accessibility für Betroffene erlebt und verinnerlicht haben und zentrale Umsetzungstechniken in Beispielen genutzt und verstanden haben. Sie sollen in der Lage sein, mit ihrem Wissen zur Accessibility von Web-Anwendungen beizutragen. Mit einer guten Selbsteinschätzung ihrer erworbenen Fähigkeiten steht den Studierenden der Weg zum Accessibility-Experten offen. Hierbei helfen ihnen auch die Hinweise auf weiterführende Informationen wie die Webseite von "Zugang für Alle" und der von verschiedenen Schweizer Organisationen unterhaltene Accessibility Developer Guide.

Barrierefreier Informatik Unterricht

Lehrmittel mit visuellen Inhalten spielen eine wichtige Rolle in der Informatikausbildung. Gerade die Struktur von Softwaresystemen oder der Ablauf von Algorithmen wird meist visuell, zum Beispiel mit einem UML-Diagramm, dargestellt. Die Übertragung dieser Diagramme in einen Alternativtext kann das Ausgangsmaterial nicht adäquat ersetzen und zum Beispiel die räumliche Struktur von einem UML-Aktivitätsdiagramm nicht gut transportieren. Um diese Materialien barrierefrei darstellen zu können, müssen sie in ein anderes Medium transformiert werden.

Traditionell wird für diese Aufgabe der Schwellpapierdruck eingesetzt. Hierbei wird spezielles Papier bedruckt und anschliessend belichtet. Bei der Belichtung schwellen die bedruckten Teile an und können dann ertastet werden. Trotzdem hat der Schwellpapierdruck technisch bedingte Nachteile. Die Drucke verschleissen, erfordern manuellen Aufwand bei der Erstellung und lassen sich hinsichtlich Farbe und Format nicht an die Bedürfnisse individueller Studierender anpassen.

Hier stellt die additive Fertigung (3-D-Druck) einen interessanten Ansatz dar. Mit 3-D-Drucken lassen sich taktile Lehrmittel erstellen, die sich hinsichtlich Farbe und Format an die Bedürfnisse individueller Studierender anpassen lassen. Auch ist die Fertigung solcher Drucke in kleinen Stückzahlen möglich. In einem aktuellen Forschungsprojekt wird untersucht, wie sich die Erstellung von 3-D-Drucken für den Einsatz als Lehrmittel vereinfachen und teilweise automatisieren lässt.

Hierfür wurde eine Lösung auf Grundlage von Open-Source-Bibliotheken implementiert. Zunächst wird mit der OpenCV-Bibliothek ein Graustufenbild aus dem Ausgangsmaterial erzeugt, in dem die Kanten hell erscheinen. Weiterhin kann mittels OCT Schwarzschrift durch Brailleschrift ersetzt werden. Das resultierende Bild wird in Blender importiert, um ein dreidimensionales Modell zu erzeugen. Aus diesem Modell wird dann mittels einer Slicing-Engine eine druckbare Datei generiert. Alle Teilschritte sind mittels Python-Skripten automatisierbar. Ziel ist es, mit diesen Ansätzen Studierende mit einer hochgradigen Sehbehinderung beim Informatikstudium mit angepassten, einfachen Lehrmitteln zu unterstützen.

Ein UML-Diagramm. (Source: zVg)

Accessibility-Vertiefung und Brush-Up für die Alumni

Ein bekannter Spruch im Bereich Web-Entwicklung ist, dass die Haltbarkeit mancher Web-Technologien und Tools kürzer ist als die von Milchprodukten. Die Realität ist jedoch etwas anders: Viele grundlegende Konzepte im Bereich Web-Technologien haben eine lange Lebensdauer. Die Grundelemente des HTML-Standards haben sich seit 1995, der ersten offiziellen Dokumentation als HTML-2, nicht geändert. Gleichzeitig gibt es einen stetigen und teilweise auch rapiden Wechsel in spezifischen Bereichen. Technologien und Tools im Bereich Accessibility haben in den letzten Jahren einen starken Wandel verzeichnet.

Weiterbildungsangebote von Hochschulen bieten die Möglichkeit, an den aktuellen Stand der Technik herangeführt zu werden. Wenn es darum geht, sich schnell zu aktuellen "Best Practices" in spezifischen Bereichen zu informieren, können auch Kurz-Seminare und themenspezifische Events genügend Informationen für einen schnellen "Brush-Up" liefern. Als konkretes Beispiel sei in diesem Zusammenhang der Event Frontend Best Practice Meetup genannt. Der Anlass findet am 6. September 2022 statt, ist frei zugänglich und widmet sich dem Thema Accessibility.

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DPF8_256962