Editorial - "Piiiieps"

Wenn der Touchscreen behindert

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Redaktor René Jaun. (Source: Netzmedien)
Redaktor René Jaun. (Source: Netzmedien)

Als ich unlängst in der Waschküche einen vom Vermieter neu installierten Wäschetrockner entdeckte, war ich frustriert. Denn wo bislang ein Tumbler mit analogen Knöpfen stand, befindet sich jetzt einer mit nicht mehr ertastbaren Touch-Buttons. Problematisch ist das in meinem Fall, weil ich vollständig blind bin. Ohne Hilfsmittel sind Touchscreens für mich eine meist unüberwindbare Barriere. Meine Versuche, den neuen Apparat in unserem Block mittels Trial-and-Error zu programmieren, entlockten ihm minutenlang lediglich ein nichtssagendes "Piiiieps".

Ein Einzelfall ist dies leider nicht. In meinem Alltag treffe ich auf immer mehr Geräte, die nur ­sehenden Auges bedient werden können: von der Kaffeemaschine in unserem Büro über den Bestellautomaten im Fastfood-Restaurant bis zum Zahl-Terminal im Taxi.Dabei gäbe es längst Technologien, um Touch-Interfaces für User mit Behinderungen zugänglich zu machen, darunter Sprachausgaben oder Bluetooth-Schnittstellen für alternative Bedienungshilfen. Diese stecken in fast allen gängigen Computern und Smartphones. Doch gerade in der Haushaltsgerätebranche ignorieren die Entwickler von User Interfaces die Anliegen blinder Kundinnen und Kunden mehrheitlich.

Die Gründe sind vielfältig, wie der Austausch in der Community zeigt: Sie reichen vom Unbewussten "wir haben blinde User vergessen" über das Bewusste "kein Gesetz verpflichtet uns, also tun wir es auch nicht" bis zum leicht Ableistischen "Blinde können doch eh nicht selbstständig Kleider waschen ...". Der Hersteller unseres Wäschetrockners teilte mir mit, dass das Management sich gegen Barrierefreiheit entschieden habe; und ich solle doch die Position der Buttons mit taktilen Klebeetiketten markieren. Ich entdeckte inzwischen immerhin, dass sich das Display des Tumblers per Handy-Kamera recht gut auslesen lässt. Damit verliert das Programmieren ein wenig den Lotterie-­Charakter und ich bekomme mehr vom Output mit als das ewig gleiche "Piiiieps".

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