Im Gespräch mit Thomas Rudolph, HSG

"Der Onlinehandel deckt 21 Prozent des CE-Bedarfs"

Uhr | Aktualisiert
von Marc Landis

Prof. Dr. Thomas Rudolph leitet das Institut für Retail Management an der Universität St. Gallen. CEtoday traf den Hochschuldozenten des Forschungszentrums für Handelsmanagement an der CE Expo in St. Gallen, um mit ihm über den Onlinehandel, Preiszerfall und Zukunftsstrategien für den Fachhandel zu sprechen.

Wie sehen Sie den Consumer-Electronics-Markt in der Schweiz? Wie steht die Schweiz da?

Thomas Rudolph: Die Schweiz steht eigentlich gut da, weil die Konsumneigung und das Interesse an Unterhaltungselektronik-Produkten hoch sind. Das Problem ist allerdings, und da erzähle ich Ihnen nichts neues, der Preiszerfall in fast allen Produktkategorien. Das führt zu einem Verteilungskampf dieser geschrumpften Umsätze, der schon seit einigen Jahren im Gang ist. Das ist eine Herausforderung für die ganze Branche. Die grosse Herausforderung für die stationären Händler ist heutzutage vor allem das Internet und wie man damit umgeht.

Und wie geht man damit um?

Nun, einige der etablierten, vor allem grösseren Kanäle etwa Melectronic, Interdiscount, Media Markt haben angefangen, sich an den Onlinehandel heranzutasten. Allerdings mit unterschiedlichem Erfolg.

Was empfehlen Sie dem Fachhandel in diesem Zusammenhang? Er kann ja nicht zum Onlinehändler werden, oder?

Nein, das muss er nicht. Fakt ist aber: Der kleinflächige Fachhandel muss sich weiterentwickeln, er muss versuchen, seinen Mehrwert noch besser rüberzubringen. Deshalb wäre es falsch, einfach einen Onlineshop an seine Website anzuhängen. Er muss sich aber das Internet zu Nutze machen und sich gleichzeitig zum Angebot des Onlinehandels abgrenzen.

Was kann er denn konkret tun?

Das Internet wird von den meisten Konsumenten in erster Linie als Informationskanal genutzt und dann kaufen diese doch in einem stationären Geschäft. Dieser sogenannte ROPO-Effekt (research online, purchase offline, Anm. der Red.) ist eine Riesenchance für den Fachhandel. Denn in dieser dem eigentlichen Verkauf vorgelagerten Phase macht sich der Konsument ein Bild des Angebotes, sucht nach Lösungen für sein «Problem». Händler, die in dieser Phase mit einem aussagekräftigen Informationsangebot punkten, haben gute Chancen, dann auch den Deal zu machen. Leider ist es aber so, dass gerade der Fachhandel in diesem Bereich schwach aufgestellt ist. Oft wird er nicht gefunden, weil die Website etwa nicht suchmaschinenoptimiert ist. Und wenn er doch gefunden wird, ist das Angebot an Infos und nützlichem Content auf der Website oft enttäuschend. Oder es gibt unter Umständen gar keine Internetpräsenz. Dieses Problem ist allerdings nicht so einfach zu lösen. Denn eine gute Internetpräsenz erfordert nicht unerhebliche personelle und finanzielle Investitionen, die für einen Fachhändler oft nicht zu stemmen sind. Die Einkaufsgruppen könnten aber solche Konzepte für ihre Mitglieder entwickeln.

Wie könnte so ein Konzept aussehen?

Man müsste unbedingt über eine Cross-Channel-Strategie nachdenken, also Online- und Offline-Aktivitäten in das Konzept miteinbeziehen und die beiden Kanäle sinnvoll verbinden. Denn die Informationssuche durch Endkonsumenten im Internet nahm in den letzten Jahren massiv zu und hat auch von 2011 bis 2012 wieder zugenommen. Als Händler sollte man sich fragen, welche Informationen man in welcher Form online zur Verfügung stellen möchte. Das Ziel muss ja sein, eine Interaktion mit dem potenziellen Kunden zu erreichen, die idealerweise zu einem Verkaufsabschluss führt. Man könnte etwa versuchen, Beratungstermine zu vereinbaren oder besonders gelungene Heiminstallationen zeigen. Das wichtigste ist, dass man Flagge zeigt im Internet, dass man sagt: Schaut, das sind wir und diese Probleme lösen wir besser alle anderen Anbieter! Auf keinen Fall sollte man darauf warten, dass der Onlinehandel Fehler macht und darauf hoffen, dass allenfalls enttäuschte Onlinekunden irgendwann reumütig zum stationären Handel zurückkehren. Das ist die falsche Strategie.

Braucht es den klassischen Radio-TV-Handel in Zukunft noch?

Ja, es braucht ihn für die Zielgruppe, die explizit ein Serviceangebot sucht. Diese Zielgruppe wächst langfristig und zwar aufgrund der demographischen Entwicklung. Die Bevölkerung wird immer älter und dadurch wird auch das Servicegeschäft mit Heimlieferung, Installation, Programmierung und Entsorgung von Altgeräten langfristig immer wichtiger. Allerdings haben auch grosse Händler, Retailer und E-Tailer dieses Bedürfnis erkannt. Die Frage ist, ob nur der Fachhandel darauf besser und überzeugender als die Filialisten reagieren kann. Der Druck auf den Fachhandel wird sich meiner Prognose nach auch in seiner Spezialdisziplin, dem Servicegeschäft, erhöhen.

Braucht es in Zukunft noch alle Verkaufskanäle?

Der stationäre Handel wird nicht aussterben, wenn Sie das meinen. Er hat Vorteile gegenüber dem Onlinehandel. Man kann die Ware live sehen, anfassen, sich mit einem Verkaufsberater unterhalten und Ratschläge bekommen. Das wird auch in Zukunft eine Bedeutung haben. Die Marktanteile der verschiedenen Kanäle werden sich aber mittel- und langfristig verändern. Der stationäre Handel muss Online-fähiger werden und die Verlinkung mit dem Internet stärker suchen.

Und wer wird die Nase vorn haben?

Gemäss unserer neuesten Studie werden 21 Prozent des Bedarfs an Unterhaltungselektronik heutzutage bereits über den Online-Verkaufskanal gedeckt. 21 Prozent! Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht? Wie Sie vielleicht wissen, traf ich mich damals noch regelmässig im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der CE-Branche und wir haben damals alle gesagt: Mehr als ein Prozent wird nie über den Onlinehandel gehen. Wir haben uns alle um einen Faktor 20 geirrt. Wie sich die Marktverhältnisse im CE-Handel weiter verschieben werden, hängt nun unter anderem davon ab, wie die etablierten (Offline-)Händler reagieren und wie sie das Thema Onlinehandel angehen. Und es gibt auch ausländische Anbieter wie etwa Amazon, die versuchen über ihre Onlineshops in der Schweiz zu fischen. Deshalb sind Prognosen schwierig. Aber wenn ich sehe, wie stark der Internethandel von 2011 auf 2013 zugenommen hat, dann ist der Onlinekanal (häufig in enger Cross-Channel-Abstimmung mit dem stationären Vertrieb) ganz klar auf der Gewinnerseite.

Welchen Einfluss haben Social Media auf den CE-Fachhandel und braucht der Fachhandel eine Social-Media-Strategie?

Das ist ein heisses aber auch ein schwieriges Eisen. Gemäss unserer Internetstudie haben Social Media 2013 im Vergleich zu 2011 nur leicht an Bedeutung gewonnen. Trotzdem ist es wahrscheinlich so, dass sich gewisse Kunden durch Social Media in ihrer Kaufentscheidung beeinflussen lassen. Wie viele das sind, und wie ausgeprägt diese Beeinflussung im CE-Bereich ist, kann ich nicht genau sagen. In Kürze erscheint aber unser neues Branchenprofil zum Elektronikhandel Schweiz. Wenn Sie die Zielgruppe anschauen, die Social Media vor allem nutzt, dann ist das eher ein jüngeres Publikum. Die Kundschaft des CE-Fachhandels ist aber eher älter. Doch auch diese Menschen nutzen soziale Medien immer häufiger. Man muss die Entwicklung beobachten und es lohnt sich bestimmt, sich darüber Gedanken zu machen, welche Aktivitäten man rund um Social Media anbieten könnte. Es ist aber noch kein absolutes Muss heute für den Fachhandel. Wichtiger ist es, mit seinen Kunden in Kontakt zu sein, um herauszufinden, wie wichtig Social Media für sie sind. Zuerst etwas Marktforschung betreiben, um den Puls zu fühlen und dann entsprechend handeln. Es kann aber nicht schaden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und selbst mit Facebook und Co. zu experimentieren.

Wie könnten Fachhändler ihre Kommunikation verbessern?

Der grosse Fehler, den viele Fachhändler, die Verbundgruppen eingeschlossen, in ihrer Werbung machen, ist dass sie sich viel zu einseitig auf die Preise konzentrieren. Damit lockt man die Konsumenten aber auf die falsche Fährte. Was dann passiert, ist logisch: Der Konsument fängt an Preise zu vergleichen und zu suchen, wo er das Gerät billiger kriegt.

Sie sprachen zu Beginn kurz vom Preiszerfall: Warum sind die Preise in der CE-Branche derart unter Druck?

Der Preiszerfall wird befeuert durch die sehr hohe Innovationsrate, die wir im Consumer-Electronics-Umfeld kennen. Denken Sie etwa an Ultra HD, wovon jetzt alle reden. Kaum ist eine Technologie eingeführt, kommt schon die Nachfolgetechnologie. Damit werden die alten Technologien billiger, obwohl sie eigentlich gar noch nicht so alt sind. Zudem zeigt der Markt sehr viele Aktionen. Dadurch lassen sich die Produktions- und Logistikprozesse nicht mehr optimal steuern, weil es zu grossen Mengenschwankungen kommt. Schnell entstehen daraus Überbestände, die von Importeuren und Händlern erneut über Preisaktionen abgebaut werden. Ein Teufelskreis, der nicht aufhören will. Das ist gut für die Konsumenten, denn diese können von tiefen Preisen für die neueste Technik profitieren. Aber irgendwann ist ein Markt auch gesättigt und es wird trotz günstiger Preise immer schwieriger, eine Kaufentscheidung auszulösen. Für die Branche ist das eine sehr gros­se Herausforderung. Die Industrie müsste sich einmal grundlegend Gedanken über die Innovationszyklen und Logistiksteuerung machen. Das Problem ist zu einem grossen Teil hausgemacht.

Welche Industrien machen es besser?

Die Autoindustrie zum Beispiel. Sie produziert heutzutage grösstenteils on demand und nicht auf Lager. Zudem sind dort die Innovationszyklen länger. Die Modelle wechseln nicht alle sechs Monate. Auch hat sie aus Kundensicht in den letzten zehn Jahren erkennbare und wertvolle Innovationen hervorgebracht. Im weiteren ist das Auto ein Produkt, durch das sich Menschen teilweise auch definieren. Es ist viel emotionaler als etwa Fernseher, die zu einem Grossteil als Commodity angesehen werden. Ein gutes Beispiel mit kürzeren Innovationszyklen als die CE-Industrie ist auch die Modebranche. H&M, Mango und Zara produzieren auch fast nur noch on demand.

Welche Prognosen geben sie für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft im Allgemeinen und für die CE-Branche im Speziellen?Es wird wohl keine grossen Ausreisser nach oben oder nach unten geben. Die Umsätze dürften relativ stabil bleiben. Wobei die höherwertigen Konsumgüter eher überdurchschnittlich zulegen dürften. Von der Konsumentenstimmung her ist es so, dass in der Bevölkerung nach wie vor die Angst vor wirtschaftlichen Turbulenzen da ist; das sahen wir auch in unserer neuesten Studie. Das führt dazu, dass sich die Leute sagen: 'Jetzt gönne ich mir diesen hochwertigen TV noch, solange das Geld vorhanden ist.'

Welche Prognosen geben Sie für das kommende CE-Jahr ab?

Da die konjunkturellen Aussichten für das nächste Jahr im Allgemeinen stabil sind, dürfte es auch in der CE-Branche keinen Taucher geben.

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