Internetkonnektivität

Jetzt kommt der "Smart Dealer"

Uhr | Aktualisiert
von Albrecht Gasteiner

Webbrowser, Internetverbindung, Facebook, Youtube und Co. haben Konsumenten längst für sich entdeckt und in ihren Alltag integriert. Und durch Internetkonnektivität sind Fernseher und Telefone "smart" geworden. Höchste Zeit, dass es auch der Fachhändler wird.

(Quelle: hdtv-forum.ch)
(Quelle: hdtv-forum.ch)

Traditionen haben ein zähes Leben. Das lässt sich nicht nur an Landsgemeinden, Jassregeln und Schwingfesten ablesen, man sieht es ebenso auch am "eidgenössisch konzessionierten Radio- und Televisionsfachgeschäft". Noch heute gibt es dort, wie schon vor Jahrzehnten, in adretter Präsentation alles, was man für das genussvolle "Lean-back"-Konsumieren (to lean back = sich zurücklehnen, Anm. d. Red.) von Bildern und Klängen im Wohnzimmer braucht - aber nichts sonst. Für die "Lean-forward"-Beschäftigung (to lean forward = sich nach vorne beugen, Anm. d. Red.) mit Computern sind ganz andere Läden zuständig. Diese verströmen in der Regel den leicht muffigen Charme von Do-it-Yourself- und Bastlershops, bevölkert von übernächtigten Sonderlingen, die sich in geheimnisvollem Fachchinesisch verständigen und die es für normal halten, dass Computer ständig abstürzen und nur durch ständige "Updates" mühsam am Leben zu erhalten sind.

Kein Wunder, dass jeder auch nur einigermassen mit Sinn für Ästhetik ausgestattete Mensch beim Gedanken an einen Computer im Wohnzimmer Pickel bekommt. "Computer". Das Wort riecht nach Büro, nach Arbeit, nach Stress. So ein grottenhässlicher Kasten, der Lärm macht, der nie richtig funktioniert, der Tastatur und Maus auf dem Tisch fordert, dessen Kabelverhau die Gemütlichkeit zerstört? "Kommt nicht in Frage! Unter gar keinen Umständen! Nur über meine Leiche!"

Und dann geht dieser Mensch hin und kauft sich einen neuen Fernsehapparat. Natürlich einen "Smart-TV", der ist schick und praktisch – aber ein Wolf im Schafspelz. Denn die Bezeichnung "Fernsehapparat" ist purer Etikettenschwindel. Ohne es zu ahnen, hat der Mensch in Wirklichkeit nämlich einen Computer gekauft, einfach einen mit grossem Bildschirm. Ein Blick in die Gebrauchsanleitung macht die Sache klar. Da stehen Dinge wie

• Dual-Core Prozessor,
• Webbrowser,
• Internetverbindung,
• Facebook, Youtube etc.,
• Multitasking,
• Aufnahme auf Harddisk oder USB,
• Unterstützung von HTML 5 und Flash,
• eingebaute Webcam und Mikrofon,
• Ordner zum Abspeichern von Favoriten,
• Apps, Games und Chats,
• Bedienung via Funktastatur, Smartphone oder Tablet.

Also bitte: Wenn das kein Computer ist!

Wie an jeden anderen Computer, lassen sich auch an diesen Fernseher eine ganze Reihe von Peripheriegeräten anschliessen. Blu-ray Player, Camcorder und so weiter. Doch seine Hausaltar-ähnliche Rolle als Zentrum für Information und Unterhaltung hat er verloren. Für die Nutzer steht das Fernsehen heute nämlich gar nicht mehr so exklusiv im Zentrum des Interesses. Das Gerät läuft zwar noch mehr als früher, aber man bringt ihm viel weniger Aufmerksamkeit entgegen. Junge Menschen haben sich daran gewöhnt, sich während des Fernsehens ergänzende Informationen aus dem Internet zu holen, SMS oder E-Mails zu schreiben, in sozialen Netzwerken mit Freunden über den laufenden Film zu "chatten" oder einfach nur mehr oder weniger planlos im Internet zu surfen. Da sind Laptop, Smartphone und Tablet nun plötzlich mindestens ebenso wichtig wie der Fernseher.

Und was rückt an seine Stelle? Ist doch klar: Das Internet. Das beseitigt zunächst einmal den Zwang, ein Gerät per Kabel an ein anderes – und eben nur an dieses eine – anzuschliessen. Alles was mit Information, Unterhaltung oder Telekommunikation zu tun hat, ist jetzt in ein Heimnetzwerk integriert und so zuallererst mit dem Internet verbunden. Das hat zur Folge, dass sich nun jedes Gerät mit jedem anderen verbinden kann und daraus ergibt sich für den Benutzer eine geradezu explosionsartige Vermehrung der Möglichkeiten.

Ein paar Beispiele. Während eine Fernsehsendung oder eine Blu-ray Disc läuft, kann man nicht nur dasselbe Programm auch auf Smartphone oder Tablet verfolgen (und im Bedarfsfall zu einer dringenden Sitzung im kleinsten Raum der Wohnung mitnehmen), man kann dort auch via Internet parallel zum Programm angebotene Zusatzinformationen abrufen oder mit Gleichgesinnten über den laufenden Film diskutieren. Man kann Waren bestellen, Kommentare zur laufenden Fernsehsendung abgeben, kann live an Wettbewerben, Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. Ob Fotos, Videos, Texte oder Mails aus irgendeiner Komponente im Heimnetzwerk: Jede Information ist jederzeit und überall verfügbar, ob zu Hause oder unterwegs. Und so beantwortet man, wo immer auf der Welt man gerade sein mag, vom Tablet aus seine Mails, man programmiert mit dem Smartphone aus der Ferne das Aufnehmen einer Fernsehsendung und man kontrolliert während der Ferien über die Webcam des Fernsehgerätes, ob zu Haus alles in Ordnung ist. Ausserdem steht die gesamte auf dem Heimcomputer gespeicherte Musik-, Foto- und Videosammlung an jedem Punkt der Welt zum Abrufen bereit, sofern es dort einen Internetzugang gibt.

Neuerdings lassen sich auch Fotokameras ins Heimnetzwerk integrieren. Die heissen logischerweise "Smart-Camera" und sie senden ihre frisch geschossenen Bilder direkt an Fernsehgerät, Computer oder Smartphone, an Youtube, Facebook, Picasa, per E-Mail-Attachment an Freunde oder gleich hinauf in die "Cloud". Sogar fernsteuern lassen sie sich: Am Smartphone sieht man den Bildausschnitt, man steuert Blitz und Zoom, man löst ferngesteuert aus und bekommt das geschossene Bild gleich auf sein Smartphone geliefert. Dass man mit dieser Technik auch aus den Ferien via Smartphone sein Haus überwachen, die Storen bedienen und den Rasensprenger ein- und ausschalten kann, sei hier nur am Rande erwähnt.

Und wer damit noch immer nicht genug hat, der kann jetzt auch eine Personenwaage in sein Netzwerk einbauen, dem Fernseher seine Grösse und sein Gewicht mitteilen und sich ein massgeschneidertes Fitnessprogramm verordnen lassen. Auf dem Bildschirm sieht er dann einen athletischen Vorturner und zugleich sich selbst beim jämmerlichen Versuch, dessen Übungen nachzumachen. Die solchermassen verbrannten Kalorien werden berechnet, Trainingserfolge protokolliert – und das alles für verschiedene Familienmitglieder, die die Kamera automatisch erkennt.

So weit, so wunderbar. Doch Achtung: Wer naiv genug ist, zu meinen, er könne für so ein komplettes Heimnetzwerk einfach ein paar Geräte aus dem Webshop kommen lassen und damit gleich loslegen, der wird ziemlich unsanft auf den harten Boden der Realität knallen. Denn schliesslich haben wir es hier mit Computern zu tun, mit Routern und Repeatern, mit IP-Adressen, Anmeldungen, Freigaben und Handshakes, mit Passwörtern, Protokollen, Firewalls, DLNA , Wi-Fi, und einer Unzahl versteckter Fallen und potentieller Unverträglichkeiten. Also braucht es zum Planen und Einrichten unbedingt Fachleute mit Erfahrung im Umgang mit der Dreifaltigkeit der Heimelektronik: Audio/Video, Computer und Telekommunikation. Unter den klassischen Radio- und Fernsehhändlern sind solche Spezialisten kaum zu finden. Und sehr viele Händler sind auch gar nicht daran interessiert, sich Kenntnisse einer – wie sie meinen – fremden Branche anzueignen.

Damit machen sie sich selbst zum überholten Auslaufmodell und sie bereiten das Terrain für einen neuen Typ von Fachhändler, den "Smart Dealer". Dieser hat seine Wurzeln eher in der Computerbranche, er ist neugierig, phantasievoll und beweglich, und vor allem kennt er keine Trennlinien zwischen A/V, IT und Telecom. Natürlich stehen in seinem Laden die modernsten Fernsehgeräte, aber gleich daneben auch Router, Repeater, Laptops, Fotokameras und Tablets. Und vor allem: Er sorgt dafür, dass diese Geräte harmonisch zusammenspielen. Seine Erfahrung ist wertvoll und gefragt. Und so verdient er mit Planung, Installation, Zubehör, Updates und Service mehr Geld als am Geräteverkauf, denn das Ganze ist dem Kunden mehr wert als die Summe seiner Komponenten.

Keine Frage: Die Zukunft gehört dem "Smart Dealer".

Der Autor

Albrecht Gasteiner ist Gründer und Betreiber von www.hdtv-forum.ch.

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