"Meineimpfungen"

Update: Stammgemeinschaft startet Rettungsaktion für Impfdaten

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von René Jaun und Yannick Züllig und skk; jor

Die Stammgemeinschaft eHealth Aargau beginnt ein Rettungsprojekt für die Plattform "meineimpfungen.ch". Unterstützt wird es von Bund und Kantonen.

(Source: Barbara Pheby / Fotolia.com)
(Source: Barbara Pheby / Fotolia.com)

Update vom 15.05.2023: Die Stammgemeinschaft eHealth Aargau hat die Daten der Plattform Meineimpfungen.ch gekauft und ist nun zum Schluss gekommen, dass eine Datenrettung "technisch und wirtschaftlich machbar" sei. Wie die Stammgemeinschaft mitteilt, ist das nötige Vorprojekt abgeschlossen. 

Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Daten mit vertretbarem Aufwand den Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung gestellt werden können. Die überwiegende Mehrheit der Datensätze erweist sich als verwendbar für das nun bevorstehende Hauptprojekt.

Im Rahmen dieses Hauptprojektes werde nun eine neue Plattform aufgebaut. Auf dieser Plattform werde es den betroffenen Personen dann möglich sein, ihre Impfdaten zu löschen oder zu beziehen. Wenn sie die Daten beziehen, können sie diese optional in ein bestehendes EPD überführen.

Die neue Plattform soll bis im Herbst 2023 bereitstehen. Ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung sollen die Betroffenen während drei Monaten in der Lage sein, eine Entscheidung bezüglich ihrer Daten zu treffen. Die Kosten für das Projekt sollen sich auf 395'000 Franken belaufen und je zur Hälfe vom BAG und den Kantonen getragen werden.

Update vom 20.6.2022: Stammgemeinschaft eHealth Aargau eilt Meineimpfungen.ch zu Hilfe

In der Geschichte rund um die Plattform Meineimpfungen.ch kommt es einmal mehr zu einer Wendung. Zu verdanken ist dies der Stammgemeinschaft eHealth Aargau. Zusammen mit dem Departement Gesundheit und Soziales (DGS) des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) wolle man einen "letzten Versuch unternehmen, die Patientendaten der Stiftung Meineimpfungen.ch zu retten", heisst es in einer Mitteilung.

Wie und ob diese Datenrettung gelingt, steht noch nicht fest. Man habe eine Vereinbarung unterzeichnet und prüfe nun in einem Vorprojekt, ob sich diese Daten in einem Zustand befinden, der eine Rettung zulasse, heisst es in der Mitteilung. Zu diesem Zweck überträgt das Konkursamt die Daten dem DGS, um zu verhindern, dass diese mit dem Abschluss des Liquidationsverfahrens definitiv vernichtet werden.

Der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) unterstützt das Vorhaben. Nach der Datenübernahme durch die Aargauer Behörde hat er seine Löschempfehlung aufgehoben. Es gehe nun um die Evaluation und Umsetzung eines datenschutzkonformen Projekts zur Wahrung der Datenschutzrechte und insbesondere des Auskunftsrechts der Betroffenen, heisst es in seiner Mitteilung. "Sollte sich zeigen, dass eine datenschutzverträgliche Umsetzung wider der Erwartung des Departements für Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau und der Stammgemeinschaft eHealth Aargau nicht realisierbar ist, müssten die fraglichen Daten doch noch gelöscht werden."

Originalmeldung vom 25.5.2022: Nutzerinnen und Nutzer von Meineimpfungen.ch sehen ihre Daten nicht wieder

Jetzt ist es fix: Wer seine Daten von "Meinimpfungen.ch" jetzt nicht hat, wird sie auch nicht mehr bekommen. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) empfiehlt, die Daten zu vernichten. Das Konkursamt Bern Mittelland, welches die pleite gegangene Stiftung hinter dem Impfregister auflöst, habe die Empfehlung akzeptiert, teilt der EDÖB mit.

Freihändige Veräusserung der Daten stand im Raum

Damit weicht das Konkursamt von seinem ursprünglichen Vorhaben ab. Laut der EDÖB-Mitteilung plante die Behörde die freihändige Veräusserung dieser Personendaten an ein privates Unternehmen. Er habe das Konkursamt mit formeller Empfehlung angewiesen, davon abzusehen und die Daten zu löschen, schreibt der EDÖB.

Als Begründung für seine Empfehlung verweist er auf seinen Ende August veröffentlichten Schlussbericht zur Causa "Meineimpfungen.ch" und auf die darin erwähnten schwerwiegenden Mängel an der Datenintegrität. Die Mängel seien sowohl inhaltlicher Natur (zum Beispiel falsche Impfeinträge zu Tetanus und Covid-19) als auch betreffend der Kontaktdaten. Ein von Dritten erstelltes Gutachten am 15. November 2021 habe diese Befunde bestätigt.

"Die Bearbeitungsverantwortlichen haben in der langen Zeitspanne seit Publikation des Schlussberichts durch den EDÖB keinen Weg gefunden, um die Daten den berechtigten Nutzerinnen und Nutzern in einer datenschutzrechtlich vertretbaren Weise zur Verfügung zu stellen", schreibt der Beauftragte weiter. Er müsse deshalb davon ausgehen, "dass jede weitere Datenbearbeitung zu Persönlichkeitsverletzungen führen würde, welche die von der Stiftung zu vertretenden Nachteile einer Löschung dieser Daten überwiegen".

BAG bedauert, Konsumentenschutz ist empört

Die Stiftung "Meineimpfungen.ch" hatte im November 2021 noch damit angefangen, ihren Nutzerinnen und Nutzern ihre gespeicherten Impfdaten zuzustellen. Sie tat dies mittels unverschlüsselter E-Mails, was der Datenschutzbeauftragte heftig kritisierte. Schliesslich wies er die Stiftung an, den Datenversand per sofort zu stoppen, wie Sie hier lesen können.

Von der jetzt angeordneten Löschung betroffen sind die Daten von fast 300'000 Nutzerinnen und Nutzern, wie aus einer Mitteilung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hervorgeht. Demnach hatte das Amt der Stiftung "Meineimpfungen.ch" und auch dem Konkursamt Bern Mittelland Hilfe angeboten, um eine Lösung zur Datenrückgabe an die Nutzerinnen und Nutzer zu finden. Dazu habe es mit den zuständigen Behörden und mit "bestimmten Drittunternehmen, die an der Mitwirkung bei der Datenrückgabe interessiert sein könnten", kommuniziert - ohne Erfolg, wie sich jetzt zeigt. "Das BAG nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Nutzerinnen und Nutzer ihre Daten nicht zurückerlangen werden", heisst es in der Mitteilung.

In einer Stellungnahme spricht die Stiftung für Konsumentenschutz von einem Fiasko: Dass die Impfdaten nun unwiderruflich gelöscht würden, während die dafür verantwortlichen voraussichtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden, sei "ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer und ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat. Da klafft eine Rechtslücke", lässt sich Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, zitieren.

Neue Lösungen zeichnen sich ab

Während die Plattform "Meineimpfungen.ch" ein unrühmliches Ende findet, bemühen sich E-Health-Akteure um einen Neuanfang. Das BAG verweist in seiner Mitteilung auf eHealth Suisse, die Kompetenzstelle von Bund und Kantonen für E-Health. Diese habe ein Projekt zur Realisierung eines elektronischen Impfausweises gestartet, der Teil des elektronischen Patientendossiers (EPD) sein werde. Dieser elektronische Impfausweis werde die Aktualisierung, den Austausch und das Anzeigen der Impfdaten ermöglichen und soll ab Jahresende für die Stammgemeinschaften des EPD bereitstehen. Rückenwind erhält das Bundesamt auch vom Nationalrat, der diesem im März den Auftrag erteilte, einen neuen elektronischen Impfausweis in die Wege zu leiten.

Derweil liegt auch schon ein Konzept vor, wie die Schweiz einen sicheren elektronischen Impfausweis aufbauen können soll. Es kommt von einem Konsortium der Berner Fachhochschule BFH, der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, pharmaSuisse, HCI Solutions von Galenica, Interpharma und der Genossenschaft Midata.

Sie stützen sich bei ihrem Konzept auf eine Machbarkeitsstudie, laut der ein sicherer elektronischer Impfausweis nicht nur möglich sei, sondern auch einen beträchtlichen Mehrwert biete: "Bürgerinnen und Bürger erhalten so die Hoheit über ihre Impfdaten. Sie allein entscheiden, wem sie diese zur Verfügung stellen", erklärt Professor Serge Bignens von der BFH, in der Mitteilung. "Gleichzeitig können sie besser informiert und sensibilisiert werden über den Nutzen der Impfungen". Zudem vereinfache ein elektronisches Impfdossier den Zugriff zum Bespiele für Ärztinnen und Ärzte oder Apothekerinnen und Apotheker.

Sei eine nachhaltige Finanzierung sichergestellt, liesse sich ein elektronischer Impfausweis rasch realisieren, schreiben die Projektpartner weiter. Darum sei der nächste Schritt, eine langfristige Finanzierung zu sichern. Hierzu brauche es private und öffentliche Investitionen, da der E-Impfausweis den Patientinnen und Patienten gratis zur Verfügung stehen soll.

Laut dem neuesten E-health-Barometer nutzen sehr wenige Patienten und Gesundheitseinrichtungen ein elektronisches Patientendossier. Die Bevölkerung unterstützt immerhin die Idee hinter dem EPD, wie Sie hier lesen.

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