Verkaufsförderung

Der POS der Zukunft

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von Fedja Haueter, Geschäftsführer und Teilhaber Sellnovava

Der stationäre und der Onlinehandel sind aktuell weitgehend getrennte Einkaufswelten. Die Verschmelzung zu einem übergreifenden Verkaufspunkt hat gerade erst begonnen. Viele Verknüpfungen sind ­heute technisch bereits möglich, müssen aber zu ausgereiften Lösungen entwickelt werden und sind abhängig von Investitionen des Handels und der Akzeptanz der ­Konsumenten.

Die Zukunft des POS (Point of Sale) lädt zum Träumen ein, und schnell kreieren wir futuristische Bilder in unserem Kopf. Bilder, die durch neue Technologien aus den Nachrichten oder Science-Fiction-Filmen geprägt sind. Doch bevor etwa transparente Displays und Hologramme Einzug halten, steht eine Vielzahl von gegenwärtigen Technologien und technischen Hilfsmitteln zur Verfügung, die das Einkaufen nachhaltig verändern werden.

Die Konsumenten sind dem Handel einen Schritt voraus

Bereits im Jahr 2011 zeigte eine Studie der deutschen Verbraucherinitiative e.V. und Ebay zwei grundlegende Verhaltensmuster von Konsumenten in Sachen «Smart Shopping». Zum einen, dass 90 Prozent aller Offlinekäufer sich vor dem Kauf im Internet und mittlerweile auch immer häufiger vor Ort mobil informieren. Zum anderen, dass 80 Prozent der Onlinekäufer vor dem Kauf in Geschäften das «Touch & Feel» ihrer Wunschobjekte erfahren. Dies zeigt deutlich, dass die Konsumenten sehr rasch begannen, die Vorteile der beiden Einkaufswelten zu kombinieren. Diese sowie andere Verhaltensmuster und Entwicklungen blieben natürlich nicht unerkannt, und schnell wurde den Herstellern und dem Handel bewusst, dass sie den Kunden auf mehreren Kanälen begegnen mussten, was unter anderem zu Multi-Channel-Strategien führte. Doch die eigenen Produkte auf allen Kanälen dem Kunden anzubieten, reicht in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr aus. Der Konsument will verstanden und begeistert werden, er will selbst entdecken und dürstet nach Selbstbestimmung. Ihn auf dieser Reise bereits abzuholen und den ganzen Kaufentscheidungsprozess zu begleiten, das findet sich in Bereichen wie Inbound Marketing und Omni-Channel-Strategien wieder.

Online wächst – stationärer Handel sowie Preisniveau ­unter starkem Druck

Im Jahr 2011 lag der wertmässige Onlineanteil am Schweizer Gesamtmarkt im Bereich Heimelektronik noch bei 17 Prozent. Im Jahr 2015 ist dieser bereits auf 26 Prozent angewachsen. Insgesamt wuchs der Onlinehandel seit damals kontinuierlich zwischen 7 und 10 Prozent pro Jahr. Dies wird sich im aktuellen Jahr auch weiter fortsetzen. Wir sehen heute einen E-Commerce, der auf Anbieterseite professionalisiert und auf Konsumentenseite akzeptiert ist. Online einkaufen ist weit ver­breitet, und praktisch alle Alters- und andere demografische Gruppen nutzen dessen Vorteile. Der Onlinehandel wird sich dabei zum einen weiter konsolidieren, und zum anderen entstehen Marktplätze, welche die verschiedenen Online-Stores bündeln, vergleichbar mit Online-Einkaufs­zentren.

Der stationäre Handel hingegen, vor allem in den Bereichen Textil- und Elektronikhandel, ist weiter unter gros­sem Druck mit sinkenden Umsätzen pro Quadratmeter. Zum heimischen Preiskampf, der gerade im Bereich Heimelektronik mit harten Bandagen geführt wird, kommen Cross-Border-Einkäufe, die kontinuierlich und überproportional wachsen, sowie neue Player aus China, die den Preiskampf weiter anfachen. Insgesamt ist der stationäre Handel in den letzten fünf Jahren um 2,5 Milliarden Franken geschrumpft, wohingegen der Onlinehandel in der gleichen Periode um 1,8 Milliarden Franken gewachsen ist. Der Run Richtung E-Commerce ist ungebremst.

Integration auf beiden Seiten

Wenn sich heute ein Kunde online Informationen holt und anschliessend offline einkauft, oder umgekehrt Produkte offline begutachtet und Verkaufsberatung einholt, um danach online zu kaufen, gibt es immer einen Verlierer im Handel. Dies aus dem einfachen Grund, dass es bis jetzt noch kein Anbieter geschafft hat, seine Kunden zwischen den beiden Einkaufswelten zu binden. Selbst wenn dieser beiderorts über einen Auftritt verfügt.

Der E-Commerce ist heutzutage noch mehr oder weniger komplett vom klassischen Einkauf am stationären Verkaufspunkt losgelöst. Selbstverständlich gibt es Unternehmen, die diese Verbindung bereits herstellen. Es sind in erster Linie Onlinehändler, die sich in Richtung stationäre Verkaufsflächen entwickeln. Sie verstehen aus der Natur der Sache die Integration des Online-Stores am Verkaufspunkt. Auf der anderen Seite verfügen heutzutage mehr oder weniger alle grösseren Detailhändler über einen eigenen Onlineshop. Doch tun sich diese noch schwer, Brücken zu bauen. Dies zum einen, da der Aufbau eines eigenen E-Commerce-Kanals meist noch nicht allzu lange zurückliegt und sich zum anderen die Inves­tition in den stationären Verkaufspunkt in der jetzigen Situation nicht gerade anbietet. Die Entwicklung muss in beide Richtungen gehen. Zum einen sprechen wir von der Integration des E-Commerce in den stationären Verkaufspunkt, und zum anderen müssen Kunden vom Online-Store zurück auf die Verkaufsfläche geführt werden.

Die grossen Detailhändler haben hier erste Schritte getätigt, allen voran die Grossverteiler, die ihre App mit etablierten Treueprogrammen verbinden und nützliche Funktionen wie etwa Einkaufslisten, Couponing oder der Hinweis auf aktuelle Angebote mit Berücksichtigung der Kaufhistorie des Kunden anbieten. Allerdings sind diese «nur» mit Sortimentsübersichten und noch nicht mit ihren Online-Supermarkt-Auftritten verknüpft. Grundsätzlich bieten Kundenkarten oder ähnliche Kundenbindungswerkzeuge einen einfacheren Einstieg einer Verknüpfung, da sie die Kundendaten bereits besitzen und die Konsumenten einen Schlüssel verwenden können, den sie bereits kennen und nutzen. Diese müssen allerdings noch mit dem Online-Store verknüpft werden.

Die umgekehrte Richtung, den Konsumenten vom Online-Store auf die stationäre Verkaufsfläche zu führen, ist momentan eher zaghaft im Gang. Das Abholen von eingekaufter Ware an einer Verkaufsstelle, um Versandkosten zu sparen, meist als «Pickup» bezeichnet, ist ein genutzter Trick dafür. Den Konsumenten sollte aber mehr geboten werden, um den Anreiz zu schaffen, die stationären Verkaufsflächen zu besuchen, wofür zahlreiche Verkaufsförderungsmassnahmen zu Verfügung stehen.

Die Zukunft des stationären POS

Wir verlassen das Hier und Jetzt und werfen den Blick in eine nicht allzu ferne Zukunft. Vorausgesetzt, ein Detailhändler ist auf beiden Seiten präsent, ergeben sich für die Integration des eigenen Online-Stores in den stationären Verkaufsflächen einige Möglichkeiten, die technisch heutzutage durchaus realisierbar sind.

Eine elementare Frage ist, wie der Konsument erkannt wird oder wie er sich zu erkennen gibt und so mit seinem Onlinekundenkonto verknüpft werden kann. Es gibt dazu zwei primäre Ansätze. Erstens, der Kunde muss sich aktiv zu erkennen geben oder zweitens, er wird automatisch identifiziert.

Die erste Variante, bei der sich der Konsument zu erkennen gibt, ist bereits technisch lösbar und birgt viel weniger Diskussionsstoff in Bezug auf das Thema Datenschutz als eine automatische Erkennung. Das Smartphone als unser ständiger Begleiter wird für beide Varianten sicher eine zentrale Rolle spielen. In der Schweiz ist der Anteil an Mobile-Bestellungen von 15,3 Prozent im Jahr 2014 auf 24,7 Prozent im 2015 hochgeschnellt. Die Identifikation mit einem Smartphone kann aktiv geschehen, indem der Kunde bei oder kurz vor Betreten der stationären Verkaufsfläche die App des Händlers öffnet. Diese erkennt, wenn in Betrieb, etwa via Standortübermittlung oder das automatische Verbinden mit den händlereigenen WLAN den Besuch. Säulen beim Eingang, die über eine kurze Berührung des Smartphones über NFC das aktive Öffnen der App und Anschalten von Bluetooth sicherstellen, wären auch eine denkbare Variante.

Mit Bluetooth beziehungsweise dessen Einsatz in Form der Beacon-Technologie ist auch eine passive Erkennung möglich. Bei sogenannten Beacons, zu Deutsch: Leuchtfeuer, handelt es sich um kleine Minisender. Sobald sich ein Kunde den Beacons nähert, registriert das der Sender via Bluetooth Low Energy (BLE) und kann eine Nachricht an dessen Smartphone übermitteln.

Die App kann eine Interaktion mit dem Kunden starten und etwa abfragen, für welche Produkte der Kunde heute gekommen ist, um ihn anschlies­send dorthin durch den Laden zu führen. Dort angekommen, wird erkannt, vor welchem Produkt der Kunde stehen bleibt. Er schaut sich mehrere Modelle an und kann diese direkt auf der App vergleichen und ein interaktives Verkaufsgespräch mit einem elektronischen Verkäufer beginnen. Dies kombiniert alle Vorteile des Online-Stores, der sauberen Zurverfügungstellung von Informationen mit der Möglichkeit, die Produkte in Sachen Design, Verarbeitung und dem Gefühl, sie in den Händen zu halten oder anzufassen.

Wer keine Lust hat, mit einem Handy durch den Laden zu laufen, kann sich an ein Terminal wenden. Im Gegensatz zum persönlichen Smartphone, auf dem sich der Kunde in der App des Händlers bereits angemeldet hat, muss er sich bei einem Terminal erst einmal einloggen. Zur Kundenerkennung stehen mit Iris-Scanner, Fingerabdruckscanner, der altbewährten Kundenkarte oder dem klassischen Einloggen mit Tastatur verschiedene Technologien und Möglichkeiten zur Verfügung. Das Smartphone kann hier als eine Art Schlüssel dienen und mit NFC, QR-Code und dergleichen das Einloggen sicherstellen. Die Beratung am Terminal bringt allerdings einige Limitationen mit sich, wenn diese statisch verbaut sind, und birgt ein Risiko für Missbrauch, wenn ein Konsument allenfalls vergisst, sich auszuloggen.

Für den Handel wäre es natürlich am interessantesten, wenn er seine Kunden allein beim Vorbeigehen am Ladengeschäft oder beim Betreten des Verkaufspunkts erkennen könnte. Die erwähnte Beacon-Technologie kann dies gewährleisten, bedingt aber, dass der Kunde Bluetooth aktiviert hat. In etwas fernerer Zukunft könnten hier Hochleistungs-Iris-Scanner zum Einsatz kommen. Einer solchen Form der Erkennung stehen aber sicherlich grosse Hürden im Bereich der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes entgegen.

Sobald es schliesslich zu einem Kauf kommt, wird jedes nicht handliche Produkt innerhalb Stundenfrist beim Kunden angeliefert.

Die Zukunft des Verkaufspersonals

Die rein elektronische Verkaufsberatung via Smartphone, Tablet oder am Terminal steckt momentan noch in den Kinderschuhen. Und selbst wenn ausgereifte Lösungen zur Verfügung stehen, wird der Mensch wohl immer die Möglichkeit fordern, mit einem anderen Menschen sprechen zu können, und den persönlichen Kontakt suchen. Diese Möglichkeit muss auch im modernsten stationären Verkaufspunkt vom ersten Moment an zur Verfügung stehen. Hier entstehen eventuell Wartezeiten, und anstatt auf der Suche nach einem Verkäufer durch die Regalreihen zu ziehen, werden sich wohl Systeme zum Nummerziehen entwickeln, wie dies ja bei Mobile-Providern und der Post schon zum Alltag gehört. Diese Wartezeiten auf kostenlose Beratung werden garantiert die Nutzung der digitalen Variante fördern.

Des Weiteren kann für den Handel eine neue Einnahmequelle generiert werden, indem mit einer Premium-Verkaufsberatung die Vorteile von kürzeren oder inexistenten Wartezeiten und besser ausgebildetem Personal gegen Aufpreis zur Verfügung steht.

Eine weitere spannende Entwicklung ist die persönliche Beratung mit einem dezentralen Verkäufer. Die Möglichkeit also, einen Verkäufer beizuziehen, der auf dem Display des Smartphones, Tablets, Terminals oder eines anderen grossen Displays auf der Verkaufsfläche erscheint und ein persönliches Verkaufsgespräch führen kann, obwohl er physisch in einem Büro sitzt. Rund um diesen Gedanken ist die Integration von neuen Technologien wie Augmented Reality, Virtual Reality für die Darstellung des Verkäufers oder zu Demozwecken oder in etwas fernerer Zukunft der Holographie sehr spannend.

Erste Hersteller bieten sogenannte Live-Beratung ­bereits auf ihrer Website oder per Shop-in-Shop-Lösung auf der Verkaufsfläche an, wobei eine spezialisierte Verkaufsperson des jeweiligen Herstellers per Knopfdruck auf einem Bildschirm erscheint und eine Beratung anbietet.

Es wird allerdings noch einige Zeit vergehen, bis genannte Szenarien in dieser oder anderer Form Einzug halten werden. Die grossen Detailhändler, welche die nötigen Finanzen aufweisen, sind bekanntlich schwerfällig, und von der Evaluation bis zur Umsetzung ist es ein langer Weg. Das zaghafte Vorgehen kann man ihnen dabei auch nicht wirklich verübeln, da zum einen kein Angebot ausgereifter und erprobter Lösungen existiert und zum anderen der Handel für diese Integration in den meisten Fällen noch nicht bereit ist.

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