ICT-Reseller-Index Juni

Die Ruhe nach dem Sturm ist die Ruhe vor dem Sturm

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von Coen Kaat

Die Geschäfte der Schweizer Reseller sind im ersten Halbjahr 2017 deutlich stabiler verlaufen als im ersten Halbjahr 2016. Dies geht aus dem aktuellen ICT-Reseller-Index von Proseller hervor. Eine trügerische Ruhe. Wer denkt, dass der Sturm überwunden ist, könnte bald aus dem Rennen sein.

(Quelle: Sergey Nivens / Fotolia.com)
(Quelle: Sergey Nivens / Fotolia.com)

Die Geschäfte der Schweizer Reseller haben sich im ersten Halbjahr 2017 erholt, wie der ICT-Reseller-Index von Proseller zeigt. Der Index hält monatlich das jeweilige Klima im Schweizer Reseller-Geschäft fest. Das aktuelle Jahr ist gemäss dem Index deutlich ruhiger als das vorherige, das noch stark von den Nachbeben des Frankenschocks geprägt war.

Im Monat Juni blieb der Index gerundet auf dem Wert des Vormonats, also bei 69 Punkten, stehen. Gemäss Mitteilung stieg er jedoch leicht an, um 1 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Hierbei handelt es sich jedoch um eine durchaus trügerische Ruhe. Nicht nur, weil der Indexwert 13 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres liegt.

"Wie bei einer Achterbahnfahrt heisst eine kurze Geradeausfahrt nicht, dass es nicht gleich wieder nach links, rechts, hoch oder runter geht", sagt Thomas Czekala auf Anfrage. Czekala ist Verwaltungsrat bei Proseller und Verfasser des Index.

Der Index lag im Juni 2017 rund 13 Prozent unter dem Vorjahreswert. (Quelle: Proseller)

Trotz stabilem Verlauf – 2017 liegt hinter 2016 zurück

"Wer sich jetzt in Sicherheit wiegt, der wird ganz sicher bald wieder Überraschungen erleben", sagt Czekala. Der stabile bisherige Jahresverlauf kaschiert nämlich eher ernüchternde Zahlen. Zwar liegen im ersten Halbjahr 2017 drei Monatswerte über und drei unter den jeweiligen Vergleichswerten des Vorjahres. Doch auf Tagesbasis liegen die Zahlen für das erste Halbjahr 2017 insgesamt unter jenen des Vorjahres. Der kumulierte Index liegt 3 Prozentpunkte hinter dem Vorjahresergebnis zurück.

Trotz stabiler Entwicklung - das erste Halbjahr lag insgesamt 3 Prozent unter dem Vergleichswert im Vorjahr. (Quelle: Proseller)

"Unsere Gespräche mit Resellern deuten leider nicht darauf hin, dass sich grundsätzlich etwas ändert", sagt Czekala. Bei den Resellern sei derzeit ein Überangebot an Waren vorhanden, das bis auf weiteres nicht abnehmen werde. Auch mit niedrigeren Preisen hätten die Kunden nicht mehr Bedarf an diesen Geräten.

"Die Talfahrt geht also auch 2017 weiter", sagt Czekala, "wenn auch für den Moment weniger dramatisch als in den Vorjahren."

Preise steigen – Umsätze sinken

Die einzelnen Sortimentsbereiche entwickeln sich jedoch sehr unterschiedlich. In den Bereichen Storage, Komponenten und Netzwerk können Reseller laut dem Index zunehmend höherpreisige Artikel verkaufen. In der Kategorie "andere Artikel", die aus Reseller-Sicht eher untypische Produkte umfasst, stieg der Durchschnittspreis im Vergleich zum Vorjahr um fast 60 Prozent.

Im Schnitt stiegen die Verkaufspreise im Vergleich zum Vorjahr. (Quelle: Proseller)

Die Preise im traditionellen Hauptsegment Computer verweilen zwar quasi auf dem Vorjahresniveau. Aufgrund der geringeren Nachfrage sinkt der Anteil, den die PC-Erlöse am gesamten Umsatz von Resellern ausmachen, dennoch.

Ähnlich sieht es im Bereich Storage aus. Trotz höherwertigen Artikeln geht der Umsatz in diesem Segment zurück. Denn die Nachfrage nach leistungsfähigeren Geräten sei noch nicht gestiegen, heisst es in der Studie.

Wie beim Pokern steigen nach und nach die schwächeren Spieler aus.

"An dieser Entwicklung ist gut zu erkennen, dass sich die Reseller früher über ihre Produktexpertise definiert haben," sagt Czekala. Heute profilieren sich Reseller jedoch zunehmend durch Problemlösungskompetenzen, wie der Verfasser des Index erklärt. Im Geschäft mit Lösungen seien nämlich oft auch Artikel nötig, die auf den ersten Blick nicht zu den Kernprodukten von ICT-Resellern gehören, aber bei der Problemlösung direkt mitverkauft werden können.

Eine Entwicklung, an der aber nicht alle teilhaben werden. "Wie beim Pokern steigen nach und nach die schwächeren Spieler aus, um Verluste zu begrenzen", sagt Czekala. Der Preisdruck sorge für Kostendruck und hat Investitionen zur Folge.

Steigende Preise sind kein Garant für steigende Umsätze. (Quelle: Proseller)

Die gesamte Wertschöpfungskette muss optimiert werden

Die eingesetzten Technologien und Prozesse müssen entlang der gesamten Wertschöpfungskette optimiert werden. Reseller dürften nicht nur von digitaler Transformation reden, sondern müssten den Prozess selber durchlaufen.

"Wer nicht mithalten kann, also keine Kriegskasse mehr hat, der steigt irgendwann aus", sagt Czekala. Die eher technischen und logistischen Entwicklungen hätten zur Folge, dass vor allem kleine Marktteilnehmer aussortiert werden.

Die Angst vor Amazon ist überall zu spüren.

Die grossen Player könnten etwa über ihre internationalen Beziehungen Optionen umsetzen, welche den kleinen lokalen Resellern verwehrt sind. Als Beispiele nennt Czekala etwa Grauimporte oder die Beschaffung grösserer Mengen direkt ab Werk.

"Spannend wird sein, wenn die grösseren Spieler wie Digitec oder auch Nettoshop von noch grösseren Spielern angegriffen werden", sagt Czekala. "Konkret ist die Angst auf den konsequenten Markteintritt von Amazon in der Schweiz überall zu spüren."

Ein wesentlicher Faktor sind laut dem Verfasser des Index aber auch die Personalkosten, so dass über kurz oder lang alles automatisiert werden müsse, was technisch machbar sei. "Hersteller, Distributoren aber auch Reseller und Retailer, die hier nur eine kurze Pause einlegen, haben sehr oft schon den Anschluss verpasst", sagt er.

Czekalas aktuelle Handlungsempfehlung an Reseller

Automatisiert! Die aktuelle Pause in diesen stürmischen Zeiten werde von vielen zwar noch immer als Sturm empfunden, "aber der grosse Sturm kommt erst noch", sagt Czekala.

Denn auf drei Standbeinen steht der Reseller zwar stabiler – Beratung, Service und der Handel als Treiber. "Inzwischen ist aber auch absehbar, dass die Preise in den beiden erstgenannten Bereichen allmählich sinken, bei steigenden Erwartungen der Kunden", sagt der Verfasser des Index.

Das nahende Sommerloch sei genau der richtige Zeitpunkt, sich die Karten für das Jahr 2018 neu zu legen. Der ideale Moment, um die eigene Positionierung schmerzfrei zu bewerten, ein wettbewerbsfähiges Prozessmodell zu formulieren, die Organisation zu straffen und sich zeitgemässe Systeme mit automatisierten Schnittstellen zuzulegen. "Alles was automatisiert funktionieren kann, muss vom Reseller automatisiert werden, denn für unnötige manuelle Arbeit ist kein Kunde bereit zu zahlen", sagt Czekala.

Proseller bietet Benchmarks und einen Quick-Check für Reseller, die einen Vergleich mit anderen Resellern wünschen. "Wir können nicht in die Zukunft schauen", sagt Czekala. "Aber es gibt klare Indikatoren, was eine Chance hat und was nicht."

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