Seco in der Kritik

Branchenverbände fordern flexibleres Arbeiten für ICT-Fachkräfte

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von Rodolphe Koller und René Jaun und jor

Mit einer überarbeiteten Verordnung will das Seco Führungs- und Fachkräften in Wissensberufen ein flexibleres Arbeiten ermöglichen. Die Regelung soll jedoch nicht für ICT-Fachkräfte gelten. Branchenverbände reagieren empört.

(Source: sv_photo / Fotolia.com)
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Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) plant eine Änderung der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz, um bestimmten Arbeitnehmenden und in bestimmten Branchen ein "selbstbestimmteres" und "zeitlich flexibleres Arbeiten" zu ermöglichen. Konkret sollen bestimmte Führungskräfte und Spezialisten (mit einem Gehalt von mehr als 120'000 Franken) ihre Arbeitszeit nicht mehr wöchentlich, sondern für das ganze Jahr festlegen können. Zum Ende der Vernehmlassung haben sich nun mehrere Branchenverbände geäussert, darunter Digitalswitzerland, Swico und Leading Swiss Agencies (LSA). In ihren Stellungnahmen zeigen sie sich alles andere als begeistert vom Vorschlag der Behörde.

So bezeichnen etwa Digitalswitzerland und LSA die vorgelegte Verordnung als "Scheinlösung, ohne tatsächlichen Beitrag zum flexibleren Arbeiten". Digitalswitzerland schreibt weiter, die geplante Änderung gelte lediglich für Betriebe aus den Bereichen Rechts-, Steuer- Unternehmens-, Management- oder Kommunikationsberatung sowie Wirtschaftsprüfung und Treuhand. Die ICT-Branche sei kurzerhand aus der Vorlage gestrichen worden, moniert der Verband. "Die Streichung der ICT-Branche ist nicht nachvollziehbar und wir wehren uns dagegen, dass diese wichtige Zukunftsbranche aussen vor gelassen wird", lässt sich Andreas Kaelin, Deputy Managing Director von Digitalswitzerland, zitieren. Die Ausgrenzung des ICT-Sektors sei umso bedenklicher, als die Branche rasant wachse. Angesichts des Fachkräftemangels müsse die Branche attraktiv bleiben, um Fachkräfte anziehen und halten zu können. Laut dem Swiss Job Market Index von Adecco war die Nachfrage nach IT-Spezialisten in der Schweiz im Frühling so hoch wie nie zuvor. Der letzte Höchstwert stammt aus dem Jahr 2018.

Auf Anfrage erinnert Kaelin an die parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2016, auf die die nun geplante Änderung der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz zurückgeht. Darin ist jeweils vom gesamten Dienstleistungssektor die Rede, ohne zwischen einzelnen Branchen zu unterscheiden. Kaelin fügt hinzu, dass andere Sektoren diese Flexibilität über ihre Tarifverträge und somit ohne den Umweg über eine Verordnung (oder ein Gesetz) bieten.

Digitalswitzerland verlangt deshalb vom Bund, die Vorlage zu überarbeiten. Namentlich soll die ICT-Branche einbezogen, und den Führungskräften und Spezialisten mehr Autonomie in ihrer Organisation zugestanden werden. Insbesondere sollten sie die Möglichkeit haben, die 9-stündige tägliche Ruhezeit freiwillig zu unterbrechen oder an Sonntagen zu arbeiten. "Ansonsten ist die Verordnung abzulehnen und eine Lösung über den Gesetzesweg zu suchen."

Auch der Branchenverband Swico nennt in seiner Stellungnahme diese Punkte. Als "besonders stossend" bezeichnet der Swico die Tatsache, dass "der Bund für sich Privilegien in Anspruch nimmt, die er anderen Sektoren der Privatwirtschaft verweigert: So profitieren Mitarbeitende der Bundesverwaltung seit Sommer 2021 für über die Hälfte der Lohnklassen von sogenannter Vertrauensarbeitszeit." Dort arbeite man also selbstbestimmt, ohne Arbeitszeiterfassung und ohne Kontrollen. Ohne Verbesserung bei der Verordnungslösung werde Swico den Weg über die Gesetzesrevision wiederaufnehmen, heisst es in der Mitteilung.

Im Juni kam eine Studie von Digitalswitzerland zum Schluss, dass sich Schweizer IT-Unternehmen um ältere Mitarbeitende bemühen sollten, um den Fachkräftemangel zu entschärfen. Der Verband zeigte auch mögliche Lösungen auf, wie Sie hier lesen können.

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