ICT-Reseller-Index

Jenseits des Sommerlochs lauern Gewitterwolken

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von Coen Kaat

Das Sommerloch ist da. Mit ihm ein Klima politischer Unsicherheiten, die sich negativ auf das Schweizer Reseller-Geschäft auswirken könnten. Thomas Czekala, Verfasser des ICT-Reseller-Index, sagt, worauf Unternehmen nun achten sollten.

Im Reseller-Geschäft nichts Neues. So oder so ähnlich könnte man den aktuellen ICT-Reseller-Index von Proseller interpretieren. Der monatliche Wert soll die aktuelle Lage im ICT-Reseller-Geschäft in der Schweiz widerspiegeln. Und August 2018 war ein "typischer Sommermonat", wie Proseller mitteilt.

Im August lag der Indexwert – wie zu erwarten war – unter dem Vergleichswert im Vormonat und – weiterhin – unter dem Augustwert im Vorjahr. Konkret sank der Index um 6 Prozent gegenüber dem Vormonat auf 54 Punkte. Gemessen am Vorjahreswert purzelte der Index sogar um 13 Prozent. Das Sommerloch ist da.

Ein bleibender Status Quo bedeutet jedoch nicht, dass Reseller nun nichts tun müssen oder sollen. Im Gegenteil. Schweizer Reseller sollten sich auf etwas gefasst machen, denn gemäss der Mitteilung ziehen für Reseller-Kunden neue Gewitterwolken auf.

Im globalen Netz verwoben

"Ein Kappen bestimmter Datenleitungen beziehungsweise bestimmter Informationsströme durch die USA kann dramatische Folgen haben, je nachdem, was sie lahmlegen", sagt Thomas Czekala, Verwaltungsrat bei Proseller und Verfasser des Index, auf Anfrage.

So laufe etwa das gesamte IBAN-Banking über die USA, sagt der Verwaltungsrat. Ebenso das globale Positionierungssystem GPS.

"Auch wenn sich die EU-Länder mit Galileo, die Russen mit Glonass und die Chinesen mit Beidou inzwischen unabhängig vom US-amerikanischen GPS gemacht haben, so ist dies ein gutes Beispiel für die Abhängigkeitsverhältnisse durch ICT-Technologien und welchen Aufwand andere Länder für die Lösung dieser Abhängigkeiten bereit sind aufzuwenden", sagt Czekala.

Thomas Czekala, Verwaltungsrat bei Proseller und Verfasser des ICT-Reseller-Index. (Source: Proseller)

So haben die Entwicklung und die Produktion von Galileo-Satelliten in der EU gemäss dem Verwaltungsrat zum Aufbau einer ganzen, zuvor nicht existenten Branche geführt. "Neue Branchen sind zukünftig immer ICT-lastig, so dass Schweizer Reseller aus ähnlichen Projekten sicher als Gewinner hervorgehen werden", sagt Czekala.

Was der Brexit für die Schweiz bedeutet

Auch der Brexit wirkt sich auf Schweizer Händler aus, indem etwa Lieferketten vollständig unterbrochen werden. "Die Zollabwicklung für Waren aus und nach Grossbritannien ist bislang noch nicht einmal angedacht", sagt Czekala. "Wer für sein Leben oder seinen Betrieb auf Lieferanten in UK angewiesen ist, der tut gut daran sich zu überlegen, was bei verzögerten Lieferungen als Folgeprobleme auf ihn zukommen." Als Exportland müsse die Schweiz in diesem Zusammenhang durchaus mit Umsatzausfällen rechnen.

Für Unternehmer gehört es zur Pflicht dazu, ein funktionierendes Risikomanagement zu installieren und aktuell zu halten. "Das ist gesetzlich vorgeschrieben und auch sinnvoll", sagt Czekala. "In diesem Risiko-Management wird im ersten Schritt ein Risiko-Portfolio aufgelistet."

In diesem ersten Schritt sollen sämtliche potentiellen Ereignisse aufgelistet werden, die einen wesentlichen Einfluss auf die Erreichung von Zielen haben könnten – sowohl interne als externe Ereignisse. Anschliessend müssen sich Unternehmer mit der Eintrittswahrscheinlichkeit und den möglichen Folgen dieser Risiken auseinandersetzen.

Risken kennen, Risiken verstehen

"Die potenziell negativen Ereignisse aus politischer Unsicherheit haben in letzter Zeit in den Risikoportfolios von Unternehmen an Wahrscheinlichkeit und Auswirkungsgrösse zugenommen", sagt Czekala. "Es ist also keine Stimmungsmache darüber zu reden. Vielmehr gehört es zum Pflichtprogramm von Geschäftsführern."

Zwar könne man sich nicht vollständig von ausländischen Geschäftspartnern lösen. "Das macht sicher keinen Sinn und ist für ein relativ kleines Land wie die Schweiz auch unmöglich", sagt der Verwaltungsrat.

Unternehmer sollten sich aber zumindest die Beziehungen zu anderen Organisationen und Systemen vor Augen führen. Daraus lassen sich dann die eigenen Abhängigkeiten ableiten sowie allfällige Alternativen und Verhaltensoptionen.

"Die meisten Unternehmer und Manager verdrängen dieses Thema gerne, da es potenziell unangenehme Antworten liefert", sagt Czekala. "Ähnlich wie die Frage, wer die T-Shirts produziert, die wir für 9 Franken in der Schweiz kaufen können."

Aufgrund von mehrstufigen Outsourcing-Lösungen und diversen Partnerschaften seien mittlerweile sehr komplexe Systeme entstanden. Aktuell lassen sich diese gemäss Czekala oft international kaum noch nachvollziehen.

"Der Volkswagenkonzern hat eine Fertigungstiefe von nicht einmal mehr 20 Prozent", sagt er. "80 Prozent der Leistung, die zum Bau eines Autos benötigt werden, kommen also von Zulieferfirmen, die global verteilt sind. Dies ist keine Ausnahme, sondern heute der Normalzustand."

Czekalas aktuelle Handlungsempfehlung für Reseller

Kennt eure Risiken! Wer seinen Kunden auch zukünftig noch einen qualitativ anspruchsvollen Mehrwert bieten will, muss die vierte Phase der Digitalisierung beherrschen, wie Czekala sagt. Das Risiko-Management digitaler Strukturen. "Die nötigen Kompetenzen für die vierte Phase muss der Reseller sich unbedingt aneignen."

Die vier Phasen der Digitalisierung:

  1. Die Bereitstellung von ICT-Systemen

  2. Die Digitalisierung von Prozessen

  3. Die Begleitung der beteiligten Personen im Change Management

  4. Das Risiko-Management digitaler Strukturen

"Oft höre ich, dass diese Empfehlung für die Schweizer ICT-KMU-Kultur eine 'zu hohe Flughöhe' habe und in der Schweiz eher bodenständig gearbeitet würde", sagt Czekala. Die Statistik zeige jedoch, dass die erfolgreichen Unternehmen ausnahmslos viel Zeit und Ressourcen in diese Themen investieren.

"Vielleicht geht es der Schweiz schon zu lange zu gut, so dass die anstehende Zeitenwende vom Channel schlicht weg zu spät erkannt wird", sagt Czekala. "Gerne lasse ich mich vom Gegenteil überzeugen und stehe für Fragen und Diskussionen zur Verfügung."

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