Editorial

"Zoom-Fatigue" - die Kamera ist mitschuldig

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Leslie Haeny, stellvertretende Chefredaktorin. (Source: zVg)
Leslie Haeny, stellvertretende Chefredaktorin. (Source: zVg)

"Das können wir doch auch online besprechen." Diesen Satz hört man seit der Pandemie beim Vereinbaren eines Sitzungstermins häufig. Aber: Meetings machen müde. Wenn sie im virtuellen Raum stattfinden noch stärker als im physischen Sitzungszimmer. Doch woher kommt die als "Zoom-Fatigue" bezeichnete Erschöpfung nach Online­sitzungen? 

Studien zeigen, dass die Müdigkeit nicht nur von der Anzahl und der Dauer der virtuellen Meetings abhängt. Wie die Universität Zürich schreibt, könnte das Einschalten der Kamera ein grosser Einflussfaktor sein. Sobald die kleine Linse im Laptop oder die am Bildschirmrand angebrachte Webcam mit der Übertragung beginnt, fühlt man sich beobachtet. Hinzu kommt die Krux mit der Blickrichtung. Ist es besser, direkt in die Kamera – dieses kleine seelenlose schwarze Rondell – zu starren, sodass sich die anderen Meeting-Teilnehmenden wahrgenommen fühlen? Oder den Blick doch lieber auf den Bildschirm zu richten, wo die anderen Teilnehmenden und allenfalls eine Präsentation zu sehen sind? Und wie vermeidet man es, dass die Aufmerksamkeit immer wieder zur kleinen Kachel wandert, auf der die eigene Übertragung zu sehen ist?
Leider liefert die im "Journal of Applied Psychology" veröffentlichte Studie mit dem Titel "The fatiguing effects of camera use in virtual meetings: A within-person field" keine Antworten auf diese Fragen. Sie zeigt aber auf, dass Meeting-Teilnehmende nach virtuellen Sitzungen mit eingeschalteter Kamera erschöpfter waren als Meeting-Teilnehmende, die ihre Kamera ausgeschaltet liessen. Besonders schlimm ist die "Zoom-Fatigue" laut Studie bei Mitarbeitenden, die unter grösserem Druck stehen, ihre Kompetenz oder ihren Status unter Beweis zu stellen. Die Erschöpfung wirkte sich zudem negativ auf die Partizipation der Meeting-Teilnehmenden aus.

Ein konkretes Mittel gegen die Post-Meeting-Mattheit haben die Forschenden nicht. Sie empfehlen Unternehmen aber, Meeting-Teilnehmenden die Entscheidung über das Einschalten der Kamera selbst zu überlassen. Und wer weiss, vielleicht würde es schon helfen, wenn alle Mitarbeitenden für virtuelle Sitzungen einen Filter verwenden würden. Ganz im Stil des US-amerikanischen Rechtsanwalts Rod Ponton, der während einer Gerichtsverhandlung den Zoom-Katzen-Filter nicht ausschalten konnte und so zu Pandemiezeiten zum Internet-Phänomen wurde. Für etwas Auflockerung würde es auf jeden Fall sorgen.    

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