Krypto-Mining

Gamer, Geld und Grafikkarten

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Mit dem Kurs von Ether und Bitcoin explodiert die Nachfrage nach Hardware zur Erzeugung der Kryptowährungen. Besonders gefragt sind Gamer-Grafikkarten mit Chips von AMD. Miner bestellen bei den Schweizer Onlineshops tausende Exemplare.

(Quelle: herbert2512/pixabay.com)
(Quelle: herbert2512/pixabay.com)

Es sind einige der in diesem Sommer am meisten diskutierten IT-Themen: Blockchain, Kryptowährungen und GPU-Mining. Gemäss der Vergleichsplattform Coin Market Cap stieg der US-Dollar-Kurs des im Zuger "Crypto Valley" entwickelten Zahlungsmittels Ether seit Anfang 2017 bis Mitte Juli um fast 2000 Prozent. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 18,3 Milliarden US-Dollar (Stand: 19. Juli 2017) ist Ether die Nummer 2 hinter Bitcoin. Zwischenzeitlich war 1 Ether-Token sogar mehr als 40 mal so viel wert wie zu Jahresbeginn.

Grafikkarten schürfen nach virtuellem Edelmetall

Damit das Ether-Netzwerk namens Ethereum funktioniert, braucht es wie bei Bitcoin Rechenleistung. Diese können Hardware-Besitzer auf der ganzen Welt dem Netzwerk zu Verfügung stellen. Dazu eignen sich einerseits klassische Prozessoren. Viel besser lässt sich Ether aber mit Gamer-Grafikkarten schürfen. Die Chips (GPUs) dieser Karten sind auf Höchstleistung ausgelegt. Rechenzentren setzen sie bereits seit längerem für das High Performance Computing ein.

Ether wird von sogenannten Minern quasi aus dem Nichts erschaffen. Wie das im Detail abläuft, schaute sich beispielsweise die Webseite Computerbase.de genauer an.

Um möglichst viel Gewinn mit dem Mining zu erzielen, schliessen sich Miner zu Gruppen zusammen. Oder sie bauen sich selbst Rechner mit sehr vielen Grafikkarten, Mining-Farms genannt. In ihnen arbeiten tausende von Grafikkarten für Ethereum. Der Kursgewinn von Ether in den vergangenen Monaten machte das Mining immer attraktiver. Auch der Preis von Bitcoins und anderen Kryptowährungen zog markant an. Es dauerte nicht lange, bis sich der Trend auf den Markt für Grafikkarten auswirkte.

Verschiedene Hardware-Anbieter brachten indes spezielle Mining-Grafikkarten und Mining-Mainboards auf den Markt. Der Hersteller von Gaming Hardware Sapphire lancierte eine Version der Mittelklasse-Grafikkarte Radeon RX 470 als Mining Edition. Sie setzt auf den Polaris-Grafikchip von AMD und gleicht auf den ersten Blick der Variante für Spiele-PCs. Die Karte verfügt jedoch nicht über die üblichen Ausgänge zum Anschluss eines Bildschirms. Sie lässt sich also nur für das Mining von Kryptowährungen einsetzen.

Weitere Anbieter von Gamer-Hardware zogen nach. Asus, Galax und MSI stellten eigene Mining-Geräte vor. Sie setzen auf die Pascal-GPU des AMD-Konkurrenten Nvidia. Die Hersteller werben damit, dass sich verschiedene Kryptowährungen auf den Spezialmodellen schneller als auf den Standard-Versionen berechnen lassen, wie Computerbase schreibt. Sie seien ausserdem für den Dauerbetrieb geeignet. Auch Mainboard-Hersteller wie ASRock und Biostar sind auf den Mining-Zug aufgesprungen und bieten Boards mit Anschlüssen für bis zu 13 Grafikkarten an.

Die Preise steigen, die Verfügbarkeit sinkt

Die virtuelle Goldgräberstimmung habe allerdings eine Kehrseite. Marktbeobachter berichten, dass die Preise für Grafikkarten steigen und die Verfügbarkeit abnehme. Viele Modelle verteuerten sich in den vergangenen Wochen sprunghaft. Auch solche, die nicht speziell auf das Mining ausgelegt und bereits seit längerem auf dem Markt sind. So stieg auf Toppreise.ch etwa das günstigste Angebot einer Asus RX580 mit AMD-GPU und 8 Gigabyte RAM von 271 Franken Anfang Juli auf 352 Franken zur Mitte des Monats. Eine Gamer-Karte von Gigabyte mit einem 1060-Chip von Nvidia verteuerte sich seit Anfang Juni von 284 auf 336 Franken.

Auch mit der Lieferbarkeit sehe es momentan schlecht aus, zumindest bei den neueren AMD-Grafikkarten. Betreiber von Mining-Farmen würden sehr viele Geräte auf einmal bestellen. AMD habe nicht mit so einer hohen Nachfrage gerechnet und müsse seine Produktionskapazitäten erst entsprechend erhöhen, schreibt Computerbase.de. Miner wichen deshalb zunehmend auf ältere und gebrauchte Modelle aus.

In der Schweiz gekauft, auf dem Balkan geschürft

Die hohe Nachfrage nach Grafikkarten besteht auch in der Schweiz. Hier sind ebenfalls besonders die Karten mit AMD-Chips gefragt, namentlich die neue RX 580-Serie. Der Onlinehändler Digitec teilte auf Anfrage mit, dass seine B2B-Abteilung bis Ende Juni Bestellungen im Umfang von hunderten bis tausenden Geräten auf einmal erhielt. Ähnliche Zahlen nannten Daniel Rei von Competec, der Muttergesellschaft von Brack und Alltron sowie Philipp Krähenbühl, Director Group Product Marketing beim IT-Dienstleister Littlebit.

Die Grossbestellungen kämen laut Digitec hauptsächlich aus der Schweiz, aber auch von ausländischen Kunden, insbesondere aus Kosovo, Albanien und Montenegro. Eine Anfrage habe gleich 7000 Grafikkarten umfasst. Bei einem Stückpreis zwischen 300 und 429 Franken wäre das ein Umsatz von bis zu 3 Millionen Franken. Competec teilte mit, dass der "überwiegende Teil" aller verkauften Grafikkarten an den Schweizer Handel gehe. Der Rest verteile sich ungefähr gleich auf Privat- und Geschäftskunden.

Die Folge: "Grafikkarten mit RX 580 sind weltweit beinahe überall ausverkauft. […] Eine Lieferung im Sommer ist ausgeschlossen", sagt Alex Hämmerli, Mediensprecher bei Digitec. Interessenten würden deshalb auf Nvidia-Karten umsteigen. Laut Competec steigen die Beschaffungspreise "täglich", was sich auch auf die Verkaufspreise auswirkt.

Kursschwankungen und Obergrenzen

Die Entwicklung der vergangenen Wochen zeigt aber auch, wie volatil der noch junge Markt für Kryptowährungen ist. Nach dem Allzeit-Hoch Mitte Juni, verlor Ether binnen Monatsfrist kräftig an Wert. Der Kurs sank von knapp 400 auf noch 136 US-Dollar am 16. Juli. Andere Währungen wie Bitcoin reagierten ähnlich.

Rasch habe sich durch den Kursverlust die Liefersituation von Grafikkarten auf dem deutschen Markt verbessert, schreibt Computerbase.de. Ein tieferer Preis für Ether und Bitcoins dämpfe den Anreiz zum Aufbau von Mining-Farmen. Zudem führe der Einstieg von immer mehr Minern in den Markt dazu, dass der Rechenaufwand für das Errechnen eines neuen Ether-Tokens laufend steigt. Vor allem kleinere Mining-Farmen verlieren dadurch an Rentabilität, wie Ocaholic.ch berichtet.

Alex Hämmerli von Digitec bestätigte den Rückgang der Nachfrage nach AMD-Grafikkarten seit dem Hoch Mitte Juni. Der Bedarf sei aber nach wie vor "sehr gross". Das Interesse liege nun auf den Karten mit Nvidia-Chips, die besser erhältlich sind. Der Onlinehändler habe zudem Massnahmen getroffen, damit die Gamer-Grafikkarten nicht ganz in den virtuellen Bergwerken verschwinden. Pro Kunde würden maximal zwei Stück verkauft. Bestellungen aus dem Ausland storniere der Onlineshop komplett, um der Nachfrage aus der Schweizer Gaming-Community den Vorrang zu geben.

Die Miner hätten bereits darauf reagiert, indem sie mit zahlreichen Fake-Accounts jeweils zwei Karten bestellten. Solche Versuche würden aber "rigoros" aussortiert, sagte Hämmerli. Die neuen Währungen mögen ganz auf die virtuelle Welt setzen, ihr Einfluss ist aber im Markt für Hardware deutlich spürbar.

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