174 Shoppingcenter

Schweizer Shoppingcenter müssen sich revitalisieren

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Die Schweizer Shoppingcenter-Landschaft zählt zu den dichtesten in ganz Europa. Auf 100 Einwohner kommen 29 Quadratmeter Einkaufsfläche. Im nächsten Jahr sollen 500'000 weitere Quadratmeter hinzukommen. Der resultierende Verdrängungswettbewerb fordert vor allem ältere Shoppingcenter.

Die Shoppingcenter-Dichte in der Schweiz ist, gemessen an der vermietbaren Fläche pro Einwohner, eine der höchsten in Europa. Auf 100 Einwohner kommen 29 Quadratmeter vermietbare Fläche. Insgesamt gibt es in der Schweiz 174 Shoppingcenter mit einer Fläche von 5000 Quadratmetern und mehr, wie Thomas Stiefel, Managing Partner von Retailpartners Wetzikon, in seiner Masterarbeit am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich schreibt.

Im nächsten Jahr sollen durch Um- und Neubauten weitere 500'000 Quadratmeter Shoppingfläche dazukommen. Das stellt den Handel vor neue Probleme, statt bestehende zu lösen, wie Stiefel glaubt.

Markt- und Wettberwerbs-Druck für ältere Center

Es entsteht ein Verdrängungswettbewerb in einem bereits gesättigten Markt. Das Plus an Verkaufsflächen wirke sich negativ auf die Flächenproduktivität aus und müsse angesichts des rückläufigen Konsums der Schweizer Haushalte im Detailhandel grundsätzlich in Frage gestellt werden, schreibt Stiefel weiter.

Vor allem ältere Einkaufszentren würden durch die Markt- und Wettbewerbssituation unter Druck geraten. Sie könnten nur bestehen, wenn es ihnen gelänge, sich durch nachhaltige Revitalisierungsmassnahmen neu kunden- und zukunftsorientiert aufzustellen. Was aber bedeutet das?

Shoppingcenter als Teil des urbanen Raums

"Revitalisierte Shoppingcenter müssen Teil des Lebens und der Freizeit im öffentlichen Raum werden", schreibt Stiefel. Die Center müssten sich zum urbanen Raum öffnen, sie müssten zu sogenannten "Third Places", zu dritten Räumen werden. Dritte Räume versteht Stiefel als öffentliche Räume, die im Zuge der Modernisierung zum persönlichen Lebensraum werden, der über den Konsum hinausreicht. Ein öffentlicher Raum also, an dem man auch gerne verweilt, wenn man längst alle Besorgungen erledigt hat.

Gemäss Stiefels Arbeit sind Shoppincenter bereits vielerorts zu solchen dritten Räumen gewachsen. Bei den Schweizer Shoppingcentern sieht er jedoch noch Entwicklungsbedarf. Vor allem in Kleinstädten müsse ein Umdenken stattfinden. Der Revitalisierungsdruck würde die Center in Kleinstädten in den nächsten Jahren stärker in Bedrängnis bringen als in Grossstädten.

Dynamik des Detailhandels fordert Veränderungen

Denn der Detailhandel unterliege einem dynamischen Wandel, angetrieben unter anderem vom veränderten Einkaufsverhalten über Online-Kanäle. Shoppingcenter verändern sich hingegen aufgrund von langen Amortisationszeiten nur langsam. Das Einkaufserlebnis zwischen On- und Offline klaffe auseinander und Shoppingcenter würden im digitalen Bereich ins Hintertreffen geraten.

Zur Revitalisierung müssten deshalb der stationäre und der Online-Handel zusammengeführt werden, da beide Kanäle über alle Altersgruppen hinweg simultan und zunehmend mobil genutzt würden. Betreiber von Shoppingcentern müssten beide Kanäle bei der Gestaltung des Retailerlebnisses zusammenführen. Dazu gelte es, die nötige technische Infrastruktur zu schaffen: Apps, kostenlose Hotspots, Indoor-Navigation oder Multimedia-Infostellen.

Senioren werden zu einer wichtigen Zielgruppe

Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Aspekt sei die Überalterung der Gesellschaft. Kunden im Seniorenalter, Stiefel nennt sie "Silver Shoppers", würden zu einer immer wichtigeren, da immer zahlreicheren, Zielgruppe werden. Sie fühlten sich vor allem in einer sicheren Umgebung wohl.

Multifunktionale Leitsysteme vom und zum öffentlichen Verkehr, im Parkhaus und in den Mall-Bereichen, helle und breite Wege oder eine Sicht nach draussen seien die Kriterien, die den Erfolg von Sicherheitssystemen ausmachen würden. In Zukunft müssten Sonderbehandlungen von "Silver Shoppern", Frauen und Familien zum Standardangebot gehören.

Investoren für die Problematik sensibilisieren

Stiefel bemängelt in seiner Arbeit, dass für den Grossteil der Shoppingcenter in der Schweiz ein Renovationsrückstau respektive die Notwendigkeit zur konzeptionellen Anpassung besteht. Das betreffe einerseits die Architektur und Gestaltung der Center, andererseits aber auch die Multichannel-Strategien. Bei der Synchronisation der Online- und Offlinewelten bestehe grosser Nachholbedarf. Shoppingcenter seien nur dann zukunftsfähig, wenn sie den Einsatz aktueller Technologien zur Steigerung des Einkaufserlebnisses vorantreiben würden.

Hier seien vor allem auch die Investoren gefragt. Diesen sei oft nicht bewusst, dass Anpassungen an Umweltveränderungen mit intelligenten, zukunftsgerichteten Architektur- und Gestaltungsinfrastrukturen oft schnell, kostengünstig und zielgerichtet umgesetzt werden könnten. Ohne grossen Aufwand könnten sich Shoppingcenter zum Bestandteil einer Gesamtentwicklung emporschwingen und langfristig gesellschaftliche Akzeptanz erzielen.

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