Claudio Hartmann im Interview

Warum es bei Ledvance zur Konsolidierung kam

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von Elektrojournal

Der Lichtprodukte-Hersteller Ledvance baut in Deutschland mehr als die Hälfte seiner Stellen ab und muss sich dafür heftiger Kritik bis hin zu Streiks stellen. War dieser Schritt vermeidbar? Das Elektrojournal fragte bei dem Ledvance-ACH-Geschäftsführer Claudio Hartmann nach.

Elektrojournal: Die Allgemeinbeleuchtungssparte wurde 2016 als Ledvance von Osram abgespalten. Und während Osram mit der Chipproduktion wuchs, ging es mit Ledvance steil bergab. Warum hat das Management sich so viel Zeit gelassen und nicht entschieden gegengesteuert?

Claudio Hartmann: Die Transformation von Ledvance dauert schon viele Jahre und hat lange vor der Abspaltung von Osram begonnen. Schon im Zeitraum von 2012 bis 2016 wurde die Zahl der weltweiten Produktionsstandorte drastisch reduziert – auch vor dem Hintergrund der diversen Gesetzesinitiativen in Europa und weltweit, die den Verkauf von traditionellen Lampen wie Glüh- und Halogenlampen massiv einschränken oder ganz verbieten. Leider hat sich seit der Abspaltung von Osram und dem Verkauf an die chinesischen Eigentümer herausgestellt, dass die bis dato erfolgten Massnahmen noch nicht ausreichen, um unser Unternehmen langfristig zukunftsfest zu machen. Gerade im letzten Jahr ist die Nachfrage nach traditionellen Lampen regelrecht und noch stärker als prognostiziert eingebrochen. Hinzu kommt, dass ab September 2018 Halogen-"Glühlampen" mit ungerichtetem Licht EU-weit nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Insofern rechnen wir nun bis 2025 mit einem Rückgang des Marktvolumens für traditionelle Leuchtmittel um rund 90 Prozent. Dem steuert unsere Unternehmensleitung durch die geplante und sehr schmerzhafte Konsolidierung unserer deutschen Werke und unserer Logistik in Europa konsequent entgegen. Mit den geplanten Massnahmen handelt das Management einzig und allein im Sinne des Gesamtunternehmens und seiner Beschäftigten, denn wir brauchen dringend Spielraum für Investitionen in unseren Wachstumsbereichen wie dem LED-Leuchtenmarkt.

War es ein Fehler, Ledvance nach Fernost zu verkaufen?

Nein, das genaue Gegenteil ist der Fall: Der Verkauf an die chinesischen Eigentümer um MLS ist eine Riesenchance für beide Unternehmen. Wir wollen Weltmarktführer in der LED-Allgemeinbeleuchtung werden. Mit MLS haben wir dafür einen der weltgrössten Hersteller von LED-Komponenten im Rücken, der uns neben diesen wichtigen Vorprodukten auch noch Zugang zum weltgrössten Beleuchtungsmarkt China verschaffen kann. Auch in Bezug auf die für LED-Lichtprodukte essentiell wichtige Elektronik spielt die Musik in Fernost. In Anbetracht dessen kann ich mir bessere Synergien zwischen MLS und Ledvance kaum vorstellen. Und um auch das nochmal klarzustellen: Die Ledvance-Geschäftsführung ist nach eingehender Prüfung unterschiedlichster Alternativszenarien zu der einhelligen Auffassung gekommen, dass an den verkündeten Plänen zur Konsolidierung der deutschen Standorte kein Weg vorbeiführt. Weder ist ihr das leichtgefallen, noch sind die Pläne auf Initiative der chinesischen Eigentümer hin gefasst worden.

Betrachtet man die Entwicklung, dann stellt sich aber schon die Frage: Waren die chinesischen Investoren wirklich an einer prosperierenden Ledvance interessiert, oder – wie einige Marktbeobachter mittlerweile glauben – nur an den Vertriebskanälen und dem Markennamen?

Selbstverständlich sind die chinesischen Investoren an einem prosperierenden Unternehmen Ledvance interessiert. Wir haben, wie auch unser strategischer Investor und Miteigentümer MLS, ehrgeizige Wachstumsziele. Unser neuer CEO Jacob Tarn hat es zu seinem Antritt Anfang Februar unmissverständlich gesagt: Wir wollen das weltweit führende Unternehmen in der LED-Allgemeinbeleuchtung werden. Dies erreichen wir nur, wenn wir uns in der Zusammenarbeit mit MLS auf unsere jeweiligen Stärken konzentrieren und diese voll ausspielen. Unsere Vertriebskanäle, der hervorragende Marktzugang in Europa, den USA und Südamerika, als Teil dessen auch unsere starken Marken Osram und, in Nordamerika, Sylvania sind ganz wichtige Assets von Ledvance und mitentscheidend für diesen künftigen Erfolg. Aber es sind nicht die einzigen. Wir haben auch eine erstklassige Forschung und Entwicklung, enorme Managementexpertise und tiefes Prozess-Know-how. Dass Investoren wie MLS, die ein langfristiges, strategisches Interesse an uns haben, genau hinschauen, wie sich ihre und unsere Stärken ergänzen, gebietet die Sorgfalt. Nun gilt es, die Weichen für den gemeinsamen künftigen Erfolg zu stellen. Besonders vielversprechend entwickelt sich für uns das LED-Leuchtengeschäft: Hier sind wir in weniger als zwei Jahren bereits in die "Top Ten" der grössten europäischen Leuchtenanbieter vorgestossen und wollen bis 2020 in den "Top Five" sein

Ledvance will in Deutschland 1400 von 2400 Angestellten abbauen. Das ist mehr als die Hälfte der Mitarbeiter. Haben die anderen noch eine Zukunft am Standort Deutschland?

Eindeutig ja. Unsere Unternehmenszentrale mit ihren Zentralfunktionen wie beispielsweise Forschung und Entwicklung, Personal oder Finanzen bleibt auch künftig in Garching bei München. Unser neuer CEO Jacob Tarn steuert insofern Ledvance von Garching aus. In strategischen Bereichen wie Forschung und Entwicklung werden wir übrigens auch personell aufrüsten. Auch die Zukunft der deutschen Standorte Eichstätt und Wipperfürth soll trotz auch dort notwendiger Restrukturierungsmassnahmen langfristig gesichert werden. Fest steht: Deutschland ist einer der grössten und wichtigsten Märkte für uns, jetzt und in Zukunft.

Das Logistik-Zentrum in Augsburg gilt laut Fraunhofer-Institut als eines der fünf Besten in Deutschland. Warum wird es trotzdem geschlossen?

Wir planen im Zuge unserer Transformation, unsere europäischen Logistikaktivitäten an einem bestehenden europäischen Standort zu konsolidieren. Und hierbei ist nach einer ebenfalls detaillierten Prüfung des Für und Wider die Wahl auf Molsheim im Elsass (Frankreich) gefallen. In Molsheim mit seiner ausgezeichneten Infrastruktur, der guten Anbindung an die Kernmärkte Deutschland und Frankreich und seinen Erweiterungspotenzialen bestehen die besten Voraussetzungen, um dort unsere europäischen Logistikaktivitäten zentral zu bündeln.

Falls es nicht bereits zu spät ist: Wie muss der Massnahmenkatalog aussehen, damit Ledvance auch in Deutschland eine Chance hat?

Von zu spät kann überhaupt keine Rede sein. Ganz im Gegenteil haben wir gerade auch in Deutschland beste und über Jahrzehnte gewachsene Beziehungen zu unseren Kunden und Partnern im Gross- und Einzelhandel, die wir auch in Zukunft mit hochwertigen LED-Produkten beliefern werden. Und aufgrund unserer gemeinsamen Historie mit Siemens und Osram haben wir mit unseren Produkten bei professionellen Lichtanwendern wie auch bei Endverbrauchern in Deutschland eine Markenbekanntheit wie kaum anderswo. Das ist eine mehr als solide Basis für künftigen Erfolg. Unser Geschäft mit LED-Leuchten beispielsweise entwickelt sich in Deutschland, aber auch Österreich und in der Schweiz überaus vielversprechend.

Wie positioniert sich Ledvance nun gegenüber der alten Mutter Osram?

Wir haben ein gutes Verhältnis zu unserem ehemaligen Mutterkonzern. Wir konzentrieren uns auf hochwertige LED-Allgemeinbeleuchtung, Osram überwiegend auf seine Kern-Geschäftsfelder wie die Automobilbeleuchtung oder die Herstellung von LED-Komponenten.

Wie soll sich Ledvance in Österreich weiterentwickeln?

Wie auch in Deutschland hat Ledvance Österreich eine über Jahrzehnte gewachsene Beziehung zu unseren Kunden im Gross- und Einzelhandel. Der Einstieg ins LED-Leuchten-Geschäft ist uns auch in Österreich hervorragend gelungen. Im 2017 konnten wir gesamthaft ein Umsatzwachstum erzielen, was uns die Möglichkeit gibt, gezielt in den Vertrieb zu investieren. Dieses Wachstum wollen wir auch im aktuellen Geschäftsjahr bestätigen und somit weiter Marktanteile gewinnen.

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