UZH-Professor gibt Einblick

Die SwissCovid-App zeigt Wirkung

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von Viktor von Wyl, Professor für Digital and Mobile Health am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der UZH

Die SwissCovid-App leistet einen relevanten Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie – so das Fazit von Viktor von Wyl. Der UZH-Professor für Digital and Mobile Health ist an verschiedenen Studien zur App beteiligt.

(Source: Alliance/AdobeStock.com)
(Source: Alliance/AdobeStock.com)

Als eines der ersten Länder weltweit hat die Schweiz eine digitale Contact Tracing-App, die SwissCovid-App, im vergangenen Juni eingeführt. Gegenwärtig nutzen über 1,8 Millionen Menschen die App. Sie ist noch ein sehr neues Hilfsmittel zur Pandemiebekämpfung. Aufgrund des durch die Pandemie verursachten Zeitdrucks konnte ihre Technologie nicht breit getestet werden. Deshalb hat sich schon früh eine Gruppe von Schweizer Forschenden und SwissCovid-Entwicklern – unter massgeblicher Beteiligung der Universität Zürich (UZH) – darüber Gedanken gemacht, wie eine Prüfung der App im "laufenden Betrieb" vorgenommen werden soll (siehe Studie).

Drei wesentliche Vorteile

Grundsätzlich hat die SwissCovid-App zum Ziel, die Prozesse des Contact Tracings, also des Aufspürens von Personen, die mit einer infizierten Person in Kontakt waren, schneller und effizienter zu machen. Die App ist somit eine Ergänzung zum Contact Tracing der Kantone. Demgegenüber hat sie unserer Ansicht nach drei Vorteile: Sie kann erstens Kontaktpersonen schneller warnen, weil der Warnprozess weitgehend automatisiert ist. Zweitens kann die App Kontaktpersonen warnen, welche der infizierten Person nicht namentlich bekannt sind – zum Beispiel Zufallsbegegnungen im öffentlichen Verkehr. Drittens kann sie das manuelle Contact Tracing entlasten, wenn dieses aufgrund hoher Fallzahlen an die Kapazitätsgrenzen gelangt.

Um zu prüfen, wie nutzbringend die SwissCovid-App de facto ist, hat das Institut für Epidemiologie, Biostatistik & Prävention (EBPI) der UZH verschiedene Forschungsarbeiten aufgegleist. Das EBPI ist für diesen Auftrag sehr gut positioniert, weil dort verschiedene nationale Studien wie Corona Immunitas oder der Covid-19 Social Monitor (gemeinsam mit der ZHAW) zusammenlaufen. Diese Daten sind wichtig, weil die SwissCovid-App bewusst keine Informationen über die nutzende Person oder die Art der Nutzung preisgibt. Inzwischen zeichnen diese verschiedenen Studien ein erstes Gesamtbild zur Wirksamkeit der SwissCovid-App: Sie leistet einen relevanten Beitrag zur Pandemiebekämpfung, aber die Wirksamkeit wurde teilweise gemindert durch Verzögerungen und Probleme bei gewissen Abläufen in der Warnkaskade.

Schnellere Warnung

Eine erste Arbeit basiert auf einer ausgewählten Personengruppe, die durch das Contact Tracing des Kantons Zürich als Kontakte von infizierten Personen identifiziert wurden und an der Zürcher Coronaviurs-Kohortenstudie teilnahmen. Es wurde untersucht, ob diese Kontaktpersonen die SwissCovid-App benutzten, und falls ja, ob die App eine Warnung ausgegeben hat. Dabei zeigte sich, dass Kontaktpersonen mit einem Ansteckungsrisiko ausserhalb des eigenen Haushaltes sich etwa einen Tag früher in Quarantäne begaben, wenn sie eine Warnung via App erhielten – im Vergleich zu Personen ohne Warnung. Bei Kontaktpersonen aus demselben Haushalt ist kein Unterschied zu sehen, weil die Kommunikationswege kurz sind und die konventionellen Massnahmen des Contact Tracings schnell greifen. Insgesamt decken sich die Erkenntnisse mit der erhofften Wirkung der SwissCovid-App, Kontaktpersonen schneller zu warnen. Wobei bereits ein Unterschied von einem Tag, wie durch verschiedene Modellierungen gezeigt, einen Einfluss auf den Pandemieverlauf haben kann.

30 Infektionsketten in einem Monat unterbrochen

Aber wie steht es um die Gesamtwirkung der App auf Bevölkerungsebene? Dieser Frage hat sich eine zweite Studie angenommen, welche die Warnkaskade der App – vom Auslösen der Warnung durch die infizierte Person bis hin zum Empfang der Warnung durch Kontaktpersonen und nachfolgenden Präventionsmassnahmen – für den Kanton Zürich ermittelt hat. Durch datengetriebene Simulationsanalysen zeigen wir, dass im Monat September etwa 170 durch die App gewarnte Kontaktpersonen eine (freiwillige) Quarantäneempfehlung erhalten haben. Dies entspricht etwa fünf Prozent aller Personen, denen durch das Contact Tracing aufgrund eines Risikokontakts eine verpflichtende Quarantäne verordnet wurde. Zudem wurden 30 Kontaktpersonen nach einer App-Warnung positiv auf das Coronavirus getestet, das heisst, es wurden 30 mögliche Infektionsketten innerhalb eines Monats unterbrochen. Auch wenn diese Zahlen eher gering erscheinen, so ist die Wirkung der App trotzdem ein relevanter, ergänzender Beitrag zum manuellen Contact Tracing, der zudem mit weniger personellem Aufwand ermöglicht wird.

Verzögerungen und Unsicherheiten schmälern Wirkung

Dass auch die Ressourcen der kantonalen Gesundheitsämter die Wirksamkeit der App beeinflussen, zeigen zwei weitere Studien. So hat bereits eine nationale Studie mit UZH-Beteiligung erste Hinweise darauf gegeben, dass etwa einer von drei infizierten App-Nutzenden keine Warnung ausgelöst hat. Um eine Warnung auszulösen, benötigt die positiv getestete Person einen sogenannten Covid-Code, der von den kantonalen Gesundheitsämtern ausgestellt wird. Bei der Herausgabe dieser Codes ist es jedoch wiederholt zu Verzögerungen gekommen. Eine detaillierte Medienanalyse der Monate Juli bis Oktober 2020 zur SwissCovid-App belegte diesen Befund und deckte weiteres Verbesserungspotenzial auf. So lieferte die Medienanalyse Hinweise darauf, dass bei verschiedenen Akteuren wie App-Nutzerinnen und -Nutzern, Ärztinnen und Ärzten sowie teilweise bei kantonalen Gesundheitsämtern Unsicherheiten zum Prozess oder zum Nutzen der App bestanden.

Auch Ärzte vergeben Covid-Codes

In den letzten Monaten wurden verschiedenen Anstrengungen unternommen, um die Prozesse und Abläufe weiter zu optimieren. Dadurch wird auch die Geschwindigkeit der Warnkaskade und die Wirksamkeit der SwissCovid-App weiter erhöht. Beispielsweise können neu alle Ärztinnen und Ärzte Covid-Codes ausstellen, wodurch die kantonalen Gesundheitsämter entlastet werden. Die breite Verfügbarkeit von Antigen-Schnelltests trägt ebenfalls dazu bei, die Warnkaskade zu beschleunigen. Erste positive Ergebnisse dieser Bemühungen zeigen sich bereits im offiziellen Monitoring zur SwissCovid-App des Bundesamtes für Statistik (siehe Studie).

Breitere Nutzung erwünscht

Aufgrund der verschiedenen Studien lässt sich schlussfolgern, dass die SwissCovid-App funktioniert und – zumindest im Kanton Zürich – eine relevante Wirkung zeigt. Allerdings hängt die Wirkung nicht nur von der App ab, sondern auch von den vor- und nachgelagerten Prozessen. Diese wurden in den letzten Wochen verbessert. Genauso wichtig ist natürlich, dass noch mehr Personen die SwissCovid-App nutzen. Die kürzlich erzeugte Kompatibilität der App mit älteren iPhones war ein wichtiger Schritt dazu. Zudem lassen die ersten, ermutigenden Ergebnisse zur App hoffen, dass auch jene Bevölkerungsgruppen der App eine (neue) Chance geben, die bisher eher an ihrer Wirksamkeit gezweifelt haben.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei UZH News.

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