Im Gespräch mit Urs Schaeppi, Leiter Swisscom (Schweiz) AG

"Die Natel-Infinity-Abos haben eingeschlagen wie eine Bombe"

Uhr | Aktualisiert
von Marc Landis

Urs Schaeppi ist seit Januar Leiter von Swisscom Schweiz. Diese neu geschaffene Stelle entlastet den Konzernchef Carsten Schloter, der sich nun vermehrt auf die Weiterentwicklung des Swisscom-Konzerns konzentrieren kann. Schaeppi leitete die letzten sechs Jahre das Geschäftskundensegment bei Swisscom. Das Geschäft von Swisscom Schweiz sieht er trotz stagnierenden Umsätzen auf Kurs.

Urs Schaeppi ist der neue Swisscom-CEO. (Quelle: Netzmedien)
Urs Schaeppi ist der neue Swisscom-CEO. (Quelle: Netzmedien)

Wie zufrieden sind Sie mit dem vergangenen Geschäftsjahr?

Urs Schaeppi: Wir sind zufrieden. Wir konnten 2012 beim Umsatz im Schweizer Geschäft im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent auf 9,268 Milliarden Franken zulegen. Auch mein bisheriger Verantwortungsbereich der Geschäftskunden hat sich gut entwickelt. Wir waren auf der Innovationsseite sehr aktiv und sind in neue Geschäftsfelder wie etwa Unified Communication und Collaboration vorgestossen. Auch im Security-Bereich konnten wir neue Produkte lancieren. Alles in allem haben wir unsere Präsenz am Markt verbessert und konnten uns mit einer breiter abgestützten und besser abgerundeten Produktpalette sehr gut positionieren. Wir hatten ein gutes Jahr.

Und wie ist das Privatkundengeschäft gelaufen?

Da wächst Swisscom ja vor allem im TV-Business. Das Privatkundengeschäft hat sich sehr gut entwickelt. Wir haben traditionell eine starke Position in diesem Geschäft. Und wenn Sie die Anzahl Anschlüsse anschauen, dann stagniert das Geschäft eigentlich nur bei den Festnetztelefonanschlüssen. Im Mobile-Bereich konnten wir unsere Marktposition verbessern, etwa durch die neuen Natel-Infinity-Abos. Diese Flatrate für die mobile Voice- und Datenkommunikation hat im Markt eingeschlagen wie eine Bombe. Schon eine Million Mobile-Kunden haben auf die Infinity-Tarife gewechselt. Das Revolutionäre an den neuen Abos ist, dass sie sich vor allem durch die verfügbare Bandbreite bei der Datenkommunikation unterscheiden. Ein substanzielles Wachstum haben wir bei den digitalen TV-Anschlüssen erlebt, und auch Breitbandinternet ist weiterhin ein Wachstumsmarkt. Denken Sie nur einmal an all die Geräte, die zukünftig ans Internet angeschlossen werden. Wir gehen davon aus, dass in fünf bis zehn Jahren in der Schweiz 200 Millionen Geräte miteinander über das Internet verbunden sind und miteinander kommunizieren werden. Da wird es neue und stärkere Leitungen und Mobile-Anschlüsse brauchen.

Aber in den Umsätzen schlägt sich dieses Wachstum bei den Anschlüssen kaum nieder.

Sie haben Recht. Trotz der Zuwächse bei den Anschlüssen blieben die Umsätze stabil. Das hat mit dem Preiszerfall zu tun. Um Ihnen eine Grössenordnung zu geben: Bei Swisscom haben wir pro Jahr Preiserosionen in der Höhe von 400 bis 500 Millionen Franken. Aber ich persönlich bin davon überzeugt, dass das ganze Connectivity-Geschäft langfristig gesehen auch auf der Ertragsseite wieder wachsen wird. Wir haben ein derartiges Mengenwachstum, dass auch in diesem Geschäftsbereich die Umsätze wieder steigen werden. Sehen Sie nur was im Mobilfunk passiert ist: Heutzutage sind über 70 Prozent aller verkauften Handys Smartphones. Bei den Tablets stehen wir erst am Anfang dieser Entwicklung. Es ist eine Frage der Zeit, bis wir auch bei den Tablets eine ähnliche Penetration haben werden, was automatisch zu mehr mobilen Datenanschlüssen führen wird. Zudem bin überzeugt davon, dass die Kunden in Zukunft bereit sein werden, für einen qualitativ hochwertigen, hochverfügbaren Breitbandinternetanschluss einen fairen Preis zu bezahlen. Im Geschäftskundenmarkt ist es bereits heute so. Die Abhängigkeit von der Internetverbindung nimmt ja auch bei Privatpersonen kontinuierlich zu und nicht ab.

Wie schätzen Sie die Konkurrenzsituation im Privatkunden-Umfeld ein?

Wissen Sie, ich bin sportlich. Es ist gut, dass es Wettbewerb gibt. Er fordert einen heraus und spornt einen an. Es ist auch befriedigender, wenn man gewinnt, und sieht, dass man gewonnen hat, weil man den Kunden mit einer besseren Leistung, einem besseren Service und/oder mit einem besseren Produkt überzeugen konnte. Ich unterschätze die Konkurrenz nicht. Aber ich glaube, dass wir als Swisscom sehr gut positioniert sind. Wir sind ein Vollsortiment-Anbieter und sind mit unseren Bündelangeboten Vivo Casa oder den bereits erwähnten Infintiy-Angeboten sehr gut aufgestellt.

Wie spüren Sie die momentane Wirtschaftslage?

Die Telekommunikationsbranche ist relativ konjunkturunabhängig. Vor allem das Privatkundengeschäft ist ziemlich konjunkturresistent. Kommuniziert wird immer und bevor man bei der Kommunikation spart, spart man an einem anderen Ort. Im Geschäftskundensegment spüren wir die Konjunktur eher. Projekte und Investitionen können schon einmal zurückgestellt werden. Aber über alles gesehen habe ich nicht gemerkt, dass das Geschäft schlechter gelaufen wäre. Wir erlebten ein eher freundliches wirtschaftliches Umfeld. Das zeigt auch, wie robust unsere Unternehmungen in der Schweiz sind.

Wie ist Swisscom mit dem LTE-Ausbau im Fahrplan?

Wir sind ja erst vor einigen Monaten gestartet und freuen uns über jede LTE-Zelle, die wir an unser Netz anschliessen können. Bis Ende des Jahres wollen wir 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung abgedeckt haben. Wir sind voll im Fahrplan.

Glauben Sie, dass durch LTE Ihr Breitbandgeschäft konkurrenziert werden könnte?

Klar wird es Kunden geben, die ihren Breitbandanschluss durch LTE ersetzen. Aber das wird die Minderheit sein. Breitband übers Festnetz hat einige Vorteile gegenüber der Breitbandverbindung via Mobilfunknetz. Zudem wird der Bedarf nach Bandbreite durch Videoanwendungen weiter zunehmen. Für solche Anwendungen sind Breitbandanschlüsse übers Festnetz besser geeignet als LTE. Denn LTE ist, wie die anderen Mobilfunktechnologien auch, ein Shared Medium. Das heisst, die verschiedenen Nutzer teilen sich die Bandbreite in einer Zelle. Bei mehr Nutzern pro Zelle sinkt die Bandbreite entsprechend. Beim Festnetz der Swisscom können wir die Bandbreite garantieren, weil es sich dabei um eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung handelt. Diese Leitung müssen die Kunden mit niemandem teilen.

Ausser mit dem TV-Signal, wenn sie neben Breitband auch Swisscom-TV-Kunden sind.

Die nutzbare Bandbreite bleibt bestehen, wird aber zu einem Teil für das TV-Signal verwendet, das ist richtig. Andererseits erlaubt unser Netz aber auch interaktive Lösungen wie etwa Replay, also zeitversetztes Fernsehen. Zudem können heute bereits 84 Prozent unserer Kunden mit der verfügbaren Bandbreite problemlos zwei HD-Sender gleichzeitig übertragen. Bald werden es drei sein.

Wie ist Swisscom mit dem FTTH-Ausbau im Fahrplan?

Wir sind auf Kurs. Heute haben wir zehn Prozent Abdeckung. Der Glasfaserausbau wird uns aber noch viele Jahre begleiten. Unser Ziel ist es, die ganze Schweiz mit hohen Bandbreiten zu versorgen. Das heisst aber nicht, dass das komplette Netz bis in die Häuser aus Glasfaser bestehen wird. Es wird einen Mix aus verschiedenen Technologien geben. Einige Häuser werden direkt ans Glasfasernetz angeschlossen, bei anderen endet die Glasfaser am Trottoir und die letzten Meter werden mit Kupfer erschlossen. Wir entwickeln übrigens auch unser Kupfernetz weiter, etwa durch neue Technologien wie Vectoring, um die Bandbreiten zu erhöhen.

Eric Tveter, der CEO Ihres Konkurrenten UPC Cablecom, geht mit dem FTTH-Ausbau in der Schweiz hart ins Gericht. Im November sagte er in einem Interview CEtoday gegenüber, dass der Einstieg der Elektrizitätswerke und Gemeinden in den Infrastrukturwettbewerb mit FTTH den Markt verzerre und dadurch primär Swisscom subventioniert würde. Zudem gebe es keine Business Cases für diese FTTH-Netzwerke. Was sagen Sie dazu?

Ich habe Mühe mit solchen Aussagen. Was heisst denn, der Wettbewerb würde verzerrt? Er wird nicht verzerrt, sondern verstärkt sich durch den Einstieg der Elektrizitätswerke. Mit den Elektrizitätswerken als Baupartner können wir zudem Glasfaser schneller in die Fläche bringen, als wir das alleine könnten. Und nach dem Bau stehen wir mit den Elektrizitätswerken im vollen Wettbewerb um die Kunden. Von einer Subventionierung kann auch keine Rede sein, denn wir tragen den grössten Teil der Investitionen in die neuen Netze selbst. Und glauben Sie mir: Wenn wir nicht an einen Business Case in Zusammenhang mit FTTH glaubten, würden wir es wohl kaum machen. Wissen Sie, wenn man sich über Konkurrenten und ihre Technologien äussert, dann sucht man immer das Haar in der Suppe. Wir wissen, wo die Stärken unserer Angebote liegen.

Worin besteht denn der FTTH-Business-Case konkret? Wie sollen die Investitionen refinanziert werden?

Sobald die höheren Bandbreiten aus den FTTH-Netzen zur Verfügung stehen, werden auch entsprechende Dienste angeboten werden, die diese Bandbreiten benötigen. Bevor wir UMTS mit HSPA beschleunigt hatten, wurden auf dem Handynetz kaum Videos gestreamt. Heute ist es normal, auf dem Smartphone TV oder Youtube-Videos zu schauen. Das Angebot wird die Nachfrage stimulieren.

Apropos Youtube: In Frankreich bezahlt Google den Telekom-Anbieter Orange für den Traffic, der von Youtube verursacht wird. Was halten Sie davon? Könnte das französische Modell auch in der Schweiz Schule machen?

Es ist nichts Neues, dass es zwischen Serviceanbietern und Infrastrukturanbietern in der Telekommunikation Interkonnektions-Vereinbarungen mit Terminierungsgebühren gibt. Wenn Kunden stark asymmetrischen Datenverkehr verursachen, wird man entsprechende Abmachungen treffen.

Mit welchen Themen muss sich ein Telko wie Swisscom beschäftigen, damit er morgen noch gut dasteht? Was prägt Ihr Geschäft?

Wir sehen dabei vier wichtige Punkte: Erstens müssen wir die besten Netze haben, was Leistung und Zuverlässigkeit angeht. Wir investieren allein in diesem Jahr 1,7 Milliarden Franken in unsere Netzinfrastruktur. Ein grosser Teil davon geht in Mobil- und Festnetz. Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass wir sichere Produkte anbieten und unsere eigene Infrastruktur sichern. Drittens setzen wir auf einen hervorragenden Kundenservice. Das wollen die Kunden und das generiert Loyalität. Viertens gilt es auch, innovativ zu sein und ständig neue Geschäftsfelder zu erschliessen. In unserer Branche herrscht ein hoher Preis- und Substitutionsdruck, den es aufzufangen gilt.

Persönlich

Urs Schaeppi ist seit 2006 Mitglied der Konzernleitung der Swisscom. Sein Weg in die Telekommunikationsbranche führte über die Iveco Motorenforschung AG, den Elektronikkonzern Ascom sowie die Papierfabrik Biberist. Von 1998 bis 2006 war er als Leiter Commercial Business Konzernleitungsmitglied bei Swisscom Mobile, von 2006 bis 2007 war er CEO Swisscom Solutions AG, danach bis Ende 2012 Leiter des Geschäftsbereichs Grossunternehmen. Seit Anfang 2013 leitet Urs Schaeppi die Swisscom (Schweiz) AG.

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