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"Der Hi-Fi-Verkauf ist die Kür in der Unterhaltungselektronik"

Uhr | Aktualisiert

Die Zürcher Hi-Fi-Schmiede Piega wird nächstes Jahr 30 Jahre alt. Die beiden Unternehmensgründer Kurt Scheuch und Leo Greiner blicken im Interview auf die Unternehmensgeschichte zurück. Sie sprechen aber auch die Probleme im Audiomarkt an.

Piega feiert nächstes Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Sie beide gründeten das Unternehmen. Wie erklären Sie sich den ­internationalen Erfolg?

Leo Greiner: Das überrascht uns auch jeden Tag. Es braucht Fortune, erarbeitetes Glück.

Kurt Scheuch: Genau, wenn das Produkt nicht den Vorstellungen oder den Bedürfnissen des Konsumenten entspricht, reicht es nicht aus, innovativ zu sein und einen guten Job zu machen. Es ist die Symbiose aus einem guten Produkt, das den Zeitgeist trifft, und einer positiven Einstellung zum Verkauf.

Ist zum Jubiläum etwas Spezielles geplant?

Greiner: Das wissen wir noch nicht. Als wir anfingen, war ich überzeugt, dass wir nach fünf Jahren an unsere Grenzen gelangen werden, was Umsatz und Renommee betrifft. Jetzt sind es bald 30 Jahre und wir haben noch immer nicht das Gefühl, dass wir das Maximum erreicht haben.

Scheuch: Wir sind nach wie vor ein kleiner, innovativer Betrieb mit 20 Mitarbeitern. Wir bringen immer wieder neue Produkte, sind also auch ohne Jubiläum sehr gut ausgelastet. Mitte April veranstalteten wir zudem drei Tage lang unsere dritten Open Days. Das war eine Chilbi für unsere Kunden mit Wurst und Bier, damit sie sehen, wie wir unsere Boxen produzieren. Das ist wichtig, aber für unsere Unternehmensgrösse ganz schön heftig.

Welche Grösse streben Sie mit Piega an?

Scheuch: Wir wollen keine 100 Mitarbeiter, weil wir dann einen Personalchef bräuchten und die Leute nicht mehr kennen würden. Wir steuern die Belegschaftsgrösse, indem wir outsourcen. Wir haben kein Aluminiumpresswerk und auch keine Schreinerei für die Gehäuse. Unsere Kernkompetenzen müssen aber im Haus bleiben. Piega steht technologisch für Bändchenkonstruktionen im Mittel- und Hochtonbereich für unsere koaxialen Systeme und neu auch für den Line Source Driver. Da sind wir einzigartig.

Welche Auswirkungen hatte der SNB-Entscheid auf Piega?

Scheuch: Wir leiden seit Jahren unter dem Euro-Kurs. Unsere ursprüngliche Kalkulation beruht auf einem Wechselkurs von 1.50 Franken. Das ist nicht erfreulich.

Greiner: Wir decken uns aber auch auf dem internationalen Markt ein. In der Schweiz gibt es nun einmal keine Industrie für die Lautsprecherproduktion. Nennenswerte Hersteller von Basslautsprechern gibt es auch in Europa nur noch zwei im Norden. Die haben sich spezialisiert und sind teurer als die Produzenten in China. Deshalb setzen wir diese in den teureren Linien ein, für die Einsteigerlinie decken wir uns auch in Asien ein.

Welche Auswirkungen hat der Rückgang im Audiomarkt für Piega?

Scheuch: Unser Aufwand wird immer grösser, den gleichen Umsatz wie früher zu erzielen, allein schon durch den kommunikativen Aufwand. Früher gab es eine kommunikative Barriere, da kommunizierte unser Aussendienst mit den Händlern. Heute nimmt der Endkonsument Kontakt mit uns auf. Im Kommunikationszeitalter ist es normal, dass wir Fragen beantworten. Falls erforderlich bieten wir auch Vorführungen, weil wir das als Hersteller am besten können. Das ist auch gut so, denn der Kunde muss das für ihn richtige Produkt kaufen, damit er Freude daran hat.

Greiner: Wir machen die Hälfte unseres Umsatzes in der Schweiz. Unsere Zahlen sind hierzulande ziemlich konstant. Weil der Markt zurückgeht, werden unsere Anteile grösser. Darauf sind wir nicht stolz. Wir hätten es lieber, wenn der Gesamtkuchen grösser würde. In der Schweiz sehe ich keine Möglichkeit mehr, den Umsatz zu steigern. Wir ändern deswegen aber nicht unsere Vertriebsstruktur. Der selektive Vertrieb ist die geeignete Plattform für unsere Produkte.

Was unternimmt Piega, um bei der Smartphone-Generation die Freude an Hi-Fi zu wecken?

Scheuch: Es ist nicht unsere Aufgabe, der Smartphone-Generation eine Alternative zu bieten. In meiner Jugendzeit waren noch ein Töffli und eine ­Hi-Fi-Anlage erstrebenswert. Ich habe eine Tochter und sehe jeden Tag, dass junge Menschen kein Bedürfnis mehr nach Hi-Fi im trauten Heim haben. Ihnen ist die Mobilität wichtiger. Es gibt Ausnahmen. Aber der 20-Jährige ist nicht unser Zielkunde. Es wird von uns auch kein 'Piega to go' geben. Aber wir haben mit unserer Vertriebsgesellschaft Lakeside eine gute Basis, Produkte zu vertreiben, die im populäreren Bereich angesiedelt sind.

Wie kann der Audiomarkt wieder wachsen?

Scheuch: Jungen Leuten ist das iPhone das Wichtigste, aber das kann sich in zehn Jahren auch wieder ändern. Der Mensch will immer Musik hören, und zwar grundsätzlich anders als mit einem Telefon.

Warum wächst der Markt nicht angesichts des demo­grafischen Wandels?

Scheuch: Gute Hi-Fi-Qualität, Lautsprecher und Elektronik sind Produkte mit langer Lebensdauer. Wir haben aber schon vermehrt Kunden, die sich richtig schöne Dinge leisten. Die heutige Generation 60 plus leistet sich etwas, geht reisen und will in guter Qualität Musik hören. Das sind keine 'High Ender', aber Konsumenten, die gerne Musik hören und hohe Ansprüche haben. Die leisten sich Hi-Fi-Anlagen in einer Preisklasse, wie das früher der High Ender tat.

Greiner: Unser typischer Endkonsument hat wohl eine 150-Quadratmeter-Eigentumswohnung mit Seesicht. Der will adäquate, schöne und kleine Lautsprecher, die ihm die Sicht nicht versperren. Hier liegt unsere Stärke, dank unserer Aluminiumlautsprecher.

Sie bieten aus der Classic-Serie neu auch Holzlautsprecher an. Ist diese Kategorie heute interessanter für Piega?

Scheuch: Unsere Classic-Serie ist vorwiegend für den Export in den asiatischen und russischen Markt und nicht primär für Europa gedacht. Mit der Classic-Einsteigerlinie haben wir Lautsprecher, die bei einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis mehr oder weniger konventionell sind. Sie sind gerade für junge Kunden ein guter Einstieg in Piega. Aber unser Kern ist nach wie vor Aluminium.

Greiner: Der chinesische Markt funktioniert völlig konträr zur Schweiz. Obwohl es eine grosse Herausforderung ist, aus einem kleinen Gehäuse einen grossen Ton herauszuholen, ist das für chinesische Verhältnisse kontraproduktiv. Die haben es zurzeit noch lieber gross. Also müssen wir uns anpassen.

Ist in der Schweiz die Premium-Linie die beliebteste?

Scheuch: Ja, unsere kommerziell wichtigsten Lautsprecher sind die Modelle Premium 3.2 und Premium 5.2. Sie sind für fast jeden Haushalt das Richtige. Koax-Modelle liegen in einem Preissegment, in dem mit wenigen Stückzahlen viel Umsatz erzielt wird. Was wir aber auch als wichtig erachten, ist unsere Einstiegsserie T-Micro. Die drei Produktlinien im Aluminiumsegment sind auch in der Schweiz durchaus sinnvoll. Zudem profitieren wir bei Lakeside Audio von Bundles mit Marantz-Produkten, die wir breit in den Fachhandel distribuieren. Der Fachhändler auf dem Land braucht kein High-End-Studio, sondern eine kleine, einfache Anlage mit einem Paar guter Boxen zu einem moderaten Preis.

Was empfehlen Sie dem Fachhandel beim Hi-Fi-Verkauf?

Scheuch: Der Hi-Fi-Verkauf ist die Kür in der Unterhaltungselektronik. Beim Lautsprecherverkauf trennt sich die Spreu vom Weizen. Ich bin heute nicht mehr so viel im Aussendienst wie früher, aber bei manchen Verkaufsgesprächen läuft es mir kalt den Rücken herunter. Entscheidend ist, wie man demonstriert. Jeder Handgriff muss sitzen. Bei einer guten Demonstration erklingt aus dem Nichts das für den Kunden richtige Musikstück in der richtigen Lautstärke, wie er es noch nie gehört hat. Innerhalb der ersten zehn Sekunden muss dem Kunden der Kiefer herunterklappen. Wer das kann, macht beliebig Umsatz.

Greiner: Der Händler sollte sich auf eine Marke mit einem guten Basissortiment fokussieren. Dann kann er dem Konsument versichern, dass er eine gute Vorselektion getätigt hat und hinter dem Produkt steht. Voraussetzung ist, dass er die Eigenheiten des Produkts kennt.

Hat Lakeside Audio deshalb nur vier Marken im Sortiment?

Greiner: Weniger ist mehr. In den ersten 20 Jahren machte Piega nur Lautsprecher, obwohl wir viele Anfragen für Elektronik erhielten. Wir wollten uns fokussieren. Als wir im Aussendienst breiter aufgestellt waren, konnten wir uns erlauben, auch weitere Produkte herzustellen. Es muss aber immer zu uns passen und darf nicht miteinander konkurrieren, falls wir bei Lakeside eine neue Marke aufnehmen.

Scheuch: Wir halten immer unsere Augen offen, schauten in den letzten acht Monaten vielleicht zwei Dinge genauer an, entschieden uns aus verschiedenen Gründen aber dagegen. Wir wollen nicht 20 verschiedene Brands im Portfolio. Der Lieferant muss ja auch zufrieden sein. Wenn wir einen Vertrieb haben, der nur ein paar tausend Franken Umsatz macht, nutzt das niemandem. Das gibt nur Reibungsverluste.

Vor ein paar Jahren stieg die zweite Generation in den ­Familienbetrieb ein. Was ändert sich bei Piega?

Greiner: Die Kernkompetenz, die wir in den letzten 30 Jahren aufbauten, werden wir nicht verlassen. Ein Generationenwechsel bedeutet aber auch neue Ideen. Für Lakeside denken wir über den portablen Bereich nach. Der Vorteil an der neuen Generation ist ihre Nähe zur IT. Die Produkte werden ja immer vernetzter.

Wie lautet Ihre Message an den Fachhandel?

Scheuch: Beim Hi-Fi-Verkauf ist die Freude am Musikhören essenziell. Wenn der Kunde vor Freude Tränen in den Augen hat, ist das Budget auch kein Thema mehr. Wir sehen es ungern, dass sich die Anzahl Fachhändler reduziert. Sei es, weil der Generationenwechsel nicht klappt oder aus anderen Gründen. In den letzten 15 Jahren gab es eine drastische Reduzierung um ein Drittel. Da bleibt zwar für die Verbliebenen mehr übrig, aber es braucht möglichst viele Verkaufspunkte, damit die Leute gute Musik erfahren.

Greiner: Ich höre oft, dass niemand in den Laden kommt, der teure Produkte kauft. Wie auch, wenn die Händler keine teuren Produkte mehr im Laden ausstellen? Ich würde eine kleine Überanlage vorführbereit halten. Viele wissen gar nicht mehr, wie etwas qualitativ Gutes tönt. Diesen bleibenden Eindruck muss der Fachhandel bieten.

Zu den Personen

Leo Greiner und Kurt Scheuch gründeten 1987 mit Piega einen Zürcher Lautsprecherhersteller, der sich im High-End-Bereich einen internationalen Namen gemacht hat. Scheuch zeichnet bei Piega für die Innovationen und technischen Belange verantwortlich, während Greiner die ­finanziellen Geschicke leitet. Sie führen das Unternehmen als Familienbetrieb, vor ein paar Jahren stieg auch die zweite Generation ins Unternehmen ein.

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