Editorial

Die Krux mit dem Kündigen

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Leslie Haeny, stellvertretende Chefredaktorin, CEtoday (Source: Netzmedien)
Leslie Haeny, stellvertretende Chefredaktorin, CEtoday (Source: Netzmedien)

"Auch schlechte PR ist gute PR". Falls dieser Marketing-­Mythos tatsächlich wahr ist, haben viele Schweizer Telkos in den vergangenen Monaten fleissig "gute" Öffentlichkeits­arbeit geleistet. Denn sie gerieten aufgrund fragwürdiger Kündigungsverfahren immer wieder in die Schlagzeilen. So schafften Salt und Sunrise UPC die schriftliche Kündigung ab. Wer also zu einem anderen Provider wechseln will oder sein Abonnement aus anderen Gründen kündigen möchte, muss zum Telefon greifen oder den Live-Chat nutzen. Während Salt die schriftliche Kündigung mittlerweile re-etabliert hat, lässt Sunrise UPC die Kundschaft noch immer nicht per E-Mail oder Brief kündigen.

Die neue Praxis entpuppt sich nicht nur für Introvertierte und Kundinnen und Kunden, die nicht gut Deutsch sprechen, als Albtraum. "SRF Espresso" berichtet von einem Kunden, der vier Stunden lang versuchte, seinen alten ­Sunrise-Anschluss zu kündigen – erfolglos. Der Familien­vater drang trotz enormem Zeitaufwand nicht zu den Telko-Mitarbeitenden durch. Testweise rief er bei der Abteilung für Neuanschlüsse an, wo sofort jemand abhob, ihm aber nicht weiterhelfen konnte oder wollte.

Eine UPC-Kundin erhielt vom Telko einen neuen Vertrag, obwohl sie lediglich eine Offerte angefordert hatte. Sie wollte den Vertrag stornieren, erlitt aber ein ähnliches Schicksal wie der Sunrise-Kunde und kam weder per Chat noch per Telefon zu UPC durch. Als sie darauf einen eingeschriebenen Kündigungsbrief schickte, verwies der Telko per Mail wieder auf Telefon und Chat, und das Spiel begann von vorn.

Dass Kündigen per Telefon zeitaufwändig und mühsam ist, erfuhr auch die Redaktion. Ich kam bei Swisscom – wo schriftliches Kündigen noch immer erlaubt ist – am Telefon relativ glimpflich davon. Ich musste lediglich ein etwas unangenehmes Gespräch mit einer Kundenberaterin führen, die bis ins kleinste Detail wissen wollte, weshalb ich gehen wolle und mindestens fünfmal fragte, ob ich denn nicht doch bleiben wolle. Mein Kollege hingegen machte seine Erfahrung mit UPC. Zwar verbrachte er "nur" eine halbe Stunde in der Warteschleife, als er aber sein Anliegen geschildert hatte und weitere zehn Minuten warten musste, legte die UPC-Mitarbeiterin wortlos auf. Beim zweiten Versuch, der ihn wieder über 30 Minuten Zeit kostete, klappte es dann zumindest ansatzweise. Denn die von UPC versprochene Bestätigungs-SMS erhielt er bis dato nicht, einen Brief mit Rücksendeetikett für sein altes Modem allerdings schon.

Adaptiert man solche Geschichten auf den eingangs erwähnten PR-Mythos, wird klar: Durch solche Erlebnisse bleiben einem zwar die Namen der erwähnten Telkos im Gedächtnis, Lust darauf, ein Abo bei ihnen abzuschliessen, bekommt man jedoch nicht. Viel eher wird der Name des Unternehmens künftig mit negativen Emotionen verknüpft. Egal wie sehr die Telkos ihre Kundschaft dazu zwingen ­wollen, zu bleiben – Kundinnen und Kunden, die solche ­Erfahrungen machen, werden wohl kaum jemals zurückkehren – oder erst recht kündigen, sei der Aufwand noch so gross. Schlechte PR ist in diesem Fall also, was sie ist: schlechte PR.

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