Bruno Schöllkopf im Interview

"Aufwand und Ertrag waren nicht mehr im Gleichgewicht"

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von Martin Freund, Multimedia-Revue

Bruno Schöllkopf ist seit anderthalb Jahren Zentralpräsident des Verbands Schweizerischer Radio-, TV- und Multimediafachhandel. Wie hat er das Jahr 2015 erlebt und welche Schwerpunkte möchte er im nächsten Jahr setzen? Schöllkopf im Interview.

Wie bewerten Sie das Jahr 2015 aus der VSRT-Perspektive?

Bruno Schöllkopf: Es war ein sehr bewegtes Jahr mit vielen Auf-und-Abs. Als Präsident einer Branche, die im Moment sicherlich leidet, stelle ich fest, dass unsere Mitglieder rentablen Geschäften hinterher rennen mussten. Ich kenne einige unserer Mitglieder und weiss, wie viel gearbeitet wurde. Aufwand und Ertrag waren vielerorts nicht mehr im Gleichgewicht. Der schwierige Geschäftsverlauf führte auch dazu, dass nur noch wenig Zeit und Raum für die Bereiche Berufs- und Weiterbildung bleiben. Die Frage, die ich mir angesichts dieser Situation stelle: Was können wir vom Verband aus tun, um wieder Vertrauen in den eigenen Beruf zu schaffen und die Angebote sowie Leistungen von Seiten des Verbands und der VSRT-Geschäftsstelle im Bewusstsein des Fachhandels wieder präsenter zu machen…

Fehlt es der Branche zurzeit an Selbstvertrauen?

Die Frage, mit der ich das ganze Jahr unterwegs war, lautete: Wie bringen wir es hin, dass auch die 'gestandenen' Leute unserer Branche wieder eine bessere Identifikation mit der eigenen beruflichen Tätigkeit und mit dem VSRT als Branchenverband erfahren? Dieser ist zwar stets da, aber man nutzt seine Angebote und Möglichkeiten noch zu wenig. Das Berufsbild ändert sich, und es gibt so viele neue Geschäftsideen, für welche die jungen Leute – nicht nur Berufseinsteiger – offen sind, die aber von etablierten Geschäften zu wenig genutzt werden. Die können wir vom Verband aus zwar nicht selber 'erobern', aber wir können den Handel ermutigen, neue Schritte zu gehen und ihm entsprechende Kurse sowie Weiterbildungen anbieten.

Wie steht der VSRT heute da?

Was die 'Corporate Identity' betrifft – was wir als Berufsverband nach aussen hin ausstrahlen –, das kann sich heute sehen lassen. Entsprechend bekommen wir von Aussenstehenden wirklich gute Rückmeldungen. Wo es eher noch hapert, ist bei der Selbstwahrnehmung. So stelle ich mir manchmal die Frage: Sehen unsere Mitglieder auch wirklich, was der Verband und die Geschäftsstelle für sie leistet, oder müssen wir hier einfach noch mehr Kommunikation nach innen leisten?

Stichwort "Corporate Identity": Sie haben ja einen neuen "Spirit" für unsere Branche definiert und auch gefordert. Muss sich ein solcher nicht noch mehr in den Köpfen aller Branchenbeteiligten verankern?

Unbedingt! Neben neuen Ideen ist es vor allem die Wertschätzung der eigenen Arbeit, die in diesem Jahr notgedrungen zu kurz gekommen ist. Hier kann man nur hoffen, dass der Fachhändler wieder Geschäftsfelder entdeckt, die Gewinn und – damit verbunden – höhere Zufriedenheit mit dem eigenen Beruf versprechen. Für die Zukunft der Branche ist es ausserdem entscheidend, neue Talente zu suchen und zu fördern. Denn mit dem Multimediaelektroniker von morgen steht und fällt eine ganze Berufsgattung. Ich traue der jetzigen Generation an Berufsleuten zu, dass sie die nächste entsprechend gut ausbildet. Dafür hat der VSRT alle Ressourcen gebündelt und unternimmt zusammen mit vielen aktiven Mitgliedern weiterhin alles, um das neue Berufsbild MME EFZ erfolgreich auf den Weg zu bringen.

Was waren die inhaltlichen Schwerpunkte der Verbandsarbeit?

Wir haben uns früh im Jahr dazu entschieden, aktives 'Lehrlingsmarketing' zu betreiben und dazu einen neuen Messestand geschaffen, der an diversen Berufsmessen zum Einsatz gekommen ist. Das Ziel war es, junge Leute beim bevorstehenden Eintritt ins Berufsleben auf das attraktive neue Berufsbild des Multimedia-Elektronikers aufmerksam zu machen. Dabei war für mich ein absolutes Highlight, wie die von uns zuvor gecoachten Auszubildenden aus unseren Betrieben den Infostand in Eigenregie betreuten und Erfahrungen aus ihrer Berufspraxis unmittelbar an die jugendlichen Besucher weitergeben konnten. Die beteiligten Lehrlinge profitierten von dieser Aktion in kommunikativer Hinsicht. Es war sehr schön zu beobachten, wie die jungen Berufsleute dabei eine hohe Identität mit dem eigenen Beruf und auch ein Zugehörigkeitsgefühl zum Verband gewinnen konnten.

Auf welches Echo stösst das neue Berufsbild des Multimediaelektronikers bei den Jungen?

Wenn man heute als Berufsgattung bei jungen Leuten wettbewerbsfähig sein will, ist ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis unverzichtbar. Wie die jüngsten Berufsmessen in Weinfelden, Basel und Zürich zeigen, steigt damit das Interesse am Beruf signifikant an. Und auch die potenziellen Lehrbetriebe spüren wieder vermehrt eine Nachfrage nach offenen Lehrstellen. Von daher beginnen sich die grossen Anstrengungen aller Beteiligten zugunsten des neuen Berufsbildes MME EFZ nun auszuzahlen.

Welche Schwerpunkte wird der VSRT im nächsten Jahr setzen?

Bezüglich der Berufsausbildung MME gilt es, Probleme in der Praxis zu erkennen und zu bewältigen. Dies betrifft einerseits die Qualitätssicherung, denn das neue Berufsbild stellt alle Beteiligten – Auszubildende, Lehrmeister und Prüfungsexperten – vor ganz neue Herausforderungen. Insbesondere müssen wir sehen, dass die gesteigerten theoretischen Ansprüche nicht auf Kosten der Praxisorientierung gehen. Hier sehen manche Lehrbetriebe die Gefahr, dass sich die komplexere Theorie für einige Lernende als zu schwer erweisen könnte. Darüber hinaus werden wir 2016 auch für unsere gestandenen Berufsleute ein Weiterbildungsangebot – beispielsweise für die Bereiche Nachfolgeplanung, Netzwerkkurse, neue Technologien – auf die Beine stellen. Ich persönlich möchte noch besser verstehen, wie der Fachhandel tickt, um die Aufgaben des VSRT mitgliedergerecht auszubauen. Wir wollen so interessant werden, dass jeder unsere Newsletter liest und mit uns die Zukunft gestaltet. Insgesamt wünsche ich mir für unsere Branche mehr Mut und auch die nötige Ausdauer, neue Projekte auf den Weg zu bringen, die wieder Freude und Wertschätzung am Beruf generieren. Dazu müssen wir vermehrt das Gespräch mit unserer potenziellen Kundschaft suchen, selbst wenn nicht jeder Kundenkontakt in einen Verkaufserfolg mündet.

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