Porträt

Kunden mental nach Hause versetzen

Uhr

Wie kann ein Fachhändler gegen Flächenmärkte wie Interdiscount und Media Markt bestehen? Marco Wegmüller, Geschäftsführer von Wegmüller Horgen, glaubt zu wissen, wie. Er setzt auf drei Marken.

Einige Horgener kennen es vielleicht noch. Das Feuerwehrdepot an der Alten Landstrasse 25. Hinter hohen Torbögen standen einst Löschfahrzeuge und Leiterwagen. Heute ist das anders. Die Tore sind nun Fenster. Schaufenster. Dahinter stehen Fernseher, Verstärker und Lautsprecher. Loewe, Revox, Piega.

Marco Wegmüller sitzt auf einer schwarz gepolsterten Liege in seiner Loewe-Galerie. Früher parkte hier ein Einsatzwagen. Heute steht hier praktisch das gesamte TV-Sortiment von Loewe. Trotzdem ist da viel Luft. Die Räume sind hoch und weit. Die ehemaligen Tore lassen viel Licht herein.

Fast das ganze Loewe-Sortiment ausgestellt

Die Fernseher in der Loewe-Galerie ruhen auf Spectral-­Möbeln. Der Boden ist mit dunklem Holz getäfelt, stellenweise liegen dicke, weiche Teppiche. "Der Kunde soll sich hier zuhause, geborgen fühlen", sagt Wegmüller und drückt einen Knopf auf einer Fernbedienung. Hinter ihm erwacht der neue 85-Zoll-Loewe zum Leben.

Ein paar Meter neben dem grossen hängt ein etwas kleineres Modell. Die Wand hinter dem Gerät bildet ein vom Boden bis zur Decke reichendes Gemälde. "Wir wollen den Kunden mental nach Hause transportieren", sagt Wegmüller. "Der Kunde soll erleben können, wie der Fernseher wirkt." Wegmüller zeigt jeden Fernseher fünf Mal. In verschiedenen Farben, in verschiedenen Aufstellvarianten. "Wenn ich weiss, dass es mehrere Lösungsansätze gibt, dann will ich die sehen." Bei ihm könne ein Kunde das ganze Spektrum anschauen und das aussuchen, was er bei sich zuhause haben wolle. Nur dann sei der Kunde am Ende zufrieden.

Seit 2004 ist Wegmüller an der Alten Landstrasse. Vorher war der Laden an der Zugerstrasse. Bis zum 25. April 1985 führte Wegmüllers Vater das Geschäft. An jenem Tag erlitt er einen Herzinfarkt und starb. Marco Wegmüller stand damals kurz vor seiner Lehrabschlussprüfung. Er lernte Fernsehelektroniker bei der Firma Janser & Kälin in Wädenswil. Der Tod seines Vaters stellte Wegmüller vor die Wahl: Direkt ins Geschäft einsteigen? Oder doch lieber erst etwas anderes machen?

Ausbildung zum Berufspiloten in den USA

Wegmüller entschied sich für Letzteres. Als Erstes ging er zum Militär und leistete dort seine Pflichtzeit. Dann sagte er sich: "Ich will jetzt nicht ins Geschäft einsteigen und dann mit 40 das Gefühl haben, dass ich immer etwas anderes machen wollte." Wegmüller zog es weg von Fernsehgeräten. Nach dem Militär ging er zur Swissair, liess sich zum Flugzeugelektroniker ausbilden. Irgendwann wollte er sich dann selbst in die Lüfte schwingen. Er ging in die USA und machte die Ausbildung zum Piloten. Erst die Privatlizenz, später die Berufslizenz. Als er in die Heimat zurückkehrte, stand es um den Pilotenberuf schlecht. Swissair entliess Piloten, statt neue anzustellen. Crossair war auf dem Weg in die Versenkung. Der Laden seines Vaters florierte hingegen. Wegmüllers Mutter hatte die Geschäftsführung übernommen. Erfolgreich.

Jüngerer Bruder unterstützt das Geschäft seit 2004

"Es war eigentlich immer schon klar, dass ich irgendwann ins Geschäft einsteigen würde", sagt Wegmüller. 1990 tat er das dann. Wegmüller wollte den Laden aber nicht als eines von 10 000 anderen Radio-TV-Geschäften weiterführen. Er wollte sich abheben von der Masse. "Das kann man nicht in einem kleinen Lädchen mit grünem Teppich", sagt Wegmüller. Er brauchte Platz. Im alten Feuerwehrdepot fand er ihn. Mit dem Umzug dorthin stieg Wegmüllers Bruder Silvio ins Geschäft ein. Er ist gelernter Multimediaverkäufer.

Mit der Unterstützung von Loewe entstand als Erstes die heutige Loewe-Galerie. Nach und nach gestaltete Wegmüller dann die anderen Räume. Heute gibt es eine Bar, ein Lounge, eine Vergleichsecke, wo er einige wenige TV-Geräte anderer Hersteller zeigt. Panasonic und Samsung findet man dort. Im Hinterzimmer geht es in die Hi-Fi-Welt von Piega. Fast das ganze Sortiment des Horgener Herstellers zeigt Wegmüller hier.

Beratungsdiebstahl durch andere Händler

Mit dem Laden ist Marco Wegmüller nun zufrieden. «Wir sind jetzt elf Jahre hier und arbeiten sehr erfolgreich», sagt er. Wegmüller schwärmt vom Projektgeschäft. Immer wieder begleite er Kunden, die ihn etwa beim Hausbau von Anfang an dabeihaben wollen. Rund 30 Prozent seines Umsatzes mache er mit Projekten. Hier gebe es auch noch richtige Margen.

"Aber", sagt Wegmüller, «wir müssen uns den neuen Herausforderungen stellen.» Er meint den Onlinehandel und den Beratungsdiebstahl. Letzteren erlebe er immer wieder. Andere Loewe-Händler würden ihre Kunden mitunter zu ihm schicken. Bei ihm könnten sie fast jedes Loewe-Gerät anschauen. Anschliessend kaufen sie dann aber bei "ihrem" Loewe-Händler.

Dagegen kann Wegmüller nicht viel machen. Die Herausforderung online will er aber angehen. Wie genau weiss er noch nicht, aber er ist sich sicher, dass er etwas tun muss.

Und nicht nur er muss etwas tun. Die Branche wandle sich, sagt Wegmüller. "Der erste Schritt war die Spezialisierung, die Abgrenzung vom Mainstream, von Flächenmärkten wie Mediamarkt und Interdiscount." Viele Händler hätten diesen Schritt aber noch nicht gemacht. Sonst würden sie mehr Loewe statt Samsung verkaufen. Wegmüller räumt aber ein, dass man nicht an jedem Ort Loewe verkaufen könne. "Wir haben das Glück, in einer Region zu sein, die eine relativ hohe Kaufkraft hat", sagt er.

Online neue Nischen erschliessen

Gleichzeitig dürften sich Fachhändler nun nicht zum ­Online-Discounter wandeln. "Wir müssen ein Fachgeschäft bleiben. Wir müssen nach wie vor mit Beratung punkten. Wir dürfen uns aber nicht vor dem Internet verschliessen", sagt Wegmüller. Gegen aussen öffnen, nennt er es. Über das Internet könne man eine breitere Masse ansprechen. Das sei wichtig, denn es gebe heute praktisch keine Kundentreue mehr. "Gegen die grossen ­Onlineshops können wir nicht ankommen. Wir müssen versuchen, im Onlinegeschäft eine neue Nische zu ­erschliessen", sagt Wegmüller. Nicht die Billigschiene fahren, sondern online auf einem gehobenen Niveau verkaufen. Wegmüller hofft so, eine neue Klientel erschliessen zu können. "Leute, die keinen Billigramsch, sondern qualitativ hochwertige Produkte online kaufen wollen", sagt er.

Tags
Webcode
4803