Abstimmungssonntag

RTVG-Revision führt zu SRG-Debatte

Uhr | Aktualisiert
von Fabian Pöschl

Der RTVG-Abstimmungskampf ist in vollem Gang: Die Befürworter versprechen tiefere Gebühren, die Gegner warnen vor einer Zwangssteuer für alle. Im Fokus steht aber der Service Public.

Nächsten Sonntag wird sich das Schweizer Stimmvolk entscheiden müssen. Sagt es Ja zur RTVG-Revision, müssen alle Haushalte eine jährliche Billag-Gebühr bezahlen. Die heutige geräteabhängige Empfangsgebühr entfiele. Begründet wird die Revision damit, dass heutzutage nicht nur über den Fernseher, sondern auch übers Handy, das Tablet und über den Computer ferngesehen wird.

Medienwissenschaftler Manuel Puppis von der Universität Freiburg sieht das neu angestrebte Finanzierungssystem im internationalen Vergleich als zeitgemäss. Auch in anderen Ländern bedinge die Digitalisierung Reformen, erklärte er an einer Pressekonferenz des überparteilichen Komitees "Ja zum RTVG". Wenn alle bezahlen, gibt es keine Schwarzseher mehr, so der Plan. Die Gebühr pro Haushalt koste rund 400 Franken im Jahr statt wie bisher 462 Franken. So verspricht es der Bundesrat. Unternehmen, von denen viele noch keine Gebühren zahlen, träfe es nach Annahme der Revision härter. Ihre Gebühren stiegen ab einem Jahresumsatz über 500 000 Franken stufenweise an. Das beträfe zwar nur rund ein Viertel aller Unternehmen, wird aber vom Schweizerischen Gewerbeverband per Referendum bekämpft.

"Der Bundesrat will zuerst das Geld"

Dieter Kläy, der zuständige Ressortleiter des Gewerbeverbands, spricht von einer unfairen Zwangssteuer, die alle betreffe. "Unternehmer sogar gleich doppelt, privat und im Betrieb." Kläy warnt vor rasch steigenden Gebühren und kritisiert zudem, dass der Bundesrat "zuerst das Geld will, bevor überhaupt klar ist, was die Bevölkerung künftig vom Radio und Fernsehen will".

Obwohl der Stimmbürger über eine technische Umstellung zur geräteunabhängigen Medienabgabe entscheidet, dreht sich der Wahlkampf zunehmend um die SRG und ihren Auftrag für die Gesellschaft. An einer Paneldiskussion des Europainstituts zeigte der SRG-Generaldirektor, Roger de Weck, Verständnis für die Diskussion, erinnerte aber an die Relevanz des Service Public. Mit relevanten Inhalten auch zur Primetime, die fast immer für private Fernsehanstalten ein Verlustgeschäft wären, sei die SRG ein "Schlüssel zur Schweizer Stabilität". Ihr Service Public sichere die Medienvielfalt und sei ein Zeichen gegen die zunehmende Privatisierung in der europäischen Medienlandschaft. "In Frankreich sehen nächstes Jahr viele die Fussball-Europameisterschaft nicht im Fernsehen", sagte de Weck. Die SRG sei bereit, ihr Angebot zu verändern, aber nicht grundlegend. Genau das wünscht sich aber Urs Meister, Projektleiter von Avenir Suisse, der die SRG gerne zum Inhaltelieferant im Stile einer kostenlosen Nachrichtenagentur umwandeln würde. Die SRG würde dann etwa die Fussball-EM für die unterschied­lichen Distributionskanäle der Privaten bereitstellen. Doch selbst der an der Podiumsdiskussion anwesende Verleger Peter Wanner reagierte skeptisch auf diesen Vorschlag. Obwohl er davon profitieren könnte, fürchtet er sich vor dem Verlust der Vielfalt, sollte diese "Agentur" Redaktion und Produktion vereinen. Er wünscht sich deshalb eine SRG als reine Produktionsgesellschaft.

Service Public unverzichtbar

Medienwissenschaftler Mark Eisenegger warnte an der Podiumsdiskussion davor, die SRG aus dem zunehmend kleiner werdenden Medienmarkt zu nehmen. Die SRG halte die Qualitätsstandards hoch. Zwar sende auch sie Unterhaltungsformate, die brauche es aber für eine gewisse Aufmerksamkeit. Er hält den Service Public für unverzichtbar, weil er ausser der Integration (insbesondere durch die sprachregionalen Informationssendungen) auch den Markt fördere. Eisenegger plädiert deshalb für neue Vorschläge, etwa eine direkte Förderung der privaten Sendeanstalten.

Die Diskussion um den Service Public dürfte also auch nach der Abstimmung weitergehen.

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