Smarthome

Im Netz der Sammler

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von René Senn, Fachgruppe Intelligentes Wohnen der GNI

Das "Gold des digitalen Zeitalters", Big Data, wird auch im Smarthome geschürft. Grosse Konzerne sammeln Informationen über unsere Gewohnheiten. Wer sich nicht wehrt, zappelt im digitalen Netz.

Vor rund 5000 Jahren hat unsere Spezies Pilze und Beeren im Wald gesammelt. Heute sammelt sie immer noch, aber bequem vom Schreibtisch aus. Sie hat dafür ein weltumspannendes Netz geschaffen: das Internet und seine Weiterentwicklung Internet of Things (IoT). Darin bleibt eine Unzahl Daten hängen, und weil es noch nie so einfach war, sie zu erheben, wird praktisch keine Auswahl getroffen. Rechenkapazität und intelligente Programmierer für die Auswertung der gesammelten Daten sind reichlich vorhanden. Mit ihren Algorithmen verknüpfen Nerds die scheinbar wertlosen Daten unzähliger Einzelner zu einem grossen Ganzen, aus dem nutzbare Informationen abgeleitet werden können. Erst diese sind Gold wert, die Masse macht’s, nicht der Einzelne. Grosse Konzerne verkaufen diesen Rohstoff oder nutzen ihn, um Kundengewohnheiten abzulesen und passende Angebote zu lancieren, die dann wiederum dem Individuum als «massgeschneidert» präsentiert werden.

Im Zuge des Hypes um Industrie 4.0 und der damit verbundenen Lancierung des IoT werden die Daten, die Systeme und Anlagen sammeln, immer wichtiger und kostbarer. Unsere intelligenten Wohnungen und Häuser funktionierten bisher noch sehr eigenständig und hatten nicht das Bedürfnis, jeden Wert und jede Einstellung nach aussen zu melden. Diese anonyme «Prä-4.0-Ära» geht jedoch zu Ende. Schützen kann man sich wohl kaum gegen diese Entwicklung, dazu sind die IoT-Systeme viel zu clever. Ihre Daten werden via Internet an zentrale Server übertragen, die irgendwo auf der Welt stehen, und die Befehle, was das Haus, beziehungsweise die Haustechnik machen soll, kommen von diesen Servern zurück. Der Befehl zur Temperaturveränderung im Kinderzimmer nimmt dann etwa den kleinen Umweg über den Netzwerkprovider im Silicon Valley.

Die «Ist-mir-egal-Gruppe» wird grösser

Die Nutzer begegnen dieser, sagen wir mal nächsten Revolution, immer noch mit grosser Sorglosigkeit. Es scheint dem Individuum egal, wer wo welche, beziehungsweise seine Daten sammelt. Konsequenzen und Risiken bedenken nur wenige: So können etwa aus Aufenthaltsort, Lichtstimmung, Raumtemperatur und CO2-Gehalt im Raum Verhaltensweisen herausgelesen werden, ohne dass der Datenschützer aktiv wird. Doch wir gehen immer noch sorglos mit dem Thema um: Wann haben Sie das letzte Mal auf «Ok» geklickt, nachdem Sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch wirklich gelesen hatten? Wir klicken auf «Ok», weil wir sonst digitale Dinge, die uns ans Herz gewachsen sind, gar nicht mehr verwenden könnten. Oder haben Sie schon mal gelesen, was bei «über Siri und Datenschutz» geschrieben steht? Wenn nein, dann sollten Sie das rasch tun. Sie willigen nämlich nicht nur ein, alle Ihre Kontakte und deren Spitznamen freizugeben, sondern auch die Bezeichnung aller Ihrer Fotoalben und Ihrer Apple-Home-tauglichen Gebäudetechnik. Über Siri können Sie bekanntlich das Licht und die Heizung steuern, und diese Daten werden an Apples Server übertragen. Nun kommt das Sorglos-Argument vieler Nutzer: «Was nützt es dem Unternehmen, wenn es meine Daten hat, ich bin ja nur ein Individuum?» Den grossen Konzernen geht es aber wie gesagt nicht primär um das Individuum, sondern um die Informationen von vielen Millionen Individuen.

Es geht auch anders

Die Kritischen unter uns können aber beruhigt sein. Es gibt Systeme, die auch ohne zentrale Server grossen Nutzen bieten. Es sind professionelle Systeme wie KNX und andere, die vor Ort von einem lokalen Fachmann installiert und betreut werden. Hier befindet sich das Netzwerk im Haus, die erweiterungsfähige Intelligenz in den einzelnen Komponenten. Die Bewohner können jederzeit wählen, welche Daten nach aussen gelangen sollen und welche nicht, die Verantwortung dafür liegt bei der Bauherrschaft. Und natürlich lassen sich auch diese lokal vernetzten Systeme via Fernzugriff oder eben etwa über Siri steuern. Wenn jemand Wert auf den Datenschutz legt, wird der Zugriff vom Installationspartner so konfiguriert, dass niemand ausser dem Eigentümer Einsicht in die entsprechenden Daten hat. Es gelangen somit keine Informationen nach aussen, und aufgezeichnete Daten bleiben in der Obhut des Besitzers. Dass der zentrale Server, von dem er nicht weiss, wo er steht, plötzlich abgestellt wird und er die Energiebilanz der letzten Jahre verliert, wird nicht vorkommen. Über die generelle Problematik des Cyberangriffs von aussen auf das Smarthome haben wir dabei noch nicht gesprochen.

IoT-Systeme, die Daten sammeln und das Haus via Internet kontrollieren, werden kommen. Wir können diesem technologischen Fortschritt nicht entkommen, was durchaus sein Gutes hat. Wir können dank ihm Energie sparen und die Umwelt schonen. Wir sollten aber zwischendurch, insbesondere bei der Wahl eines Systems fürs Smarthome, auch wieder einmal zu kritischen Konsumenten werden, und müssen nicht zu allem Ja sagen. Wem es egal ist, der zappelt halt im Netz.

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