Interview mit Ernst Werder von der MCDT

"Radio übers Internet kostet 40-mal mehr als DAB+"

Uhr | Aktualisiert

Ernst Werder kritisiert eine Studie, wonach DAB+ weitgehend unbekannt sei. Im Interview nimmt der Managing Partner der SRG-Tochter MCDT Stellung.

Ernst Werder, Managing Partner MCDT. (Quelle: MCDT)
Ernst Werder, Managing Partner MCDT. (Quelle: MCDT)

DAB+ ist den meisten Schweizern immer noch unbekannt. Dies hat eine exklusive Umfrage von Marketagent.com für 20 Minuten ergeben. Demnach weiss weniger als die Hälfte der Deutschschweizer Bevölkerung mit dem Begriff DAB+ etwas anzufangen. Ernst Werder, Managing Partner der SRG-Tochter MCDT sieht das anders und kritisiert das Umfrageverfahren.

Herr Werder, sind Sie mit dem Umfrageergebnis von Marketagent.com einverstanden?

Ernst Werder: Nein. Gemäss unseren Recherchen ist die Umfrage nicht repräsentativ. Marketagent.com, welche diese Umfrage anscheinend im Auftrag von 20 Minuten durchführte, befragte lediglich 500 Personen zwischen 14 und 65 Jahren in der Deutschschweiz. Die Fragen wurden auch nicht hauptsächlich zum Thema DAB+ gestellt, sondern zu diversen anderen Themen. Die Schwierigkeit bei der Abfrage nach Nutzungsvektoren liegt darin, dass die Befragten selten wissen, über welchen Vektor sie Radio hören und häufig auch die Empfangstypen nicht kennen, geschweige denn unterscheiden können. Wie und welche Frage gestellt wird und die Wahl der Stichprobe ist somit zentral und beeinflusst auch das Resultat. Und schliesslich beweist die hohe Zahl der Kommentare zum 20 Minuten-Artikel eigentlich das Gegenteil. Das Thema bewegt und viele haben sich bereits eine Meinung zu DAB+ gebildet – eine positive oder negative.

Was macht Sie dabei so sicher?

Wir wissen aufgrund von Rückmeldungen und Hörerzahlen einzelner Radiosender der letzten Jahre, dass die Hörer umso stärker Digitalradio nutzen, je älter sie sind. Vor allem die SRF Musikwelle wird auch von einem älteren Publikum gehört. Ein älteres Publikum wiederum nimmt weniger an Online-Umfragen teil. Die Programme SRF Musikwelle und SRF 4 News können beispielsweise über die Luft einzig via DAB+ empfangen werden, nicht aber über UKW.

Wie verbreitet sind denn DAB+-Geräte tatsächlich in der Schweiz Ihrer Meinung nach?

Die Zahl der DAB/DAB+-Geräte in der Schweiz hat sich in den letzten sieben Jahren stark entwickelt. Waren 2006 erst knapp 15'000 in den Schweizer Haushalten in Betrieb, waren es Ende 2013 bereits 1,515 Millionen Geräte. Gemäss Bundesamt für Statistik existieren in der Schweiz über 3,5 Millionen Privathaushalte. Diese Zahl basiert auf der Eidgenössischen Volkszählung von 2012. Demnach erreicht Digitalradio theoretisch rund 43 Prozent der Schweizer Haushalte, wenn man ein DAB/DAB+ Radio pro Haushalt annimmt. Eine erfreuliche Entwicklung setzt auch bei DAB+ Autoradio ein: Hier wurden gar 5-mal mehr DAB+ Empfänger verkauft als die Jahre zuvor. Ende 2013 empfingen rund 100'000 Fahrzeuge in der Schweiz DAB+.

Gibt es auch Nutzer-Zahlen?

Gesicherte Zahlen zur Digitalradio-Nutzung in der gesamten Schweiz liegen aktuell noch nicht vor. Dies unter anderem auch, weil laufend neue Programme auf DAB+ aufgeschaltet werden. So verbreiten seit vergangener Woche in der französischen Schweiz weitere 15 Radiosender ihre Programme neu auch über DAB+, darunter 13 Privatradios.

Was halten denn die Radiosender von DAB+?

Auch Radiosender, die ein jüngeres Publikum bedienen, wie beispielsweise Radio 24, haben durchaus positive Erfahrungen mit DAB+ gemacht. Radio 24 verzeichnete einen "unglaublichen Reichweitengewinn", wie die ehemalige Programmleiterin Karin Müller in einem Interview erklärte. Laut Müller stieg die Hörerzahl von rund 300'000 UKW-Hörern zeitweise auf rund 400'000 in der gesamten Schweiz und pendelte sich dann bei 327'000 ein, was einem Zuwachs von rund zehn Prozent entspricht. Die ehemalige Radio-24-Programmleiterin sagte damals, dass der Sender das sofort hätte kapitalisieren können, sie hätten den höchsten Sekundenpreis überhaupt erreicht.

Radio-24-Gründer Roger Schawinski spricht weit weniger euphorisch über DAB+. Sein derzeitiger Sender Radio 1 verabschiedete sich von der Technik und will stattdessen auf eine internetbasierte IP-Technologie setzen. Ein sinnvolles Vorgehen?

Zum Thema Internetradio erlaube ich mir folgende Bemerkung: Gemeinhin wird angenommen, Internetradio sei kostenlos beziehungsweise kostengünstiger als Digitalradio. Doch das Gegenteil ist hier der Fall: sowohl für Programmanbieter wie auch für die Radiohörer. Viele wissen nicht, dass sie den Radiokonsum über Internet bezahlen müssen. Denn die Datenübertragung im mobilen Internet ist immer mit Kosten in Form einer Flatrate oder als Pay-per-Unit-Modell verbunden. Anonymes Radiohören ist dadurch nicht mehr möglich. Zudem fallen teilweise hohe Roaming-Gebühren an, wenn man Webradio im Ausland hört. Gemäss einer Digitalradio-Studie vom März 2014 des Bayerischen Rundfunks (BR) und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien sind die Kosten in Bayern bei einer Übertragung über Internet/LTE um etwa 40-mal höher als die Kosten bei einer Übertragung über DAB+! In der Schweiz existiert noch kein Kostenvergleich. Allerdings ist diese Berechnung auch für die Schweiz interessant, da in Bayern 12,5 Millionen Menschen leben und Radio beziehungsweise der Radiokonsum dort einen ähnlichen Stellenwert hat.

Update 28.4.14:

Ursula Kaspar von Marketagent.com sagt zu Ernst Werders Vorwurf, die Umfrage sei nicht repräsentativ: "Die Studie wurde bei einem Stabilen Sample von 500 Personen repräsentativ für die Deutschschweiz durchgeführt. Die Daten sind unter Berücksichtigung des maximalen Stichprobenfehlers von +/- 5,5 Prozent valide. Die Tatsache, dass die Fragen im Rahmen einer Omnibusstudie gestellt wurden, zieht keine Qualitätseinbusse mit sich."

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