Man of Steel in Quarzglas eingefangen

Microsoft präsentiert fast unkaputtbares Speichermedium für die Fast-Ewigkeit

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von Coen Kaat

Microsoft hat den kompletten Film "Superman" von 1978 in einem kleinen Block aus Quarzglas gespeichert. Das neue Speichermedium soll dereinst eine kostengünstige, lang haltbare und fast unzerstörbare Alternative zu aktuellen Storage-Technologien werden – und auch mit Azure kompatibel sein.

Über 2 Stunden Film auf 75 x 75 x 2 Millimeter: Project Silica. (Source: Microsoft)
Über 2 Stunden Film auf 75 x 75 x 2 Millimeter: Project Silica. (Source: Microsoft)

Floppy Disks, Tapes, CDs, DVDs und Blurays. Microsoft will sie alle vergessen machen. Und zwar mit einem Block Quarzglas. Der Technologiekonzern aus Redmond verkündete einen erfolgreichen Machbarkeitsnachweis des Forschungsprojekts "Project Silica".

Das Unternehmen speicherte in Zusammenarbeit mit dem Filmstudio Warner Bros. den kompletten Film "Superman" aus dem Jahr 1978 auf Quarzglas. Das Speichermedium ist dabei nicht grösser als ein handelsüblicher Getränkeuntersetzer: 75 x 75 x 2 Millimeter, wie Microsoft in einem Blogeintrag schreibt.

Hierfür verwendete Microsoft einen Femtosekundenlaser. Dieser sendet Lichtpulse aus, deren Dauer im Femtosekunden-Bereich liegt – also 0,000000000000001 Sekunden. Dieselbe Technologie wird auch bei Lasik-Augenoperationen genutzt.

100 Schichten auf 2 Millimetern

Mit den Lasern wird das Quarzglas dauerhaft verändert. Bei Project Silica werden die Daten aber nicht nur auf die Oberfläche geschrieben, sondern auch in das Glas hinein. In den 2 Millimeter dicken Quarzblock könnten mehr als 100 Schichten geschrieben werden.

Die Laser kreieren Voxel im Glas – dreidimensionale Pixel. Indem die Forscher die Stärke, Ausrichtung und Intensität der Laserpulse ändern, verändern sie auch die Form der Voxel. Diese seien Vergleichbar mit umgekehrten Eisbergen auf einer Nano-Ebene: Jeder einzelne ist aufgrund seiner Tiefe, Grösse und Rillen einzigartig.

Um die Daten wieder zu lesen, muss man polarisiertes Licht durch das Quarz leuchten. Machine-Learning-Algorithmen entschlüsseln anschliessend das Lichtmuster, das dadurch kreiert wird. Die Lesevorrichtung könne dabei auch zu bestimmten Punkten springen.

Quarzglas könnte auch Casablanca und Friends retten

Warner Bros. ist gemäss dem Blogeintrag stetig auf der Suche nach neuen Technologien, um dessen Fülle an Filmen, Radioprogrammen und Fernsehsendungen sicher aufzubewahren. Ausser "Superman" zählen dazu etwa auch der Klassiker "Casablanca" oder die TV-Sitcom "Friends".

Im Vergleich zu Zelluloidfilm ist das Quarzglas viel platzsparender. (Source: Microsoft)

Ein Archiv zu wahren, ist jedoch teuer. Und da das Archiv von Warner Bros. fast ein Jahrhundert spannt, kostet das richtig viel. Die digitalen Bestände etwa muss das Filmstudio alle drei Jahre auf neue Medien migrieren, damit keine Daten verloren gehen. Physische Medien, wie etwa Zelluloidfilm oder Magnetbänder, müssen unter bestimmten Bedingungen gelagert werden, was ebenfalls wieder mit einem finanziellen Aufwand verbunden ist.

Das Quarzglas könnte eine kostengünstige Alternative sein. Es übersteht Temperaturschwankungen und hat auch kein Problem mit Luftfeuchtigkeit, wie Microsoft schreibt. Dies könnte die Umweltbelastung durch die grossflächige Datenspeicherung verringern.

Backen, kochen, kratzen? Kein Problem!

Tatsächlich seien die Quarzglasblöcke überraschend schwierig zu beschädigen. So hätten die Forscher das Glas in einem Ofen bei 500 Grad gebacken, in einer Mikrowelle erhitzt, gekocht und mit Stahlwolle malträtiert. Die Daten im Glas waren jedoch stets noch lesbar.

"Wir wollten etwas kreieren, das man 50, 100 oder sogar 1000 Jahre ins Regal stellen und wieder vergessen kann – bis man es wieder braucht", zitiert der Blogeintrag Ant Rowstron, Partner Deputy Lab Director von Microsoft Research Cambridge in Grossbritannien.

Ein Forscher von Project Silica wirft den Quarzblock in kochendes Wasser. (Source: Microsoft)

Den geglückten Machbarkeitsnachweis beschreibt Microsoft zwar als wichtigen Meilenstein. Die Forscher müssen aber die Lese- und Schreibgeschwindigkeit deutlich erhöhen sowie auch die Datendichte. Was dies betrifft, seien sie aber zuversichtlich.

Die Cloud der Zukunft

"Ich sage nicht, dass wir alle Fragen vollständig beantwortet haben, aber nun geht es mehr darum, die Methode zu verfeinern und weiter zu experimentieren, und nicht um die Frage, ob es überhaupt machbar ist", sagt Mark Russinovich, CTO von Azure.

Die Forscher von Project Silica arbeiteten eng mit den Azure-Entwicklern zusammen. So soll die Speichermethode dereinst auch mit den alltäglichen Herausforderungen rund um kommerzielle Cloud-Storage-Lösungen fertig werden.

Für Warner Bros. schliesst sich mit der Entwicklung der Kreis. Zu den ältesten Objekten im Filmarchiv gehören mehrere Glasscheiben in der Grösse von Schallplatten. Darauf waren Folgen einer Superman-Radioserie aus den 1940er-Jahren gespeichert. Die Glasschallplatten wurden unterdessen erfolgreich digitalisiert.

Für Superman als Versuchskaninchen spricht aber noch ein weiterer Punkt: Der Superheld nutzt in verschiedenen Filmen und Serien selbst Quarzkristalle als ein fiktives Datenspeichermedium.

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