Smart Grid Switzerland

"Es braucht viel mehr Grips in unseren Netzen"

Uhr | Aktualisiert

Der Weg zur Energiestrategie 2050 führt über intelligente Stromnetze. Sogenannte Smart Grids. Einige kleine Energieversorger wie die Technischen Betriebe Glarus Nord oder EFA Energie Freiamt im Kanton Aargau wagen erste Gehversuche. Und in Neuendorf versuchen sich IBM und die Migros an einem virtuellen Kraftwerk. Tropfen auf den heissen Stein oder Pionierarbeit?

Wie viel Strom verbraucht das Migros-Tiefkühllager in Neuendorf? So viel wie 4000 Haushalte. Das ergibt eine Stromrechnung von 2,5 Millionen Franken im Jahr. Da die Temperaturen im Inneren des Kühlhauses von minus 30 bis minus 20 Grad schwanken können, müssen die Kühlanlagen aber nicht zwingend ununterbrochen laufen. Die Migros, IBM, Swissgrid, der Energieversorger BKW und das Bundesamt für Energie wollten sich dies zunutze machen. Nicht um Strom zu sparen, sondern um das Stromnetz zu stabilisieren.

Der Versuch verlief erfolgreich, wie Norbert Ender, Leader Smart Cities bei IMB Schweiz, im Rahmen der Powertage Zürich an der Veranstaltung Smart Grid Switzerland sagte. Das Kühllager in Neuendorf habe sich als Energiepuffer bewährt. Wenn genügend beziehungsweise zu viel Strom im Netz ist, wird die Kühlanlage hochgefahren. Ist zu wenig Strom im Netz, wird die Kühlanlage gedrosselt oder ganz abgeschaltet. Der überschüssige Strom kann dann anderen Ortes genutzt werden.

Trotzdem ist das Projekt nur ein Teilerfolg. In der Schweiz könnte nämlich mehr als die Hälfte der Regelenergie, die bislang aus Pumpspeicherkraftwerken generiert wird, über grosse Lasten wie etwa von dem Migros-Kühlhaus erzeugt werden. Deshalb wollen die Verantwortlichen das Projekt nun mit einem zweiten Lastnehmer ausweiten.

EWs müssen zusammenarbeiten

Obwohl die Technischen Betriebe Glarus Nord und EFA Energie Freiamt im Kanton Aargau ebenfalls Impulse in Richtung Smart Grid setzen, gibt es noch viele ungeklärte Fragen. In der Podiumsdiskussion am Ende der Veranstaltung am Dienstag wies Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie darauf hin, dass es noch keine gemeinsame Definition für Smart Metering und Smart Grid gebe. Und solange sich die Branche uneins sei, könne der Bund auch keine gesetzlichen Grundlagen legen. Es müssten alle vom Gleichen sprechen.

Trotzdem betonte auch Zünd, dass für die Energiestrategie des Bundes intelligente Netze und Steuerungen unumgänglich sind: "Es braucht viel mehr Grips in unseren Netzen als das bisher der Fall ist". Doch es braucht nicht nur mehr Grips. Es müssen auch alle an einem Strang ziehen. Die Technologien seien bereits vorhanden, sie müssten nur genutzt werden, sagte Norbert Ender in der Podiumsdiskussion.

Tony Bürge, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Glarus Nord betonte, dass sich die EWs in Gruppen zusammenschliessen müssen. Alleine könnten die kleinen Energieversorger und Netzbetreiber die Energiewende nicht stemmen. Technische Lösungen könnten sie nur gemeinsam finden.

Datensicherheit und Datenschutz im Auge behalten

Damit sprach Bürge im Sinne Zünds. Sie redete ebenfalls von Zusammenarbeit, ging aber noch einen Schritt weiter und nahm das Wort Verschmelzung in den Mund. "Wir werden uns in einer Art Matrix wiederfinden. Wenn wir heute über die Smart-Technologies reden, dann sollten wir immer im Hinterkopf behalten, dass nicht die Technologie smart sein muss, sondern unser Denken."

Norbert Ender lag auch das Thema Datensicherheit und Datenschutz am Herzen. Intelligente Stromnetze, vernetzte Häuser und eine vernetzte Industrie werden eine riesige Menge an Daten generieren. Das berge auch wiederum Risiken, die es zu minimieren gelte. Nach der IT-Branche seien die Top-Ziele der Cyber-Kriminellen die Versorgungsbetriebe.

Deshalb sei es wichtig ein Auge auf Angriffe und Bedrohungen zu haben und entsprechende Lösungen zu entwickeln. Der Branchenverband Swissmig veranstaltet eigens zum Thema Datensicherheit und Datenschutz eine Tagung am 26. September in der Umweltarena Spreitenbach.

Weitere Projekte laufen

Das Projekt von Migros und IBM ist allerdings nicht das einzige seiner Art. In der Branche formt sich eine wachsende Bereitschaft für derartige Leuchtturmprojekte, wie sie Michael Moser, Bereichsleiter beim Bundesamt für Energie, nennt. Alpiq, Infrawatt und Ingenieure von Ryser führen mit Unterstützung des Bundesamts für Energie ein Projekt durch, das sich mit dem Pooling von Wasserversorgungs- und Abwassereinigungsanlagen sowie der Bereitstellung von sekundärer Regelenergie am Markt befasst.

Ein weiteres Projekt ist die Be-Smart-Initiative von Swisscom Energy Solutions, das Regelenergie mittels der Steuerung von Wärmepumpen und Boilern in Privathaushalten bereitstellt. Mit dem Projekten Warm Up und Warm Up 2 verfolgt EWZ ebenfalls mit Unterstützung des Bundesamts für Energie ein ähnliches Ziel. "Es gibt also durchaus Bestrebungen, neue Akteure in den Markt zu 'überführen'. Aber wir können nur unterstützen bei der Erforschung/Entwicklung der Grundlagen, so dass auch die Kosten auf ein konkurrenzfähiges Niveau sinken", sagte Moser.

Webcode
355