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So will Stefan Fraude Media Markt fit für den Onlinehandel machen

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Stefan Fraude ist seit rund einem Jahr an der Spitze von Media Markt Schweiz. Im Interview sagt der CEO, wie der Retailer seine Onlinepräsenz verbessern will, was es mit "Experience Electronics" auf sich hat und warum es definitiv Zeit für einen neuen Slogan ist.

Stefan Fraude, CEO, Media Markt Schweiz. (Source: Netzmedien)
Stefan Fraude, CEO, Media Markt Schweiz. (Source: Netzmedien)

Sie sind seit einem Jahr als CEO von Media Markt Schweiz im Einsatz. Wie blicken Sie auf die vergangenen zwölf ­Monate zurück? 

Stefan Fraude: Sehr positiv. Gleichzeitig war es eine intensive Zeit. Wir haben mit der Umsetzung unserer neuen Strategie rund um die Transformation von Consumer Electronics zu "Experience Electronics" begonnen. Wir konnten hier bereits viel Grundlagenarbeit leisten. Einige Entwicklungen liefen sogar schneller als erwartet. 

Welche Ziele hatten Sie sich für Ihr erstes Jahr als CEO ­gesetzt?

Mein erstes Ziel war es, Klarheit über die strategische Reise von Media Markt zu schaffen. Das Schweizer Marktumfeld ist stark vom Onlinehandel geprägt - fast 52 Prozent aller Consumer-Electronics-Produkte werden in der Schweiz mittlerweile online gekauft. Media Markt kennt sich aber vor allem im stationären Geschäft aus. Es wurde schnell klar, dass wir unsere Onlinepräsenz verbessern müssen, um im Schweizer Markt weiterhin erfolgreich zu sein. Zu einer guten Onlinepräsenz gehören ein Onlineshop, der State of the Art ist, eine ebenso aktuelle App, ein umfangreiches E-Commerce-Angebot und eine gute Logistik. Wir möchten aber auch offline weiterhin stark sein. Ein weiteres Ziel bestand daher darin, herauszufinden, warum die Kundschaft heute noch in einen stationären Store geht. Das Offline-Erlebnis muss über die reine Transaktion hinausreichen. Wir möchten darum unser Service- und Solutions-Geschäft stärken und unsere Stores als Plattform positionieren, auf der man Produkte erleben und anfassen kann und zusätzlich eine sehr gute Beratung mit diversen Services rund um die Produkte erhält. Das alles gehört dazu, um ein echter Omnichanel-Anbieter zu werden.

Wo stehen Sie aktuell mit der Umsetzung dieser Ziele? 

Alle grossen Basiselemente sind entweder in Arbeit oder bereits umgesetzt. Wir werden unseren neuen Onlineshop und die dazugehörige App diesen Frühling lancieren. Zudem konnten wir einen neuen Logistikpartner finden und werden ein neues hochautomatisiertes Lager in Betrieb nehmen, aus dem sowohl Onlinebestellungen als auch Produkte an unsere Stores geliefert werden. Im Bereich E-Commerce betreiben wir neu auch Dropshipping. Bei diesem Geschäftsmodell bestellt die Kundschaft ihre Ware über unseren Shop, diese wird dann aus Fremd­lagern - von Herstellern oder Distributoren - direkt an den Endkunden geliefert. Ende 2024 werden wir ausserdem einen Onlinemarktplatz lancieren. Im stationären Handel, in unseren Stores, bieten wir bereits zahlreiche Serviceleistungen an. So kann die Kundschaft Smartphones an unseren "Smartbars" reparieren oder diverse Geräte einrichten lassen. Wir bieten dort des Weiteren eine Einführung in die Funktionsweise diverser Produkte, einen Trade-in-Service und den Verkauf von Refurbished-Smartphones sowie diverse Angebote rund um die Lieferung und Montage von Produkten etc. Wenn man eine neue Strategie verfolgt, braucht es dafür zudem die nötigen Fähigkeiten und Strukturen im Unternehmen. Wir haben darum auch die Zusammensetzung unserer Teams angepasst. 

Sie erwähnten "Experience Electronics". Was bedeutet dieser Begriff? 

"Experience Electronics" fasst alle Themen rund um das Erlebnis der Kundschaft zusammen. Wir unterteilen dabei in die vier Säulen "Employee Experience", "Shopping ­Experience", "Usage Experience" und "Customer Experience". Unter "Employee Experience" statten wir unsere Mitarbeitenden mit den nötigen Fähigkeiten und Kompetenzen für die Interaktion mit der Kundschaft aus. «Shopping Experience» beschreibt das Erlebnis rund um den Einkauf. Dazu gehören beispielsweise Experience Zones, in denen man Produkte ausprobieren kann, die Beratung, aber auch ein guter Onlineshop. 85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer starten ihre Customer Journey heute online. Wir möchten sie darum auch dort abholen und uns als klaren Omnichannel-Anbieter positionieren. Unter "Usage Experience" fallen alle Service- und Solutions-Angebote wie Finanzierungsmodelle, Installationen und mehr. Mit "Impact Experience" gehen wir auf das Thema Nachhaltigkeit ein. Darunter fallen Angebote wie Reparaturen, Refurbished-Geräte oder unser Trade-in-Service. 

85 Prozent ist eine hohe Anzahl. Online gibt es viel ­Ablenkung, schnell ist ein günstigeres Angebot gefunden. Wie gehen Sie damit um? 

Das gehört zu unserer Überlegung, wie wir als Omnichannel-Anbieter auftreten. Dass Preise gerade im Onlinehandel ein wichtiges Element sind, ist uns bewusst. Wir bemühen uns daher, marktgerechte Preise anzubieten, können diesbezüglich aber nicht immer mit reinen Onlineanbietern konkurrieren. Doch beim Einkaufen gibt es noch mehr Faktoren als den Preis. Wenn die zusätzlichen Serviceleistung oder die Beratung - also der angebotene Mehrwert - stimmt, ist die Kundschaft durchaus bereit, einen leicht höheren Preis zu bezahlen. Verglichen mit anderen Ländern innerhalb der Gruppe, haben unsere Stores eine sehr hohe Conversion-Rate. Das unterstreicht, dass gute Beratung einen leicht höheren Preis rechtfertigt, und dass unsere Store-Mitarbeitenden einen fantastischen Job machen. 

Im Oktober eröffnete Media Markt einen Pop-up Store im Zürcher HB. Welches Ziel verfolgten Sie damit? 

Ich möchte vorab betonen, dass der Pop-up Store nicht der Blueprint für neue Store-Formate ist. Für uns war er in erster Linie ein Marketing-Vehikel, um den Leuten "Experience Electronics" näherzubringen. Wir konzentrierten uns dabei auf den Pfeiler "Impact Experience" und zeigten, was Media Markt im Bereich Sustainability anbietet. 

Wie wichtig ist das Geschäft mit Reparaturen und wiederaufbereiteten Geräten für Media Markt Schweiz?

Das Angebot wird intensiv genutzt - auf allen Kanälen. Wir sind überrascht, wie gut die Refurbished-Produkte auch online ankommen. Aktuell umfasst unser Sortiment Smartphones und Tablets. Wir möchten das Angebot auf weitere Produktgruppen ausweiten und zusätzliche Hersteller aufnehmen. 

Sie sagten, der Pop-up Store sei kein Blueprint für künftige Filialen. Gibt es trotzdem Pläne, abgesehen von den existierenden grossflächigen Geschäften, kleinere Filialen zu ­eröffnen?

Diese Überlegung machen wir uns natürlich. Aktuell sehen wir die Grösse unserer 25 Stores aber als Vorteil und als eines unserer Alleinstellungsmerkmale. Die grossen Stores passen zu unserer Strategie, die Kundschaft Produkte erleben zu lassen. So haben wir beispielsweise die Möglichkeit, Kinoräume einzurichten, in denen man ­Beamer oder Soundsysteme testen kann. Ob es in gewissen Stores künftig eine Flächenreduktion geben wird, kann ich weder bejahen noch verneinen. Auch wir müssen uns immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellen. Wir wollen aber auf keinen Fall Filialen schliessen. Zusätzlich zu den 25 Stores überlegen wir uns, mit kleineren Standorten an hochfrequentierten Lagen noch mehr Nähe zur Kundschaft zu schaffen. Solche Standorte würden sich insbesondere für Omnichannel-Angebote wie das Abholen von Onlinebestellungen oder gewisse Service- und Solutions-Angebote eignen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass solche Stores nur möglich sind, wenn man eine sehr gut funktionierende Logistik hat. Kleine Läden haben typischerweise kleine Lager und müssen daher schnell und oft beliefert werden. Mit unserer neuen Logistik rückt auch die Idee kleinerer Stores ein Stück näher. Erst setzen wir aber all unsere aktuellen Projekte um. 

2023 stellte sich als schwieriges Jahr für den Schweizer Consumer-Electronics-Handel heraus. Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf Media Markt Schweiz?

Das Marktklima in der Schweiz ist momentan rau, das kann man nicht schönreden. Consumer Electronics ist per Definition ein Volumengeschäft, da haben alle Player die genau gleichen Voraussetzungen. Ein schrumpfender Markt löst immer Druck aus. Wir überlegen uns aber aktuell eher, wo wir Bereiche ausweiten und Marktanteil gewinnen könnten. 

Wie begründen Sie die momentan schwierige Lage am Schweizer Markt?

Ich bin kein Marktforscher und kann daher nur eine vage Einschätzung abgeben: Während der Pandemie sind die Märkte für technische Konsumgüter überproportional gewachsen. Firmen aus dem Bereich haben darum aufgestockt und neue Strukturen aufgebaut. Dann brach die Nachfrage ein, da die Konsumentinnen und Konsumenten mit neuen Geräten ausgestattet waren und ihre Neuanschaffungen teils vorverlegt hatten. Nun stellt sich die Frage, ob sich der Markt dieses Jahr bereits erholen wird. Gemäss GfK werden die Umsätze in der Schweiz 2024 gleich bleiben oder leicht negativ ausfallen. Viele Hersteller - gerade aus dem Computing-Bereich - rechnen aber damit, dass es dieses Jahr erste Erneuerungszyklen geben wird. 

Bei Media Markt Schweiz gab es in den vergangenen zehn Jahren relativ viele CEO-Wechsel. Wie beeinflusst diese Tatsache das Team und die Beziehungen zu den Lieferanten? 

Wechsel sind in einer Industrie generell nie gut. Nach jedem Wechsel müssen Beziehungen zu Partnern, Teams und Mitarbeitenden wieder neu geknüpft werden, und jeder muss erst verstehen, wie der andere arbeitet. Wechsel lassen sich aber nicht immer verhindern. Es ist zudem wichtig, zu differenzieren, wo diese Wechsel stattfinden. Wenn wir über Beziehungen nach aussen sprechen, ist es insbesondere wichtig, dass die Teams im Einkauf und im Marketing ihre Beziehungen pflegen und nicht von ständigen Personalwechseln betroffen sind. Eine Rolle wie meine hat da zwar einen Einfluss, ist aber nicht so fundamental, wie man meinen würde. Ich habe als neuer CEO bestimmt den Vorteil, dass ich die Industrie und die Partner bereits gut kenne, was von Partnern sehr geschätzt wird. 

Sie waren vor Ihrem Start bei Media Markt rund sieben ­Jahre für Digitec Galaxus tätig. Von welchen Erfahrungen können Sie zusätzlich zur Branchenkenntnis profitieren? 

Meine Erfahrungen aus der Zeit helfen mir enorm, und dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin es gewohnt, in stark automatisierten Prozessen zu denken und für ein Unternehmen zu arbeiten, das Skalierbarkeit als Maxime hat. Zudem bin ich durch Digitec Galaxus sehr gut mit den zentralen Stellhebeln rund um E-Commerce vertraut und wie man diese für sich nutzen kann. Auch mit Dropshipping und Marktplätzen durfte ich bereits Erfahrungen sammeln. Mit dem stationären Geschäft war ich bis vor Kurzem noch etwas weniger vertraut. Ich konnte aber durch die sehr hohe Kompetenz und das Wissen bei Media Markt sehr viel dazulernen. Die Kombination dieser beiden Welten macht die Arbeit für mich enorm spannend und könnte eine gute Kombination für einen starken Omnichannel-Ansatz sein. 

Was nehmen Sie mit Media Markt Schweiz als Nächstes in Angriff?

Abgesehen von all den zentralen Initiativen und Massnahmen im Rahmen unserer Transformation zu "Experience Electronics" möchten wir diese Veränderung auch kommunikativ begleiten und uns als Marke insgesamt neu positionieren. Vielen kommen bei Media Markt noch immer völlig veraltete Slogans wie "ich bin doch nöd blöd" oder "das muessi grad am Urs verzelle" in den Sinn. Ak­tuell leben wir "Experience Electronics" noch sehr stark intern. Künftig möchten wir das auch nach aussen tragen. Dafür sind unterschiedliche Massnahmen im Marketing beziehungsweise Branding geplant. Dazu gehören unter anderem ein neuer Schweizerdeutscher Claim, der echt richtig toll ist und perfekt zu "Experience Electronics" passt, und ein Refresh unsere Bildsprache in Kampagnen beziehungsweise des Swirls.


Persönlich
Stefan Fraude ist seit dem 1. Januar 2023 CEO von Media Markt Schweiz. Er begann seine Karriere 2009 bei Johnson & Johnson, wo er in verschiedenen Funk­tionen für die Entwicklung neuer Märkte und die Einführung neuer Produkte in der EMEA-Region zuständig war. Von 2016 bis 2022 war er bei Digitec Galaxus unter anderem für die Einführung des Marktplatz-Geschäftsmodells (3rd Party Business) sowie als Head of Category Management für diverse Produktkategorien in der DACH-Region verantwortlich. Er ist Absolvent der Universität St. Gallen, wo er 2015 zum Thema "Leadership & Highperformance-Teams" promovierte. (Source: Media Markt) 

 

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